„Luther“ Regie: Eric Till
Kinostart: 30. Oktober 2003
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Martin Luther als Mann aus Fleisch und Blut. Leidenschaftlich, kämpferisch, zweifelnd, verwundbar und – gutaussehend: So zeigt Luther sich zumindest in Eric Tills Film mit dem britischen Schauspieler Joseph Fiennes in der Titelrolle.
Die mittelalterlichen Bauten wurden von Rolf Zehetbauer („Das Boot“ ,„Die unendliche Geschichte“) entworfen. Für „Luther“ lässt er zum Beispiel den mittelalterlichen Marktplatz von Wittenberg wieder auferstehen, wobei er teilweise Digitaltechnik einsetzt. Wie auch die Kostüm- und Maskenbildner ist er dabei auf größtmögliche Authentizität bedacht.
Anno domini 1505. Luthers Vater ist ungehalten. Der Familie des Bergmanns ist es nicht leicht gefallen, dem jungen Martin das Studium der Rechte zu ermöglichen. Nachdem Martin aber bei einem schweren Gewitter beinahe vom Blitz getroffen wird, beschließt er aus Dank für seine Rettung Mönch zu werden. Doch Luther leidet unter erheblichen inneren Kämpfen. Er will Gott lieben und von Gott geliebt werden. Das ist bei dem strafenden und rächenden Gott der mittelalterlichen Kirche für ihn aber unmöglich. Schutz und Verständnis findet er bei seinem Mentor, Johann von Staupitz (Bruno Ganz), der ihm zum Studium der Theologie rät und ihm auch noch eine Reise nach Rom ermöglicht. Anstatt durch diese Reise kuriert zu werden, graben sich seine Zweifel noch tiefer. Er beobachtet in Rom den Ablasshandel, der ihm missfällt. Durch den Erwerb von Ablassbriefen können Christen die Erlösung von ihren Sünden erlangen. Bald darauf übernimmt er den Lehrstuhl für Theologie an der Universität zu Wittenberg und wird Professor für Bibelerklärung.
Regisseur Eric Till („Bonhoeffer – Die letzte Stufe“) zeigt Luther bei der Arbeit in seiner Gemeinde. Es ärgert Luther, dass die Ärmsten der Armen von der Kirche geschröpft werden. Der Mutter eines behinderten Mädchens rät er sogar, dem Kind statt des Ablassgeldes lieber etwas zu essen zu kaufen. Diese Sequenzen sind frei erfunden, illustrieren aber Luthers wachsenden Widerstand gegen die Kirchenverordnungen.
Anno domini 1513. Luther macht eine außergewöhnliche spirituelle Erfahrung. Im Turm des Schwarzen Klosters zu Wittenberg gewinnt er eine Erkenntnis, die als „Turmerlebnis“ in die Geschichte eingeht. Der bibelfeste Mönch findet im Evangelium seine Meinung bestätigt: Gottes Gerechtigkeit ist keine übermenschliche Forderung, sondern gnädiges Geschenk des Barmherzigen an den Menschen. Verkürzt ausgedrückt: Gottes Gnade kann nur durch den Glauben an ihn erworben und keinesfalls erkauft werden. Das sieht der eifrige Ablassprediger Johann Tetzel anders. Alfred Molina („Chocolat“) predigt glühende Kohlen vom Himmel und kassiert als Tetzel eifrig Geld für den Sündenablass. Molina spielt Tetzel aber nicht in erster Linie als Erzwidersacher Luthers. Er stellt ihn als Mann tiefen Glaubens dar, der nicht für sich selbst Geld eintreibt, sondern für den Bau des Petersdoms in Rom. Molinas Tetzel ist ein Mann außerordentlicher Hingabe, aber von eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit, worin Molina fundamentalistische Tendenzen erkennt.
Anno domini 1517. Es reicht! Wir schreiben den 31. Oktober. Martin Luther verfasst ein Schreiben an die Bischöfe von Magdeburg und Mainz, in dem er einen Disput anregt. Dem Schreiben hat er 95 Thesen gegen den Ablasshandel beigefügt. Am gleichen Tag kommt es zur schicksalhaften Tat, mit der er den Beginn eines Flächenbrandes auslösen wird. Er schlägt die 95 Thesen auch an der Wittenberger Schlosskirche an. Damit sind sie der Öffentlichkeit zugänglich.
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Spätestens ab jetzt ist Luthers Leben der Stoff für ein Abenteuerdrehbuch. Er wird nach Rom beordert, um sich für seine als ketzerisch bezeichneten Schriften zu verantworten. Als er diese Reise verweigert, wird er exkommuniziert, muss sich aber vor Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms verantworten. Joseph Fiennes gelingt in diesen Szenen ein Spagat. Mit minimalistischen Mitteln kehrt er Luthers inneres Beben überzeugend nach außen. Er will nicht mit der Kirche brechen, sondern vielmehr überzeugen. Luther erklärt sich zum Widerruf bereit, sofern man ihn anhand der Bibel widerlegen kann. Luther wird zum Ketzer erklärt und die Reichsacht über ihn verhängt.
Anno domini 1521. Sämtlicher Rechte beraubt, wird Luther auf seinem Rückweg von Worms von einer Reiterschar angehalten und entführt. Es sind die Mannen des Kürfürsten von Sachsen. Friedrich der Weise (Sir Peter Ustinov) ist gläubiger Christ und Reliquiensammler, und doch bewahrt er den ehemaligen Mönch vor der Inquisition und versteckt ihn auf der Wartburg. Auch Sir Peter Ustinov ist fasziniert von Luthers Glauben. Es ist nicht so sehr der Glaube an die Religion, sondern auch der Glaube an sich selbst, die Überzeugung und das Wissen, dass er im Recht ist. Friedrich der Weise wird von Sir Peter unnachahmlich als etwas zu weich und feige gespielt und steht damit im Kontrast zu dem standhaften und wagemutigen Theologen.
Anno domini 1522. Luther nutzt die Zeit seiner Schutzhaft und fertigt die bahnbrechende erste Übersetzung des Neuen Testaments in Deutsch an. In Joseph Fiennes Darstellung arbeitet er besessen, beseelt von dem Wunsch, dass auch Nicht-Gelehrte das Wort Gottes lesen können. Das Neue Testament in deutsch wird ohne seinen Namen veröffentlicht.
1524 kommt es zu den Bauernaufständen, die zum Bauernkrieg mit blutigen Gemetzeln eskalieren. Der Film stellt sie als die dunkelste Zeit in Luthers Leben dar. Das hat er nicht gewollt. Für die einschlägigen Wissenschaften der Religion und Geschichte ist Luthers Rolle in diesem Zusammenhang aber umstritten. Was wäre geschehen, wenn er sich nicht von diesen blutigen Auseinandersetzungen distanziert hätte? Hätte er Leben retten können, wenn er für die Bauern Stellung bezogen hätte?
Soviel gilt aber als gesichert: Luther wollte die katholische Kirche von innen heraus erneuern, daher ist der Begriff Reformator auch zutreffend. Eine Spaltung der Kirche hat er nicht aktiv verfolgt. Unabhängig von Luther haben die Bauernkriege eine Eigendynamik entwickelt, deren entfesselte Gewalt jenseits von Luthers Absichten und Verantwortung liegen...
Die Rollen sind durchweg hervorragend besetzt, so auch die Nebenrolle der späteren Ehefrau Luthers Katharina von Bora mit der Britin Claire Cox. Joseph Fiennes, der sich mit Historienfilmen, wie „Shakespeare in Love“ und „Elizabeth“ einen Namen gemacht hat, ist trotz der mangelnden Ähnlichkeit mit dem Original ein Glücksgriff. Der Kameramann Robert Fraisse hat sich bei den Farbtönen und in der Ausleuchtung von der Malerei des 17. Jahrhunderts inspirieren lassen. Der Film hat warme Farben, mit tiefen Rottönen und ahmt den natürlichen Lichteinfall nach, von dem diese Epoche der Malerei so fasziniert war. „Luther“ ist eine bemerkenswerte Filmbiographie, die der Größe des Themas mit Seriosität und Inspiration gerecht wird.
h.f. - red / 22. Oktober 2003
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