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CD-Besprechungen:

WILCO

Yankee Hotel Foxtrott

Nonesuch


Diese Platte schleicht sich an.

Hatte einen bisher jede Wilco-Veröffentlichung frontal angesprungen und einem ihre Brillanz bereits beim ersten Hören mit voller Wucht vors Gesicht geschlagen, so kommt diese, nunmehr ihre vierte gemächlich daher und zeigt ihre wahre Größe erst mit der Zeit.

Die Band hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Hörte man auf den ersten beiden Alben "A.M." und "Being There" noch eine Melange aus Country und handfestem Rock (es fiel der Kampfbegriff "Americana"), so ist man, nach der Übergangsplatte "Summerteeth", nun beim lupenreinen Pop in der Tradition der Beatles, der Kinks und der Beach Boys angelangt.

Nach jeder Menge Ärger mit der alten Plattenfirma und Streitereien innerhalb der Band, was mit einem Wechsel des Labels und der Trennung von Jeff Tweedys kongenialem Sideman Jay Bennett endete, wundert es nicht, daß "Yankee Hotel Foxtrott" sehr nachdenklich, ja melancholisch, gelegentlich auch depressiv ausgefallen ist.

Los geht's mit "I'm Trying To Break Your Heart", fast zaghaft klopft die Snare-Drum, unentschlossen schwirrt eine Geräuschkollage umher, bis man sich doch entschließt, gemächlich den Song zu beginnen, der dann, karg instrumentiert, insgesamt fast sieben Minuten leicht kryptisch vom Verlust einer Beziehung handelt.

Etwas flotter, poppiger, jedoch nicht optimistischer, ist dann "Kamera", "I smashed a camera/ I wanna know why/ to my eye deciding/ which lies have I been hiding/ which echoes belong/ I'm counting on/ a heart I know by heart/ to walk me through this war/ memories distort/ phone my family tell them I'm lost on the sidewalk", liest sich deprimierend, klingt aber gut.

Auch weitere Textstellen lassen Rückschlüsse auf die derzeitige Befindlichkeit des Herrn Tweedy zu: "Cheer up, honey/I hope you can/ there is something wrong with me" aus "Radio Cure", vorgetragen mit Grabesstimme, "All my lies are always wishes/ I know I would die/ if I could come back new" aus "Ashes Of American Flags", das fast so angenehm deprimierend wie "The Long And Winding Road" von den Beatles wirkt, "I myself have found a real rival in myself/ I am hoping for the rearrival of my health" ("Pot Kettle Black"), und in seiner Deutlichkeit ergreifend "How can I convince you it's me I don't like" aus "Reservations".

Fast optimistisch kommt im Vergleich dazu "Jesus, etc. "daher, wenn auch nur durch das peppige Streicherarrangement.

Karnevalsverdächtig waren Wilcos Texte noch nie, aber bei diesen Lyrics mag man gar nicht glauben, daß Jeff Tweedy auf der Bühne einen sehr lockeren, fast fröhlichen Eindruck macht.

Ein richtiger Aufheller, quasi der Gin-Tonic dieses Werks ist "Heavy Metal Drummer", das mit schwungvollem Beat und mit einem (im Nachhinein) ironisch verklärten Grinsen die Geschichte von der Angebeten erzählt, die mit dem Schlagzeuger einer Heavy Metal-Combo abzieht. Ja, ja, schön war die Zeit.

Und direkt im Anschluß gibt's "I'm The Man Who Loves You", mit Boogie-Piano, verzerrter Gitarre und saftiger Brass-Section das Stück, das sich noch am ehesten der traditionellen Form des Rock bedient.

"Yankee Hotel Foxtrott" ist gewiß keine einfache Platte, schon gar keine frohsinnige, wer sie nur oberflächlich oder gar nebenbei hört, kann Ihren Reichtum nur im Ansatz ermessen. Wilco haben nach ihren bisherigen drei herausragenden Veröffentlichungen ihre Stärken gebündelt, dem Mediokren, allzu Populistischen abgeschworen und ihre eigene Nische in der Musikkultur gefunden.

Inzwischen gibt es dieses große Werk auch auf Vinyl.

j.s. - red / 07. November 2002
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