Poem
Kinostart: 8.5.03
Regie: Ralf Schmerberg
DER TAGESSPIEGEL, 10.2.03 über die
Poem-Premierenparty:
"...Film, der versucht, zu Gedichten Bilder zu finden. Ein Dichterfürst
hielt dies für kaum gelungen. (...)"
Tom de Toys beim Filmdreh in der Potsdamer Sandgrube für die
finale "GESCHLECHTERKAMPF"-Szene mit dem ursprünglichen Gedicht
"ÜBERSTRÖMUNG" fotografiert von (c)
Smudo am 19.8.2001
"POEM" - PATHOS & PLAGIATUR VON DER RELIGION ZUR REGIE UND ZURÜCK
Film-Preview von Tom de Toys für www.spokenwordBerlin.net Ebenso erschienen in: Clubmagazin "Flächenbrand" Nr.2 (Mai/03) www.fire-club.com
Am 8.Februar 2003 feierten in der Berliner Volksbühne Meret Becker, Smudo
und Hermann van Veen in grosser geschlossener Gesellschaft ein
"Freundeprojekt" des Stuttgarter Fotografen und Werbefilmers Ralf Schmerberg:
die Welturaufführung einer theatralischen Collage aus 19 suggestiven
Gedichten mit über 55 metaphorischen Anspielungen auf ein anachronistisches
Weltbild rund um das psychistische Phantom Gott, bemüht vorgetragen von
betroffen wirkenden Schauspielern, die vermutlich noch nie einen originalen
Poetryclip der internationalen Spokenword-Szene gesehen haben (geschweige
denn die Fernsehserie "The United States of Poetry" von Bob Holman), um den
Vorwurf einer ungewollt peinlichen Imitation nachvollziehen zu können.
19 aneinander gestückelte Szenen mit 21 expliziten "Himmel"-Textstellen und
massig weiteren frömmelnden Bildern (wie z.B. "reiner Strahl", "Sinn
dahinter", "ewig Rätselvolles" und "schwarze Sonne") ringen vielmehr um
Schmerbergs "ganz privaten Traum" (ZDF aspekte, 28.9.01) anstatt um "die
letzte Ortschaft der Worte" (Rilke): die Dichtung. Und die bombastische
Sounduntermalung vertuscht insgesamt 40 Textfehler (z.B. "Hügel weit" statt
"Flügel weilt") derart, daß die PROSTITUTION DER POESIE im Applaus der
hypnotisierten "kooperativen" 53. Berlinale-Ehrengäste unterging.
Das Leinwandspektakel beginnt mit dem spätpubertären "Alles!" der
Ex-Socialbeat-Jungautorin Antonia Keinz, die "in die Wolken" will - und endet
im Nachspann bei Schillers Suche "über Sternen" nach dem Schöpfer von
diesem "Allesallesalles". Noch nicht einmal Jandls Glaubenssabotage kann da
(trotz wilden Szenen-Applauses für den modisch-komödiantischen Vortragsstil)
verhindern, daß in der dazwischen erzählten Geschichte über Vergänglichkeit
und Weltflucht genau genommen nichts passiert ausser kostspieligen
Schauplatz- und Kostümwechseln. Schmerbergs allzu menschliche Geschichte vom
Werden und Sterben bleibt dem ungebrochenen Idealismus klassisch wehmütiger
Hoffnung auf einen "lieben Vater" und "stets Bewegten" verpflichtet und legt
dafür Darstellern wie Klaus-Maria Brandauer melancholische Worte in den
Mund, die zu einer kitschigen Akkumulation metaphysischer Synonyme führen:
Von Freiheit, Liebe, Seele und Licht über Zauber, Wunder, Schönheit und
Gold bis hin zu Meer und Ewigkeit wird hier mithilfe von Hesse, Heine, Goethe
und Celan in Spielfilmlänge einer orthodoxen Naivitaet gefrönt, bei der
sich ein nicht vertretener Dichter wie Nietzsche im Grabe wälzen müßte!
Selbst Mascha Kaléko ist nicht wirklich "grundlos vergnügt", obwohl der
Titel den lebensphilosophischen Laien täuschen mag, und ein Vergleich
zwischen der verstümmelten Ode "An die Freude" (im arg verkürzten
Geschlechterkampf-Finale) und der dafür ausgemusterten "ÜBERSTRÖMUNG" von
Winfried Wandler (siehe:
www.wulle.de/GGN/WinfriedWandler/ueberstroemung.html )
zeigt deutlich, "wo der Unbekannte thronet" (Schiller), wenn es eine
Schmerberg-Sekte gäbe, nämlich "überm Sternenzelt" - anstatt durch
"übermenschlichen Schweiss quantenmechanisch-neuromagnetischer Liebe" zu
verrosten.
Dieses eigentlich ambitionierte Poetryfilm-Projekt hätte zum
repräsentativen Vorzeigestück der subversiven Underground-Szene avancieren
können, wenn die Mischung aus Konventionen und Visionen gestimmt hätte. So
aber ist es "nicht unbedingt geeignet, die Massen ins Kino zu locken" (SZ,
20.8.01). Oder nur diese...
Ab dem 8.Mai wissen wir laut Vertriebsfirma angeblich mehr.
tom de toys, / 24.4.2003
Weitere Infos zum Film:
www.zdf.de
www.social-beat.de
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