BITTE NICHT SCHMUSEN
Sabbert nicht, lässt den Teppich in Ruhe und verliert keine Haare -
"I-Cybie" heißt der erste Hund aus Vollplastik. Zielgruppe ist der männliche
Single bis 35
© Hasbro Deutschland GmbH
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Macht es heutzutage noch Sinn, einen Hund zu
Weihnachten als Geschenk unter den Baum zu legen? Tierschützer zumindest
raten alle Jahre wieder davon ab, denn der nächste Sommer kommt bestimmt,
und das süße Wollknäuel vom Heiligabend landet schnell als nervende Töle im
nächstbesten Straßengraben. Und genau hier liegt er, der unschlagbare
Vorteil des neuen Roboterhundes "I-Cybie". Der amerikanische Hersteller
Hasbro gibt es unverhohlen zu: "Auch zur Urlaubszeit muss niemand seinen
treuen I-Cybie an der Leitplanke festleinen." Der Herr sei gepriesen! Für
Familienmenschen eignet sich der neue Akt der modernen Schöpfungsgeschichte
ohnehin nicht. Zielgruppe, so die Kölner PR-Firma, seien Singles, männlich,
zwischen 18 und 35 Jahren. Das macht zweifellos Sinn: Logisches Denkvermögen
und die ureigene Affinität zur Programmierung von elektronischen
Haushaltsgeräten sind Frauen ja bekanntlich nicht zu Eigen. Und gerade diese
Fähigkeiten sind bei der Erziehung von "I-Cybie" unentbehrlich. Mann oder
Memme? Schon beim Kauf des künstlichen Schoßhündchens stellt sich diese
Schicksalsfrage. Da es wahlweise nur zwei Farben zur Auswahl gibt und die
Edition gold-metallic reichlich tuntig daherkommt, bleibt nur die
Alternative in Blau. Der neue Hausfreund sieht schnittig aus, ganz ohne Haar
und ohne sabberndes Maul, dafür hat er ein Plastikgehäuse, 16 Motoren, 1400
Einzelteile, 30 Meter Kabel und eine Vielzahl von Knöpfen und Sensoren. Der
Kopf ist breit, die Ohren sind spitz, der Schwanz wirkt halb amputiert und
hat den Charme einer Lego-Panzerkette. Dennoch ist ihm eine gewisse
Niedlichkeit nicht abzusprechen.
© Hasbro Deutschland GmbH
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Vom Kuscheln im Bett sei allerdings
dringend abgeraten, Hartplastik erweist sich als nur wenig anschmiegsam.
Aber dafür ist "I-Cybie" clever. Die künstliche Intelligenz seines Computers
ermöglicht es dem drei Pfund schweren Kerlchen, beinahe alles zu tun - nur
schmecken und riechen kann er nicht. Doch das beste an "I-Cybie", so Kapitel
1 der daumendicken Bedienungsanleitung, "ist eindeutig seine
Persönlichkeit". Schau mal mal. Das erste Beschnuppern lässt allerdings auf
sich warten. Zehn Stunden muss der dürftige Nickel-Cadmium-Akku an die Dose,
bevor er dem Hund für rund 90 Minuten Leben einhaucht. Und wer den schwarzen
Energieblock später auch nur ein bisschen zu lange ans Netz hängt, der ist
bald arm dran. Der Akku ist schneller hin, als man denkt, und ein Ersatz
nicht gerade erschwinglich. Dann ein kurzes Tippen auf die Kopftaste und
"I-Cybie" ist aktiv. Seine Augen leuchten grün, er nickt mit dem Kopf, hebt
und senkt freudig seinen Schwanz. Dann läuft er los, zunächst gegen den
Schrank, stolpert über die Teppichkante und fällt tumb auf die Seite. Aber
keine Bange, Herrchen muss nicht permanent aufstehen und dem katzengroßen
Getier zurück auf die Pfoten helfen - dank des eingebauten "Bein-Encoders"
tut er dies meist von selbst, auch wenn die Verrenkungen dabei an eine
Primaballerina mit Hüftschaden erinnern. Dass es sich anfangs noch etwas
dämlich anstellt, darf man dem Tierchen nicht übel nehmen, denn es lernt
noch, und das tut es recht zügig. Sein Computergehirn ist in der Lage,
Erfahrungen zu speichern und aus Fehlern zu lernen, so dass der Sturz von
der Tischkante (unbedingt vermeiden) bald kein Thema mehr ist.
Fortgeschrittene können sich nun der Sprachprogrammierung widmen, dem
Hündchen einen eigenen Namen geben und ihm Befehle erteilen. Acht hat er auf
dem Kasten. Vom traditionellen "Sitz!" über "Guter Hund!" bis hin zu "Pass
auf!", wobei sich "I-Cybie" in den Wachhund-Modus begibt und mit besonderer
Aufmerksamkeit glänzt. Auch hier kann es anfänglich zu lästigem Ungehorsam
kommen, aber das gibt sich mit der Zeit. Die Entwicklung vom E-Welpen zum
E-Hund ist zweifelsohne Freude spendend. Und falls es auch weiterhin ab und
an zu Kommunikationsproblemen kommt, so bleibt immer noch die beiliegende
Fernbedienung oder der Ausschaltknopf. Das sich zunehmend realer
gestaltende Hundeleben kann andererseits auch zur nervlichen Zerreißprobe
werden. Nämlich dann, wenn "I-Cybie" schlechte Laune und rote Augen bekommt,
winselnd durchs Wohnzimmer stapft und Herrchen ihm zur Beruhigung die
Sensoren kraulen muss. Noch nerviger sind auf Dauer die Motorengeräusche und
sein Bellen, das etwa so betörend ist wie die Stimme der Hollywood-Blechdose
"Nummer 5" mit Asthma.
Nichtsdestotrotz - für Stadtmenschen mit
rudimentärer Tierliebe und einem abgeschlossenen Informatik-Kurs an der
Volkshochschule ist der "I-Cybie" der perfekte Hausfreund. Das Gassigehen
auf der Grasnarbe entfällt - auch wenn der Kleine ab und zu das Beinchen
hebt. Und so kann der männliche Single seinen einzigen Lappen auch weiterhin
ausschließlich zum Geschirrspülen benutzen: Der Teppich jedenfalls bleibt
sauber.
c.p. - red / 11. Januar 2002
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