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Reihe Türkischer Film

Kurdische Filme - eine Auswahl


Aus: Ein Lied für Beko / Regie: Nizamettin Ariç, Deutschland / Armenien 1992


Da es seit 1921 keinen Staat Kurdistan mehr gibt, kann man nicht vom kurdischen Kino an sich sprechen. Und doch gibt es vereinzelt Produktionen, die sich mit der Kurdenproblematik auseinandersetzen. Mit "Hejar", einem türkischen Film über ein verwaistes kurdisches Mädchen, haben wir unsere Reihe eröffnet. Nachdem er auf verschiedenen Festivals schon prämiert wurde, kommt er jetzt in die deutschen Kinos. Der bundesweite Start ist am 17. April 2003. Hier hat sich eine türkische Regisseurin der Kurdenfrage angenommen und nicht nur einen politisch engagierten Film gedreht, sondern auch noch künstlerisch wertvolles Kino auf die Leinwand gezaubert.

Wie aber definiert man "kurdisches Kino"? In erster Linie wohl über die kurdische Sprache, die trotz Verbot überlebt hat. Kurdische Geschichten wurden über Jahrhunderte mündlich überliefert, und da sie in der Erinnerung der Geschichtenerzähler und ihrer Zuhörerschaft lebten, konnten sie von keinem Eroberer vernichtet werden.

Yilmaz Güney hat in seinen Filmen von kurdischen Dörfern erzählt und uns ihre Bewohner näher gebracht. Sie sprechen teilweise kurdisch, aber von kurdischem Kino zu sprechen, wäre verfrüht. Allenfalls sind Ansätze vorhanden.

Tausendundeine Nacht auf kurdisch

Spätestens im Jahr 1991 kann man aber einen Durchbruch verzeichnen. Gleich zwei traditionelle Märchenerzählungen wurden verfilmt: "Mem und Zin" sowie "Siyabend und Hece". Beide Filme basieren auf kurdischen Legenden, beide sind fast durchgehend in kurdischer Sprache, beide erzählen von der mystischen Vorgeschichte des Volkes, es werden traditionelle Kostüme getragen und traditionelle Feste gefeiert. Wenn es vielleicht auch nicht die wirklich ersten kurdischen Filme der Filmgeschichte sein mögen, so gehören sie doch zu den ersten, die ihren Weg in ausländische Kinos schafften und auf internationalen Filmfestivals zu hören waren. In der Türkei selbst sind sie weitgehend unbekannt geblieben.

"Mem und Zin" (Regie: Ümit Elci) ist eine Variante des Motivs von Romeo und Julia. Dem Jüngling Mem erscheint eines Tages ein schönes Mädchen im Traum. Das Mädchen Zin wiederum träumt von einem jungen Mann. Als sie sich in der Wirklichkeit begegnen, wissen sie, dass sie füreinander bestimmt sind. Doch wie in jedem Märchen gibt es auch hier einen Bösewicht, der sie auseinanderbringen will. Das schafft er auch. So bleibt ihnen nur, sich im Tode zu vereinigen.

In der Liebesgeschichte "Siyabend und Hece" (Regie: Sahin Gök) weigert sich Hece, die Frau eines fiesen Fürsten zu werden. Als der Fürst erfährt, dass Hece lieber den Abenteurer Siyabend heiraten will, rächt er sich fürchterlich und lässt ihre sieben Brüder umbringen. Auch Siyabend und Hece finden nur im Tod zusammen.

Zwei türkische Filmstars, Tarik Akan und Halil Ergün, haben Rollen darin übernommen. Ohne deren große Namen wäre wohl keine Finanzierung möglich gewesen. Die türkischen Schauspieler wurden kurdisch synchronisiert. Beide Schauspieler sind politisch engagiert und setzen sich unter anderem für die Aussöhnung der Völker ein. In beiden Märchenverfilmungen gibt es auch Bezüge zur Unterdrückung der Kurden in der Gegenwart.


"Ein Lied für Beko" (Armenien/Deutschland 1992)

Dieser Film wurde vom Sänger und Musiker Nizamettin Aric gedreht. Er hat nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch und die Musik dazu geschrieben. Aric ist Kurde und lebt seit 1980 in Berlin.

Beko (ebenfalls Nizamettin Aric) und sein Bruder Cemal leben in einem kurdischen Dorf im Jahr 1988. Da erhält Cemal den Einberufungsbefehl in die türkische Armee. Da er bei Militäreinsätzen nicht gezwungen werden will, auf seine kurdischen Landsleute zu schießen, will er zu den Peschmerga, den kurdischen Widerstandskämpfern, in die Berge fliehen. Als das Militär ihn bei einer Razzia nicht findet, nehmen sie seinen Bruder Beko in Haft. Beko gelingt die Flucht und er schafft es, sich auf abenteuerliche Weise in das kurdische Gebiet im Irak durchzuschlagen, wo er seinen Bruder vermutet. Das Gebiet im Irak, so hat er gehört, soll autonom sein, und so denkt er, dass das Leben für die Kurden dort leichter sei. Doch die Grenzbevölkerung hat ihre Dörfer verlassen, weil der Irak und der Iran sich gerade im Krieg befinden. Die Bomber fliegen geradewegs über ihre Köpfe hinweg.

Während er auf Nachricht über seinen Bruder wartet, unterrichtet er die Kinder einer Dorfgemeinschaft, die ihn freundlich aufgenommen hat. Er kann Flöte spielen und schnitzt auch welche für die Kinder. Und dann singt er ihnen die uralte Ballade von "Mem und Zin" vor. Selbst die Erwachsenen lauschen beglückt, als sie dieses kleine erhaltene Stück Kulturgut hören.

Eines Tages kommt ein Reiter und verkündet das Ende des Krieges. Die meisten jubeln darüber und kehren in ihr altes Dorf zurück. Auch Beko folgt ihnen. Er wird Zeuge eines Giftgasangriffes der Iraker auf das Dorf, bei dem nur das Waisenmädchen Zine überlebt. Die beiden finden in Deutschland Aufnahme, wo Zine im Krankenhaus medizinisch behandelt wird. Doch die schlimmen Nachrichten reißen nicht ab...


"Reise zur Sonne" - "Günese Yolculuk" (Türkei 1999)

Der viel beachtete Film der jungen Regisseurin Yesim Ustaoglu spielt in Istanbul. Zwei junge Männer, Mehmet und Berzan, freunden sich an und gehen durch dick und dünn. Bis zur ersten Hälfte kann man den Film noch durchaus als türkische Geschichte definieren. Dann kommt jedoch Berzan ums Leben, und Mehmet macht sich auf den weiten Weg an die irakische Grenze, wo sich das Dorf seines Freundes befindet. Dort will er ihn beerdigen. Auf der langen Reise lernt er allmählich, was es für Berzan bedeutet haben muss, Kurde zu sein. Je weiter er nach Osten in Richtung Sonne reist, wird er mit den politischen Realitäten des Landes konfrontiert. Als er in die Nähe des Dorfes kommt, existiert es nicht mehr. Westliche Geschäftemacher haben es geflutet und einen Stausee gebaut. Er kann seinen Freund nun doch nicht in der Heimaterde bestatten.


Zeit für trunkene Pferde (Iran/Frankreich 2000)

Der iranische Regisseur Bahman Ghobadi hat im Jahr 2000 mit diesem Film die Goldene Palme von Cannes gewonnen.
Der zwölfjährige Ayub und seine Geschwister stammen aus dem kurdischen Gebiet im Iran. Sie haben früh ihre Mutter verloren und nun stirbt auch noch der Vater. Ayub muss Geld für die Behandlung seines behinderten Bruders auftreiben und so schließt er sich einer Schmugglerbande im iranisch-irakischen Grenzgebiet an. Regisseur Ghobadi konzentriert sich sehr stark auf seine jungen Laiendarsteller, die auf der einen Seite die katastrophalen Lebensumstände in der Region porträtieren, und doch einen unverbrüchlichen Zusammenhalt und eine grenzenlose Fürsorge und Liebe füreinander aufbringen.

Dies ist eine Auswahl von Filmen mit kurdischer Thematik. Die meisten sind unter großen Schwierigkeiten und Opfern entstanden, und die Finanzierung war oft nur als Koproduktion mit anderen Ländern möglich. An ihnen wird die Bedeutung von internationalen Festivals deutlich, ohne die die meisten niemals ihr Publikum erreicht hätten.


Helga Fitzner / April 2003



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