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KÜNSTLERPORTRÄTS:
JÜRGEN KLUGMANN
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Bautagebuch                  Monokulturen                   Dame Jouanne Zyklus

Gesprächsnotizen Ulrike Stiens



Jürgen Klugmann

Bautagebuch: Bei den Pferdeställen 14

"Es handelt sich hier um meinen neuesten größeren Arbeitszyklus, eine Loseblattsammlung, Arbeiten auf Papier. Ich setze mich bildnerisch mit Problemen auseinander, die beim Umbau eines Pferdestalls in Atelier und Wohnung entstehen. Themen sind unter anderem Abwasser, Statik, Dachkonstruktion, Treppe, Geländer, Beton, Elektrizität, Isolation... Bis jetzt umfasst das Bautagebuch 140 Blätter. Dies sind zum Beispiel Bleistift- und Kohlezeichnungen, Collagen, Mischtechniken, Stempel- und Prägedrucke. Oft verwende ich die beim bauen verarbeiteten Materialien in meinen Bildern, zum Beispiel Zement, Gips, sowie Schleifstaub vom Holz und ähnliche Materialien."

Jürgen Klugmann / 1997 - 2001



BAUTAGEBUCH 1997 - 2001

Jürgen Klugmann, Sound Of Hilti



Jürgen Klugmann, Sound Of Hilti



Jürgen Klugmann, Treppenberechnung



Jürgen Klugmann, Massen



Jürgen Klugmann, Raumteil



Jürgen Klugmann, Abwasser



Jürgen Klugmann, Gelandevariation



Jürgen Klugmann, Isolation



Jürgen Klugmann, Balance



Jürgen Klugmann, Feuerstelle



Jürgen Klugmann, Fußbodenkonstruktion



Jürgen Klugmann, Kamin




MONOKULTUREN



Jürgen Klugmann, Über die Mauer

Jürgen Klugmann, Fockenberg 7



Jürgen Klugmann, Fockenberg



Jürgen Klugmann, Fockenberg 11

Jürgen Klugmann, Waldstück



Jürgen Klugmann, Birken 14



Jürgen Klugmann, Birken 1



Jürgen Klugmann, Hirschau 2



Jürgen Klugmann, Drähte



Jürgen Klugmann, Zoom 1 -3



Jürgen Klugmann, Champagne



Jürgen Klugmann, Hirschau 3


Der Dame Jouanne Zyklus 1993-1996

Jürgen Klugmann, O.T., 1995, 64 x 47,5 cm
Jürgen Klugmann, O.T., 1995, 64 x 47,5 cm



Jürgen Klugmann, Landschaft, 1994, 154 x 224 cm


Jürgen Klugmann, O.T., 1994, 218 x 153 cm


Jürgen Klugmann, O.T., 1994, 176 x 170 cm
Jürgen Klugmann, O.T., 1993, 201 x 161 cm



Jürgen Klugmann, O.T., 1995, 75 x 50 cm
Jürgen Klugmann, O.T., 1995, 75 x 50cm



Ulrike Stiens : Gesprächsnotizen

In den Ausstellungsräumen Jürgen Klugmanns trifft man auf zweidimensional angelegte Gedächtnisprotokolle, die Suchbewegungen registrieren.
Da ist ein Suchender am Werk. Ein Tastender, der Spuren nachzeichnet auf der Suche nach Berührungen.
Das ist zunächst ganz konkret zu verstehen. Klugmann arbeitet stets mit einem direkten Gegenüber. Findet den Gegenstand seiner Betrachtungen auf Reisen gerad' wie vor der eigenen Haustür. Arbeitet sich entlang an in der Außenwelt Vorgefundenem und greift dessen Strukturen auf, um das Gesehene im Akt der visuellen Landnahme in der Abstraktion weiterzutreiben.
Was daraus entsteht, sind sorgfältig mit dem Graphitstift gezogene Linien, Strichfolgen, Markierungen, Schnitte, Materialschichtungen, die sich nicht mühelos auf ein Du hin übersetzen lassen.
Verbindendes Moment der heterogenen Werkzyklen ist das ihnen gemeinsame Interesse an Strukturen. Ausgewählte Aspekte des Gesehenen werden ins Bild gesetzt und in der Zusammenstellung als Facetten je einer Matrix durchgespielt.
Das Faible für Strukturen und der Gang ins Material resultieren aus Erfahrungen, die Klugmann bei seinem ersten größeren Projekt, dem Dame-Jouanne-Zyklus, machte.
Aufgebrochen war er nach Fontainebleau, um sich von prähistorischen Zeichnungen an den Wänden der Kulthöhlen im Felsmassiv Dame Jouanne inspirieren zu lassen. Zahlreiche Frottagen entstanden. Und darüber hinaus der sich hartnäckig haltende Eindruck, daß dem derart gesammelten Material in der weiterführenden Bearbeitung wenig hinzuzufügen sei. Die archaischen Ritzungen und Gravuren waren sich selbst bereits genug. Eingriffe mit Farbe hätten die Kunstwerke des Prähistorikums verengt, ihnen die Luft zum Atmen geraubt.
Was tun? Versteht der Künstler sich doch allgemein als originäre Schöpferfigur und nicht als Kopisten.
Die Auseinandersetzung mit der Dame Jouanne ermutigte Klugmann zu einem Bruch mit dem althergebrachtem Künstlermythos und half ihm, die eigene Position zu finden. Bezogen auf den Höhlenzyklus hieß das eine bewußte Zurücknahme der Autorschaft.
Aus dem Materialfundus wählte er Ausschnitte. Beschränkte die Bearbeitung auf deren Verortung im Raum und die Gestaltung der äußeren Form. Die ungrundierte Leinwand, der rohe Stoff, die offenen Formen gewährleisten die Übertragung des Archaischen in den definierten Raum des Bildes. Verstreichungen aus Bienenwachsbalsam in den Graphitspuren der Zeichnungen und Wiederholungen des immer gleich bleibenden Motivs setzen Akzente.
Sanft sind die Eingriffe, die sich hier jemand zugesteht. Der prähistorische Fluchtpunkt bleibt sorgsam gewahrt. Die fragmenthaften Ausschnitte des Klugmannschen Höhlenzyklus setzen ihre Ahnen nahezu unangetastet ins Bild. Entbinden sie in der selektiven Neuperspektivierung aber zugleich von der unzeitgemäßen Sinnhaftigkeit des archaischen Kultus. Der Blick auf das Bild als Materialträger, auf die Strukturen des Gezeigten, wird frei.
Den darauf folgenden Projekten, den Monokulturen und der New York Serie, werden Strukturen in konsequenter Fortführung des somit Angedachten zum Stein des Anstoßes.
Weinberge aus dem Schwäbischen, die bunte Glitzerwelt der amerikanischen Metropole geben die Themen vor. Im Moment des Architektonischen trifft sich das auf den ersten Blick Gegensätzliche. Hier wie da verhandelt Klugmann Kulturlandschaften, beschäftigt sich mit von Menschen entworfenen und gebauten Räumen. Aus dem Dialog mit dem Vorgefundenen entstehen Strukturfolgen, die ihr Gegenüber ebenso nachstellen wie in der Strukturation überformen.
Militaristisch Uniformes - senkrechte Striche und Drähte - zeichnen die gespenstisch kargen Landschaften der Monokulturen aus. Späte Kälte heißt es da. Blick über die Mauer anderswo. Bunt wird's erst in der großen Stadt. Klugmann sieht sie als Flickwerk und betreibt unbekümmert Zettelwirtschaft und Kunststoffmalerei. So finden sich großformatige Meditationen zu Raum und Fläche aus Graphit und Bienenwachs einerseits, viel Acryl und die Technik der Collage andererseits.
Es geht um Weinberge. Es geht um New York. Und es geht vor allem um Bilder und Texturen. Die jeweils eine Komponente verleiht der anderen Gestalt, gibt sich erst in der Bezogenheit preis und läd zu immer neuen Sehweisen des hinlänglich Bekannten ein.
Im Bautagebuch, das voraussichtlich 2002 erstmals in Ulm zu sehen sein wird, findet das ernsthafte Spiel mit Struktur und Material seinen prägnantesten Ausdruck.
"Ich beschäftige mich mit Problemen, die beim Umbau eines Pferdestalls entstehen.", beschreibt der Produzent lakonisch seine Tätigkeit. Seit 1997 bastelt der ungelernte Bauherr am Eigenheim: einem Tübinger Pferdestall, in dem er sich Wohn- und Arbeitsräume nach eigenem Willen selbst gestaltet.
Abwasser, Statik, Dachkonstruktion, Elektrik... Die Bildthemen des Bautagebuchs erwachsen aus den konkreten Anforderungen des Arbeitsalltags auf dem Bau. Ebenso abwechslungsreich wie die Entwicklungsstadien eines Gebäudeumbaus sind dementsprechend die verwandten Techniken. Klugmann fertigt neben Collagen, Stempel- und Prägedrucken, Bleistift- und Kohlezeichnungen an.
Wo anfänglich der Aspekt der Konstruktion überwiegt, wird gegen Ende der Bauzeit die Materialfrage dringlicher. Bausubstanzen dienen jetzt als Malgrund und Material. Das Material wird quasi ins Bild eingebaut. Ganz bewußt bleibt Dreckiges, Unfertiges stehen und bringt den Werkstattcharakter auf den Punkt. Es geht eben um Probleme, die beim Umbau eines Pferdestalls entstehen. Und es geht vor allem um Probleme, die das Material aufwirft.
Die Frage nach dem Material gerät für den 38-jährigen mehr und mehr zur Gretchenfrage in der Kunst: "Das Entscheidende ist das Material. Das ist das Bild letzthin." In diesem Sinn versperren sich seine Zyklen dem Erzählerischen. Die späten Arbeiten des Bautagebuchs tragen keine Titel mehr. Sie bleiben offen. Stellen den Betrachter beim Betrachten auf sich. Ein neuer Dialog darf sich von hier aus entspinnen. Das vorausgegangene Zwiegespräch zwischen dem Produzenten und seinem Gegenüber will gerade nicht gewissenhaft nachvollzogen werden, sondern vom Bild ausgehend Raum öffnen für Andere.

Text: Ulrike Stiens / September 2001
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