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Film-Feuilleton

Meisterhafte Regisseurin
Leni Riefenstahl wird 100 Jahre alt / Mit 72 noch Tauchen gelernt

Von Ernst Probst
Leni Riefenstahl 1940-45

Eine Legende feiert Geburtstag: Leni Riefenstahl, Deutschlands bedeutendste Regisseurin und Fotografin, wird jetzt 100 Jahre alt. Ihr zweiteiliger Film über die Olympischen Spiele 1936 gilt als Meisterwerk der Filmgeschichte und der Montagetechnik und zählt in Hollywood als einer der zehn besten Streifen, die jemals gedreht wurden. Später machte sie sich mit Fotos, die in Bildbänden und Ausstellungen gezeigt wurden, international einen Namen.
Leni Riefenstahl kam am 22. August 1902 in Berlin zur Welt. Ihr Vater war Kaufmann und besaß eine Firma für Heizungs- und Lüftungsanlagen. In Berlin besuchte Leni später das "Kollmorgen'sche Lyzeum" und die Kunstakademie, an der sie Mal- und Zeichenkurse belegte. Außerdem nahm sie Ballettunterricht und lernte in der Tanzschule von Mary Wigmann (1886-1973) und Jutta Klamt (1890-1970) Ausdruckstanz.
Der Vater von Leni Riefenstahl hielt Tanz und Schauspielerei für halbseiden und erklärte, er werde ausspucken, wenn er jemals den Namen seiner Tochter an einer Litfasssäule lesen sollte. Ungeachtet dessen trat sie von 1923 bis 1927 als Ausdruckstänzerin bei mehr als 70 Tanzabenden im In- und Ausland auf.
Das Interesse von Leni Riefenstahl für den Film erwachte, als sie den ersten Streifen "Der Berg des Schicksals" des Regisseurs Arnold Fanck (1889-1974) sah. Ihm ist sie 1925 begegnet, er brachte ihr Filmtechnik bei und verpflichtete sie für seinen nächsten Streifen, worauf sie Skilaufen und Bergsteigen lernte.
Schnell machte Leni Riefenstahl als Hauptdarstellerin in den Fanck-Filmen "Der Heilige Berg" (1926), "Der große Sprung" (1927), "Weiße Hölle Piz Palü" (1929), "Stürme über dem Mont Blanc" (1930) und in dem Skisportfilm "Der weiße Rausch" (1931) Karriere. In letzterem Streifen waren Hannes Schneider und Rudi Matt, die Leiter der berühmten "Arlberger Skischule" in St. Anton, ihre Partner.
1931 folgte die Gründung der "Leni Riefenstahl Studio Film". Als Produzentin, Regisseurin und Hauptdarstellerin zugleich betätigte sich Leni Riefenstahl in dem Film "Das blaue Licht" (1932), der Adolf Hitler (1889-1945) besonders beeindruckt haben soll. 1932 übernahm sie die weibliche Hauptrolle in dem Grönlandfilm "SOS Eisberg", einer deutsch-amerikanischen Co-Produktion der "Universal-Film AG" in Hollywood, bei welcher der dänische Polarforscher Knud Rasmussen (1879-1933) als Berater fungierte.
1934 drehte Leni Riefenstahl den Auftragsfilm "Triumph des Willens" über den Nürnberger Reichsparteitag der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP). Von 1936 bis 1938 stellte sie auf Wunsch des "Internationalen Olympischen Komitees" (IOC) einen zweiteiligen Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin mit den Titeln "Olympia - Fest der Völker" und "Olympia - Fest der Schönheit" her.
1944 heiratete Leni Riefenstahl den Major Peter Jacob, von dem sie 1946 geschieden wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg warf man ihr vor, "mit politischer Naivität" dem "Dritten Reich" ihre Kunst geliehen zu haben, um ihre künstlerisch-ästhetischen Idealisierungen verwirklichen zu können.
Leni Riefenstahl selbst stritt den Propagandacharakter ihrer Dokumentarfilme immer ab und berief sich auf die vielen Preise, die ihre Filme international erhalten haben. Ihr Werk "Triumph des Willens" wurde 1935 in Venedig und 1937 mit der Goldmedaille in Frankreich ausgezeichnet. Die Streifen "Olympia - Fest der Völker" und "Olympia - Fest der Schönheit" sind 1939 nachträglich mit der olympischen Goldmedaille des "Internationalen Olympischen Komitees" (IOK) ausgezeichnet worden.
Jahrzehntelang musste sich Leni Riefenstahl gegen viele Verleumdungen wehren, mehr als 50 Prozesse führen, die sie alle gewann, und drei Entnazifizierungsverfahren durchstehen. Unbestritten ist, dass sie kein Mitglied der NSDAP war und nach dem Kurzfilm "Tag der Freiheit" (1935) keinen einzigen Film mehr für Hitler oder die NSDAP machte. Während des Zweiten Weltkrieges lehnte sie alle kriegswichtigen Filme ab und arbeitete an dem Film "Tiefland", einem spanischen Volksstück, in dem sie die Rolle einer Zigeuner-Tänzerin spielte. 1948 wurde sie von mehreren Spruchkammern als Mitläuferin eingestuft.
1954 wurde Leni Riefenstahls von 1940 bis 1945 gedrehter Film "Tiefland" gezeigt. Danach machte sie Fotoreportagen über den afrikanischen Stamm der Nuba im Sudan, dessen Sprache sie lernte. Mit diesen Menschen fühlte sie sich so verbunden, dass sie alle zwei Jahre mehrere Monate bei ihnen lebte. Diese Aufnahmen erschienen in den Magazinen "Life", "stern" und "L'Europeo" sowie 1973 und 1976 in prächtigen Bildbänden.
1974 lernte Leni Riefenstahl als 72-Jährige tauchen, unternahm danach Exkursionen in tropische Meere und veröffentlichte Bildbände wie "Korallengärten" und "Wunder unter Wasser". Bei den "Olympischen Spielen 1972" in München war sie für das britische "Sunday Times Magazine" als Fotografin akkreditiert, und zu den "Olympischen Spielen 1976" in Montreal (Kanada) kam sie als Ehrengast des IOK. 1987 erschienen unter dem Titel "Leni Riefenstahl - Memoiren" ihre Lebenserinnerungen, die bisher in neun Sprachen übersetzt wurden.
Leni Riefenstahls Fotos wurden in großen Ausstellungen in Tokio (1980), Kuopio/Finnland (1996) sowie Mailand und Rom (1996) gezeigt. Der anlässlich ihres 90. Geburtstages von Ray Müller gedrehte Film "Die Macht der Bilder", den der Fernsehsender Arte im Oktober 1993 sendete, ist am 22. November 1993 in New York mit dem "Emmy"-Award, dem begehrten "Fernseh-Oscar", ausgezeichnet worden.
Im Februar 2000 wurde die damals 97-jährige Leni Riefenstahl bei einem Hubschrauberabsturz im Sudan verletzt. Die Maschine fiel bei Dreharbeiten zu einem Filmporträt über die Fotografin aus geringer Höhe zu Boden und überschlug sich mehrmals.
In einem Interview anlässlich ihres 99. Geburtstages klagte Leni Riefenstahl über zunehmende Gesundheitsprobleme: Sie leidet unter "unerträglichen Rückenschmerzen", wegen denen sie alle acht Stunden eine Morphiumfinfusion erhält, weil herkömmliche Medikamente nicht mehr helfen. Für einen Menschen, der einmal zu 100 Prozent aktiv war, sei es schwer zu erleben, wie die Kräfte nachließen, klagte die Regisseurin.

Ernst Probst / August 2002
E-Mail: verlagernstprobst@web.de


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