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Theaterkritik

MYTHOS
Martin Kuchejda
c.t. 201
Studiobühne, Köln

Wie wichtig der Mythos für das menschliche Leben ist, hat uns vor kurzer Zeit die Zerstörung eines solchen aufgezeigt. Nicht die Zahl der Toten allein sondern die Vernichtung des Symbols berührt uns und versetzt uns in Angst und Schrecken. Wie einst beim Untergang der Titanic bleibt eine kulturschaffende Geschichte zurück, die die Geschichte der Kultur neu erschaffen wird. Martin Kuchejda hat vor einigen Jahren ein Stück über den Untergang der Titanic geschrieben und c.t. 201, die freie Gruppe aus Köln hat es unter der Regie von Dietmar Kobboldt uraufgeführt. Das Ergebnis war ein großer Theaterabend, die wahrscheinlich intensivste Produktion des in Köln hochgeschätzten Ensembles.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen bei dieser neuerlichen Zusammenarbeit von Autor und Regisseur. Nicht nur um einen Mythos ging es diesmal sondern gleich um den Mythos an sich. Wo Kuchejda im Falle "Titanic-Sternennacht" geschickt mit kleinen Szenen um das große Unglück herum schrieb und Kobboldt und Ensemble mit schnellen Figurenwechseln und dichtem Spiel berührende Momente erschufen, die atmosphärisch von Barbara Gescher am Klavier und Synthesizer gestützt wurden, geht hier die parallele Versuchsanordnung daneben:

Um seinem Hausteufel Mephisto zu beweisen, wie wichtig der Mythos für die Menschheit ist, schickt er diesen in die Welt. Zusammen mit David Bowman, dem Helden aus Kubricks "2001-Odysse im Weltraum" wandert er alsdann durch Zeit und Raum und nimmt Besitz von so illustren und mythisch aufgeladenen Figuren wie JFK, Marilyn Monroe, Lady Di, Batman, um nur einige zu nennen. Dabei entstehen einige wundervolle Szenen, etwa wenn Che Guevaras Ritt auf einem Maulesel aus der Dunkelheit erzählt wird oder wenn aus der Gralsgeschichte eine Zote wird. Oder wenn am Anfang Gott und Teufel Schiffe versenken spielen und dabei die Buchstaben mit Begriffen aufladen, die mythische Tiefe verheißen.

Darin aber liegt die Krux des Abends: Im Tempo einer Schnellfeuerwaffe kommen den Zuschauern diese Begriffe entgegen, untermalt von einem Medley aus Wagner, Verdi, Schlager, Walzer, etc., jede Melodie ein Evergreen für sich. Figuren tauchen auf und verschwinden, nie kann man sich sicher sein, ob gerade Bowman, Mephisto, Gott oder wer sonst wohl spricht. Da außerdem die drei beweglichen Bühnenteile ständig verschoben werden, wird es schwer, konzentriert beim Geschehen zu bleiben. Dem bald willkürlich wirkenden Aufzählen von Daten, Namen und Ereignissen fehlt ein immanenter Faden, eine Geschichte, eine Entwicklung oder irgendetwas, das über die einzelnen Szenen hinaus geht. Die Aufzählung von Mythen macht eben nicht den Mythos aus, der dann doch gerade aus dem besteht, was mehr ist als die Summe seiner Teile. Davon erzählt uns der Text nichts und auch die Inszenierung bleibt es uns schuldig. Und warum Mephisto am Ende mit Bowman das Theater verlässt, weiß allein die Regie.

Sven Lange / 13. Oktober 2001
mit: Christina Vayhinger, Marco F. Sepe, Sunga Weineck; Musik: Barbara Gescher; Regie: Dietmar Kobboldt; Bühne: Andreas Mangano, Licht: Boris G. Knoblach; Kostüme: Thorsten Vaupel

Aufführungsdauer: 90 Minuten, ohne Pause

Studiobühne Köln, Universitätsstraße 16 a, 50937 Köln, Tel.: 0221-4704513
www.studiobuene-koeln.de

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