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Theaterkritik / Oper

Adriana Hölszky: Giuseppe e Sylvia (Staatsoper Stuttgart)

Oper in 13 Bildern
Text von Hans Neuenfels

Musikalische Brücke ins Reich der Toten

Nachdem die erfolgreiche Arbeit in der Spielzeit 1999/2000 und das künstlerische Gesamtniveau der Staatsoper Stuttgart von Fachleuten mit dem Titel "Opernhaus des Jahres" gewürdigt wurde, überzeugt Opernintendant Klaus Zehelein nun in der aktuellen Runde mit der Uraufführung von Adriana Hölszkys neuestem Bühnenwerk.

Hölszky erweist sich mit ihrer Oper "Giuseppe e Sylvia" erneut als Meisterin im Modellieren von Zeit und originelle Gestalterin des Raumklangs. Die musikalischen Elemente des Bühnenwerks sprengen den Rahmen traditioneller Klangerzeugung in der Oper. Zu den Stimmen der Solisten und der Chöre auf der Bühne sowie dem im Orchestergraben plazierten Klangkörper, der neben der herkömmlichen Spielweise auch Techniken der Neuen Musik verwendet, erweitert die Komponistin das Instrumentarium um einen zusätzlichen Chor seitlich der Bühne, der mit gesprochenen oder gesungenen Texten und sonstigen Lauten Kommentare zum Bühnengeschehen abliefert. Durch Verwendung von Samples mit Aufnahmen des Frauen-, Männer- und Kinderchores, Stimmen der Solisten, Orchestermusik und elektronisch erzeugten Geräuschen, die mittels im Publikumsbereich aufgestellten Lautsprechern zugespielt werden, erhalten die äußerst differenzierten Klangfelder eine zusätzliche Dimension. Dem Publikum wird nichts vor - gespielt, denn es befindet sich mitten drin, in den sich bewegenden Klangwelten.
Neben dem irrealen Plot, der die imaginäre Begegnung zweier berühmter Verstorbener, nämlich des Komponisten Giuseppe Verdi und der Dichterin Sylvia Plath, zum Inhalt hat, reizten die Komponistin wohl die verschiedenen Ebenen des von Hans Neuenfels verfassten Librettos.
Ausgangspunkt der Handlung ist die fixe Idee eines Regisseurs, mit seinem Team das Zusammentreffen von Repräsentanten ihres Jahrhunderts und zugleich Vertreter ihres Geschlechts filmisch festzuhalten.
Die Beschäftigung mit den Toten und die Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal und ihrem Werk macht die Verstorbenen lebendig,
Zunächst hat es den Anschein, dass das Filmmedium die Situation zu kontrollieren vermag, doch der Versuch, die Toten zu retten, erweckt diese zu einem neuen Eigenleben. Die Protagonisten lösen sich aus dem Spannungsfeld der Traumfabrik, und es beginnt ein bizarres und poetisches Traumspiel.
Neuenfels beleuchtet in seiner Erzählung das Verhältnis zwischen Lebenden und Toten und die Beziehung der Toten zueinander. Von besonderem Interesse sind dabei die Berührungspunkte zwischen den beiden so gegensätzlichen Künstlerpersönlichkeiten, und es gibt einige erstaunliche Affinitäten zu entdecken.
In ihrem Reich fühlen sich die Toten aufgehoben. Sie brauchen keine Erinnerung an die Lebenden. So lässt der Autor Sylvia zuletzt aus der Warte abgeklärter Weisheit sagen: "...lassen wir die Lebenden ruhen."

Angeregt durch den Stoff lehnt sich Adriana Hölszky bei der Entwicklung des Klangbildes an Techniken des Filmes an: Sie arbeitet mit Collage, Übermalung und überraschenden Verfremdungen. Die vielschichtigen Ebenen werden mit Schnitten, Überblendungen und bewusster Einbeziehung der Raumwirkung akzentuiert.
Offensichtlich ist Hölszkys Opernmusik das ideale Medium, um eine unwirkliche Geschichte in ihren Tiefen mit musikalischen "Erinnerungsfeldern" und geheimnisvollen Klangfarben überzeugend zu illuminieren.
Trotz es italienischen Titels, der auf den Schauplatz des Geschehens verweist, wird die Oper in deutscher Sprache gesungen.
Auf die bei fremdsprachigen Opern üblichen Übertitel sollte man jedoch nicht verzichten.
Denn Johannes Kalitzke, der das Klangerlebnis am Dirigentenpult mit großer Sensibilität zu koordinieren weiß, verzichtet nicht darauf, mächtige Klangblöcke der Bläser und Schlagzeuger in der angemessenen Dynamik zur Wirkung kommen zu lassen. Darunter leidet in einigen Passagen die Textverständlichkeit.

v. - red / 21.11.2000



Musikalische Leitung. Johannes Kalitzke
Inszenierung: Hans Neuenfels
Bühne und Kostüme: Reinhard von der Thannen
Chor: Michael Alber
Dramaturgie: Juliane Votteler / Hans Thomalla
Sampler u. elektronische Einrichtung: Bryan Wolf
Licht: Dieter Billino
Musikalische Assistenz: Richard Wien
Mitarbeit Regie: Leo Krischke / David Hermann
Mitarbeit Libretto: Yvonne Gebauer
Klangregie: Dieter Fenchel
Tonaufnahmen u. technische Realisation der Bänder: Otto Kränzler
mit: Evelyn Herlitzius, Michael Ebbecke, Rolf Romei, Irmgard Stadler, Wolfgang Probst, Matthias Klink, Monique Krüs, Cécile Eloir, Valerian Geiger, Jeremy Maslo
5 Sprecher: Marc Aisenbrey, Jörg Böttcher, Christian Büsen, Stefan Charisius, Reto Rosni
Bewegungschor: Christian Breuning, Jörg Daiber, Christoph Dreyfuss, Daniel Eberle, Manuel Garcia, Simon Koppenhöfer, Walther Lorenz, Jordan Radoulov, Jürgen Schmid
Staatsorchester Stuttgart; Damen und Herren des Staatsopernchores; Kinderchor der Staatsoper Stuttgart;

Uraufführung: 17.11.2000, Spieldauer ca. 80 Minuten




siehe auch / Theater
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