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Gustav Mesmer - Flugradbauer, Korbflechter und Visionär



Eine gegenwärtig stattfindende Ausstellung im Gewerbepark Schirm in Tübingen-Kirchentellinsfurt gibt mittels Fotografien, Installationen und originalen Flugapparaten einen Einblick in das Lebenswerk dieses beharrlichen und phantasievollen Außenseiters aus Oberschwaben. Die nach eigenen Entwürfen konstruierten Fluggeräte und Objekte Mesmers geben Zeugnis von einem tüftelig-schwäbischen Charakter, dessen Hauptanliegen sich jedoch nicht auf das rein Handwerkliche erstreckte.

Gewisse Affinitäten weisen die Flugapparate Mesmers - die den Boden der Tatsachen niemals verlassen haben - mit den aberwitzigen und skurrilen Maschinen des Schweizer Künstlers Jean Tinguely auf. Beide verwenden gebrauchte und nutzlos gewordene Materialien - heute würde man dazu wohl Recyclingrohstoffe sagen - und fügen diese zu komplexen Gebilden zusammen, wobei physikalische Prinzipien durchaus berücksichtigt, aber der eigenen Vorstellungswelt angepasst werden. Gleichwohl erfüllen sie keinerlei praktische Funktionen und erhalten ihre Bestimmung allein durch ihre Existenz. Doch wo bei Tinguely der abstrakte Ansatz eines kunsttheoretisch Bewanderten für die nötige schöpferische Unruhe sorgte, war es bei Gustav Mesmer die "handfeste" Vision mit Hilfe von Muskelkraft einen kleinen Flugverkehr von Dorf zu Dorf auf der Schwäbischen Alb zu ermöglichen. Wie nun aber diese Vision von Mesmer umgesetzt wurde, verrät viel künstlerische Kraft und Poesie. Aus gebrauchten Plastikabsperrzäunen, leeren Torfsäcken, alten Fahrädern, ausgedienten Regenschirmen sowie Hölzern jeglicher Art schuf er fragile und seltsam wirkende Flug-apparate, die auf höchst unterschiedlichen mechanischen Funktionsprinzipien basieren. Dies wird schon allein an den Bezeichnungen Mesmers wie Drachen-, Windschrauben- oder Schwingen-Flugfahrrad für seine Modelle deutlich. Als Vorbilder dienten ihm eher natürliche als technische Vorbilder - Hubschrauber und Düsenjets waren nicht so sehr seine Sache. Dieser allgegenwärtige Bezug zur Natur wird auch an den zahlreichen Fotografien der Ausstellung deutlich, die zu einem großen Teil Gustav Mesmer beim "Ausprobieren" seiner Flugapparate zeigen. Hier scheinen Mensch und Maschine vor oberschwäbischer Hügellandschaft eine Einheit zu bilden.

Besonders beindruckend wirken in dieser Ausstellung die Fotografien von Franco Zehnder und Nicole Becker. Während Zehnder die Person Mesmers "in Aktion" mit seinen Flugmaschinen zum Thema macht - darunter auch ein stark mystisch wirkende Aufnahme, die ihn mit umgeschnalltem Flugapparat auf einem nebligen Hügel im Lautertal zum Abheben bereit zeigt -, geben die einfühlsamen Schwarzweißaufnahmen von Nicole Becker Mesmer in seiner Werkstatt wieder. An diesen Porträtaufnahmen wird auch das tragische Schicksal Mesmers fassbar, in dessen Person sich auch die Geschichte des 20. Jhs. mit all ihren Zufälligkeiten und Grausamkeiten spiegelt.



Die Ausstellungshalle - eine bis auf die tragenden Betonstützen entkernte Webereihalle - erweist sich als ideal. In aufgelockerter Weise gliedern bedruckte, abgehängte Folien und Tafeln aus dünnem Sperrholz maßstabsgerecht den großen Raum. Durch die teilweise transparenten Folien werden die Strukturen der alten Fabrikhalle nicht ausgeblendet, sondern in die Ausstellung miteinbezogen. Über den zentral angebrachten Fotostellwänden werden drei Original-Flugapparate von Mesmer gezeigt.



Diese Ausstellung macht schon jetzt neugierig auf die große Werkschau zum hundertjährigen Geburtstag Mesmers, die nächstes Jahr, in einem alten, denkmalgeschützten und nun eigens dafür hergerichteten Kuhstall in Buttenhausen realisiert werden soll. Hier sollen noch nie gezeigte, restaurierte Fluggeräte und Objekte zusammengetragen werden..

k.s. - red (Text und Bild) / 01. Dezember 2002
Die Ausstellung in Kirchentellinsfurt ist noch von bis zum 19. Januar 2003 zu sehen und schließt mit einer Finissage, auf der wie zur Eröffnung ein Hörspiel mit Texten von Holger Reile und der Musik von Alexander Köberlein inszeniert werden soll.

weitere Infos unter:
http://www.kultur-unterm-schirm.de



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© 2002 Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Küstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
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