Mario Schröder: JIM MORRISON. König der Eidechsen (Mainfranken Theater Würzburg)
Vor 30 Jahren starb Sänger und Poet Jim Morrison. Der Kult um ihn und das Interesse an seiner Band "The Doors" reissen nicht ab. Immer noch pilgern jährlich Menschen anlässlich seines Todestages an das Grab in Paris. Weiterhin verkaufen sich Bücher mit seinen Texten oder über sein Leben. Immer wieder erscheinen "Best-of" - Zusammenstellungen der Musik auf CD, inzwischen gibt es sogar eine Remix-Platte mit Doors-Klassikern im Stil von Trance, Techno und TripHop.
Im November 2000 konnte man im Rahmen des Braunschweiger Filmfests vier Filme, ein Theaterstück und ein Konzert unter dem Motto "The Doors & Jim Morrison. Musik und Kunst" miterleben.
Die Ex-Bandmitglieder wollen noch dieses Jahr ein neues Album veröffentlichen.
Der Amerikaner Jim Morrison reiht sich neben Jimi Hendrix und Janis Joplin ein in die Garde der "großen" Toten.
Bis heute ranken sich Gerüchte um seinen Tod, denn nur seine Freundin und ein Arzt Morrisons sahen den Toten. Es gibt Gerüchte, die behaupten, Ursache sei eine Überdosis Heroin oder Kokain, Selbstmord, politisch motivierter Mord oder Voodoo-Zauber gewesen. Auch gibt es Spekulationen darüber, ob Jim Morrison tatsächlich starb oder er seinen Tod nur inszenierte, um dem Los eines Rock-Hero zu entkommen?
In der Tat ist bemerkenswert, dass die Beisetzung in Paris auffallend rasch und unter absoluter Geheimhaltung erfolgte. Obwohl die gesamte Familie Morrisons in den Staaten lebte, gab die Freundin auf der Pariser Botschaft an, es gäbe keine Verwandten.
Zwar konnte die Freundin die Sterbeurkunde mit der unleserlichen Unterschrift eines Arztes zeigen. Der obduzierende Arzt aber blieb unbekannt. Erstaunlich auch, dass es trotz der offenkundigen Drogenabhängigkeit des Toten keinen Polizeibericht und keine Autopsie gab.
Bandmitglied John Densmore gab dem Verdacht durch eine lakonische Bemerkung weitere Nahrung: "Das Grab ist zu kurz." Auch Morrisons Musikerkollege Ray Manzarek scheint nicht an ein tatsächliches Ableben zu glauben: "Wenn es jemanden gibt, der in der Lage wäre, seinen eigenen Tod zu inszenieren, inklusive getürkter Sterbeurkunde und einem 150 Pfund Sandsack im Sarg, um dann zu verschwinden, dann ist es Jim Morrison."
|
Jim im Mainfranken Theater Würzburg
Schon bevor sich der Vorhang öffnet, wird das Publikum mit dem charismatischen Star konfrontiert. Der 1971 im Alter von 27 Jahren verstorbene Jim Morrison wirkt, zwei Meter über den Bühnenbrettern hängend, wie eine Popart-Variante des am Kreuze leidenden Jesus. Ja, Jim Morrison ist gestorben, doch der Mythos lebt.
Für den ersten Blick auf die Bühne hält die Inszenierung eine Überraschung bereit. Jim begegnet seinem Alter Ego, noch bevor der Tanz beginnt: In einem mit Wasser gefüllten Glasquader ist die Leiche des Protagonisten untergetaucht. Dieses Bild markiert sowohl das Ableben Morrisons, der in einer Badewanne tot aufgefunden wurde, als auch die eigentliche Geburt der Künstlerpersönlichkeit Morrison.
Jim erkennt sich, zieht sich selbst heraus und hat fortan einen stets präsenten Begleiter.
Mario Schröder gelingt mit dieser starken Schlüsselszene der bestmögliche Einstieg in das schwierige Unterfangen einer Hommage an Jim Morrison. Die Begegnung mit dem anderen Ich ist die Schnittstelle von Leben und Tod, aber auch der magische Moment einer Seelenwanderung. Damit verweist der Regisseur gleich zu Beginn auf ein Kindheitserlebnis, das Jims Lebenseinstellung wesentlich beeinflußt hat.
Das Bild eines sterbenden Indianers nach einem Autounfall verfolgte Morrison zeitlebens. Er glaubte daran, dass die Seele des Alten bei ihm eingezogen und somit die Geburt des Schamanen vollzogen sei.
Das Versprechen, mehr als die choreographische Illustration eines Phänomens der Popkultur zu bieten, vermag Regisseur und Choreograph Schröder, trotz einiger guter Einfälle und hoch motivierter Akteure, nicht vollständig einzulösen.
Die sorgfältig zusammengestellte Auswahl der über Tonträger eingespielten Doors-Songs und die übrigen gesprochenen Morrison-Texte sowie ein Nietzsche-Zitat erfüllen in gelungener Weise mehrere Funktionen. Während romantisch-aggressive Rocksounds und zornig-wilde Lyrik repräsentativ die Gedankenwelt des Rockpoeten spiegeln, bilden die Musikstücke auch das Geländer für den plausiblen Erzählbogen, der sich an markanten Stationen auf dem kurzen, intensiven Lebensweg der Poplegende orientiert.
Dabei werden Morrisons wichtige Begegnungen mit seinen Musikerkollegen und seiner Freundin ebenso berücksichtigt wie der Aufstieg zum gefeierten Musiker und die Erfahrungen bzw. der Abstieg mit Drogen.
Mit Hilfe des resignierenden "Riders on the Storm", das mehrfach in verschiedenen Lebensphasen wie ein Leitmotiv erklingt, steuert der Tanzabend mit schönen Bildern und Bewegungen unweigerlich auf das vieldeutige, hypnotische und quälende "The End" zu.
Schröder genügt den Pflichten eines Chronisten und zeigt die Tragik eines Menschen, der an seinen Ansprüchen zerbricht.
Irritierend ist hierbei, dass die Songs der Doors durch die Darstellung auf der Bühne insgesamt entschärft werden und somit völlig offen bleibt, weshalb eigentlich Morrison zur Kultfigur wurde und was die Faszination ausmacht.
Es sei an den Bandnamen "Doors" erinnert, den sich die Musiker in Anlehnung eines Zitats William Blakes gaben: "Es gibt Dinge, die sind bekannt. Und es gibt Dinge, die sind unbekannt. Dazwischen sind Türen."
In Schröders Tanzstück ist die bekannte Geschichte zu sehen, den Blick ins Ungewisse jedoch verwehrt die Inszenierung fast gänzlich.
Viel zu blass wirkt die Aggressivität der jungen Musiker, die von Umsturz und Chaos singen. Angesichts der harmlosen Körpersprache ahnt man im Mainfranken Theater nichts von dem, was Jims aufreizend erotische Bühnenshow und explosive Bühnenpräsenz ausmachte und ihn sogar ins Gefängnis brachte.
Plakativ dargestellte Konfrontationen mit der Obrigkeit und die Szenerie mit uniform gekleideten Hippies sind nicht glaubwürdig. Was Morrisons Haltung und Verhalten so sehr von den Zeitgenossen unterscheidet und ihn interessant macht, kann die Tanzkunst nur bedingt und dann nur für "Eingeweihte" vermitteln.
Die Qualität seiner Poesie, die erst nach Morrisons Tod wirklich gewürdigt wurde, ist aber zumindest während des Tanzstücks zwangsläufig hörbar.
Schröders Verdienst ist es, neben den Fakten auch den Schamanen auf die Bühne geholt zu haben.
Da er jedoch den geheimnisvollen und mythenträchtigen Aspekten nicht mehr Aufmerksamkeit schenkt, wurde die Chance zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem Phänomen Morrison nicht genutzt.
Das Premierenpublikum würdigte die Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer mit starkem Beifall und bejubelte frenetisch die Hauptdarsteller Stojan Kissiov, Oliver Preiss und Nene Kitagawa
v. - red / 29.01.2001
Uraufführung am 26.1.2001 im Mainfranken Theater, Würzburg
Ballett von Mario Schröder
Musik: The Doors (vom Band)
Inszenierung und Choreographie: Mario Schröder
Bühnenbild, Kostüme und Video: Paul Zoller
Dramaturgie: Jón Philipp v. Linden
mit:
Stojan Kissiov, Oliver Preiss, Nene Kitagawa, Marius Krisan, Takuya Sawa,
Sebastian Wagner, Henry Will, Marion Preiss, Saskia Bartels, Tina Gaitzsch, Tina Slabon, Mike Salomon,
|
|
|
|