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Jazz-Electro - CD Tipps

Funk / Nujazz - listening perals V

Wie viele Titel der Großmeister der deutschen Filmmusik, Peter Thomas, in seinem Leben bislang geschrieben hat, weiß womöglich nicht einmal mehr er selbst. Die bekanntesten sind sein Soundtrack zur 60iger Jahre Kult-Weltraum Serie "Raumpatrouille" und die Filmmusiken zu zahlreichen Edgar Wallace Krimis. Jetzt hat Diggler Records ein paar Schmankerl aus Peter Thomasī Archiv auf CD gebannt (Peter Scores - The Erotic World Of The Peter Thomas Sound Orchestra - Diggler Records), allesamt Sounds aus Erotikfilm-Produktionen der 60er und 70er Jahre, in denen uns unsere wohlbekannten Lieblingsschauspieler wie Uschi Glas oder Hannelore Elsner in ihrer "ersten Karriere" wieder begegnen. Im Booklet plaudert der Meister selbst ein wenig über das, was er und auch manch Filmemacher sich bei diesen Werken gedacht haben - sehr amüsant. Doch nun zum Musikalischen. Da gibtīs mal krass gesprochen alles, was von 1960 bis 1979 so geboten war. Vom sanften Easy Listening über filmtypische Orchestersounds mit Jazzanleihen hin zum 70īs Pop und Schlager und mit dem Titel "Oh,oh,Oooh,Ei Ei Ei - Wo Immer Es Auch Sei" ein richtig wirr verdrehtes Dadastück (so Thomas selbst). In der Pressemitteilung zur Platte definiert Peter Thomas persönlich die Bandbreite seiner Kompositionen auf so herrlich treffliche, unnachvollziehbare Weise, daß ich diesen Satz auch hier niemandem vorenthalten mag: "Bei der Compilation handelt es sich um eine gewisse chice, beknackte, bizarre, sphärische, sinnlich-lüsternde Musik aus dem erotischen Klangbild des akustic-phonetic HOTLINE_LOUNGE_PARTY_ MUSIK_Universums." So, jetzt wißt ihr bescheid!

Wenn man den Namen Hans Platzgumer hört, mögen dem musikinteressierten Leser so allerlei Bands und Projekte einfallen, die auf Herrn Platzgumers Mist gewachsen sind. Irgendwie ist der so vielbeschäftigte Musikus eine art Norman Cook der deutschen Musikszene. Im Gegensatz zu seinen früheren Aktivitäten wie Goldene Zitronen oder H.P. Zinker, die dem Indie-Rock-Genre zuzuordnen sind, hat Platzgumer in letzter Zeit einen Hang zu elektronischen Sounds entwickelt, hat Studio-Sessions mit Kollegen veranstaltet, die Retro Cover-Band Queen of Japan ins Leben gerufen und so ganz nebenbei eine CD unter eigenem Namen produziert. Hans Platzgumer - Software (Doxa Records) heißt das Scheibchen, das irgendwie wie das Ergebnis platzgumerscher Pausen-Synthie-Spielereien klingt. Das ist keinesfalls abwertend gemeint, die Platte klingt lediglich ein wenig auf die schnelle und nebenbei produziert, was bei einem Tausendsassa wie Platzgumer nichts schlechtes bedeuten muß. Vielmehr zeichnet "Software" das aus, was vielen deutschen Indie-Elektro-Produktionen zu eigen ist, nämlich der Charme des Unvollkommenen. "Software" ist eine Sammlung von housig und technoiden Elektrotracks die irgendwie auch noch die Herkunft aus der Indie-Ecke nicht leugnen können, die Spielwiese eines Menschen, der immer und ständig Sounds und Musik machen muß.

Die CD-Compilation Unique Club Culture Vol. Two (Unique) führt den Hörer in die tiefen der musikalischen Welt des Düsseldorfer Unique-Labels. Unique hat sich in letzter Zeit zu einem der Trendsetter im non-mainstreamigen Club-Musik-Bereich gemausert. Das Label vereint Latindancejazz, Break- und Downbeat- sowie Neo-Funk-Künstler unter seinem Dach. Die Compilation CD ist eine nette Sammlung aus genau diesen Bereichen und versteht sich als Einstiegsdroge ins Unique Universum. Einlegen, zuhören und begeistert sein!

Auf soeben erwähntem Label ist nun das Malente Album No Risk No Funk (Unique), ein zeitgemäßer Funk-Longplayer, erschienen. Zu Beginn fühlt man sich an die guten alten Zeiten eines Grandmaster Flash und seiner furiosen Fünfe erinnert, damals, als aus der Funk-Musik etwas namens Sprechgesang entstand. Mit Elektrokomponenten versehen schafft Malente, im Verlauf des Albums mehr und mehr den Brückenschlag zum Breakbeat und erreicht damit eine breit angelegte Dancefloorkompatibilität. Manchen Tracks liegt eine regelrechte "wir sind alle gut drauf und feiern Party"-Mentalität zu Grunde, und wäre da nicht zwischendrin mal Reggae zu vernehmen.... Aber gut, es soll auch Menschen geben, die ebendies zu schätzen wissen.

Ebenfalls um Funk geht es bei Paint It Black (Brown Sugar). From Jazz to SoulīnīFunk to Blaxploitation steht es auf dem Untertitel zu lesen und genau hier begegnet dem einen oder anderen das erste Fremdwort: Blaxploitation. Der Begriff Blaxploitation stammt aus der Welt des Films. In den 60ern entstand in den USA ein Bedarf an Filmen, gemacht von Farbigen für Farbige, Filme, die auch einen immensen Einfluß auf die Black Music Szene hatten. Letztendlich liegt mit "Paint It Black" eine Compilation vor, die die Ursprünge des heutigen Hip-Hop umreißt, als sich die Black Music des Synthesizers bemächtigte und mit neuen Techniken zu spielen begann. Neben Soundtracks zu oben erwähnten Blaxploitation Filmen finden sich Stücke von Donald Byrd, Herbie Hancock, Charles Earland, Funk inc. oder Lightnin Rod, einem Pionier des Rap, dessen Beitrag auf "Paint It Black" von einer frühen Form einer Band namens "Cool And The Gang" begleitet wird.

Wer eine smoothe Platte zum chillen sucht, vor dem Kamin platznehmen will und das Licht herunter dimmen möchte, der könnte sich ja mal Third Wave des züricher Elektroduos Calmstreet (Mole) anhören. Manche der allesamt sehr runden und weichen Tracks sind mit Vocals versehen, was ebendiesen Stücken etwas Songhaftes gibt. Gerade jetzt zur kalten Jahreszeit passt die Platte trefflich. In ne Decke kriechen und "Calmstreet" hören und draußen schneien lassen. Ich glaub sowas nennt man heutzutage Cocooning!

Ein wenig schwungvoller geht es da schon bei Boris Godunov zu. U Amor (Rouge Pulp) heißt die Dresdner Samba-Platte mit house Tendenz. Der typische Brazilectro Sound wird hier auf eine sehr treibende und mitreißende Weise zelebriert. Die Melodien sind eingängig und vermitteln größtenteils bereits beim zweiten mal Hören einen vertrauten Eindruck. Und schon ertappt man sich beim Mitsingen. Insgesamt klingt "U Amor" musikalisch - ein wenig wie das erst kürzlich vorgestellte Album "Aile Alegra" des japanischen DJs Lava. So verwundert es auch nicht, daß dort, im Land der aufgehenden Sonne, Boris Godunovīs Longplayer bereits seit Februar diesen Jahres zu haben ist. Ein wenig aus der, fraglos lateinamerikanischen, Linie tanzt das Stück "Recall (the happy days)". Mich erinnerts an "Right Said Fred", als diese noch nicht in lächerlichen Techno-Fell-Hosen zweitklassige Liedchen trällerten, sondern noch ein Stückchen zur musikalischen Entwicklung meiner Generation beitrugen. Nettes Intermezzo auf einer insgesamt sehr empfehlenswerten Platte.

Nochmal Rouge Pulp. Titel: Recreate (Rouge Pulp). Bei "Recreate" handelt es sich um eine Compilation mit Künstlern aus den Gebieten der Flutkatastrophe in Ostdeutschland. Ein Euro pro verkaufter CD gehen an die Flutopfer, also ein Silberling mit Silberling für den guten Zweck. Musikalisch als Soundtrack für die Lounge konzipiert, kommen die partizipierenden Künstler aus den Bereichen des Trip- und Hip-Hop, des chilligen Drumīnībass und des in jüngster Zeit wieder aufblühenden Pop. "Recreate" ist sicherlich ein Beweis, daß sich im Osten mehr und mehr eine potente Musikszene, die sich vor niemandem verstecken muß, etabliert. Lediglich die deutschsprachigen Beiträge kacken im Vergleich ziemlich massiv ab. Xavier Naido's mäßigen Näsel-Sprechgesang braucht eigentlich keine Sau und da hiervon nur ein - oder sagen wir anderthalb - Stücke von 15 betroffen sind, hält sich der Schaden in Grenzen.
Ja die gute alte Popmusik. Sie war zwar nie so richtig tot, erlebt aber derzeit ihren zweiten Frühling. Auf mehr und mehr Elektroproduktionen finden sich regelrechte Popsongs und auch manche Compilation, wie beispielsweise die zuvor besprochene featuren Pop. Da ist es kaum verwunderlich, daß auch lupenreine Popalben wieder in den Mittelpunkt des Interesses gelangen. California von Perry Blake (Parasol) ist ein solches Popalbum. Der Ire Perry Blake ist ein hierzulande noch weitgehend unbekannter Künstler, der doch immerhin schon mehrere Langspielplatten veröffentlicht, und sich wie man hört in unserem Nachbarland Frankreich schon einen veritablen Namen gemacht hat. Mit "California" könnte jetzt auch Deutschland erobert werden. Wenn man sich das Album so anhört, fühlt man sich in eine musikalische Welt irgendwo zwischen Bryan Ferry und David Bowie versetzt. Auch Edwin Collins macht solche Musik und dieser Perry Blake macht sie also auch! Träumerische Balladen und schlichtweg schöne Songs bilden ein schlichtweg schönes Album.

Warum Warum Berlin (Home Recordings) und nicht "Es Wird Weitergehn" haben Paula ihr nunmehr drittes Album genannt. Der oben aufgeführte achte Titel des neuen Werkes könnte durchaus auch als dessen Namensgeber dienen, denn bahnbrechend Neues ist unter den zehn neuen Paula-Stücken nicht zu finden. Es geht eben weiter mit Paula. Die Songs erzählen wie bisher vom Alltag, von Nebensächlich- und Selbsvertändlichkeiten, positiv wie negativ, untermalt von synthetischen Sequenzerläufen, und auch das Lied in französischer Sprache ist nicht neu. Wer Paula nicht kennt, aber kennen lernen möchte, sollte zuerst mal auf das Erstlingswerk "Himmelfahrt" zurückgreifen, für uns Fans ist "Warum Berlin" eben die dritte Paula Platte, ohne Spektakel, einfach konsequent.

f.b. / 19. Novmber 2002

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