Unglückliches Monster
Vor 25 Jahren starb die Opernsängerin Maria Callas
Beste Sopranistin der Welt |

La Callas in Norma a Parigi nel 1965
Picture from Bruno Tosi's book "Giovane Callas" (Maria Callas Associazione Culturale, 1997).
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TODESTAG AM 16. SEPTEMBER
Unglückliches Monster
Vor 25 Jahren starb die Opernsängerin Maria Callas / Beste Sopranistin der Welt
Von Ernst Probst
Ihr Leben war voller Extreme. Einerseits ging sie als größte, teuerste und anspruchsvollste Opernsängerin des 20. Jahrhunderts sowie als beste Sopranistin der Welt in die Geschichte der Musik ein. Andererseits hatte sie eine schwierige Kindheit, zeitweise starkes Übergewicht, wenig Glück in der Liebe und galt als sehr reizbar und unberechenbar. Die Rede ist von der griechisch-amerikanischen Künstlerin Maria Callas (1923-1977), die bürgerlich Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulos hieß und vor 25 Jahren starb. Dem Zauber ihrer über drei Oktaven reichenden Stimme konnte sich kaum jemand entziehen.
Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulos erblickte am 2. Dezember 1923 als drittes Kind des griechischen Apothekers George Kalogeropoulos und seiner Frau Evangelia im New Yorker Stadtteil Brooklyn das Licht der Welt. Ihre Mutter weigerte sich nach der Geburt vier Tage lang, ihr Baby zu sehen. Die Eltern waren vier Monate zuvor aus Athen in die USA eingewandert. Der Vater verkürzte den Familiennamen wegen der leichteren Aussprache auf "Kalos", woraus später "Callas" entstand.
Wie ihre ältere Schwester Jackie erhielt auch die kleine Maria früh Klavierunterricht. Weil vor Besuchern nur Jackie ihr musikalisches Können vorführen durfte, fühlte sich Maria zurückgesetzt und spielte danach unaufgefordert ebenfalls am Piano. Wegen Marias außergewöhnlicher Stimme beschloss ihre Mutter, sie als Sängerin ausbilden zu lassen.
Bereits im Alter von acht Jahren erhielt Maria Gesangsunterricht. Wenn sie damals am offenen Küchenfenster sang, applaudierten ihr die Fußgänger. Ihre Mutter schleppte sie zu Wettbewerben und musikalischen Veranstaltungen. Mit zehn Jahren trat Maria in Radiosendungen, bei Wohltätigkeitskonzerten, Abendgesellschaften und Wettbewerben auf. Bis zum Überdruss musste sie immer wieder Lieder einüben. Später klagte sie einmal, sie könne sich an kein Lieblingsspielzeug erinnen.
1937 ließen sich Marias Eltern scheiden, und die Mutter kehrte mit ihren beiden Töchtern nach Griechenland zurück. Im Alter von 13 Jahren begann Maria ein Gesangsstudium am "Nationalen Konservatorium" in Athen. Im Oktober 1939 sang sie am Konservatorium "Odeon Athenon" bei der spanischen Sopranistin Elvira de Hidalgo (1912-1980) vor, die
sie als Privatschülerin kostenlos unterrichtete.
Als 15-Jährige feierte Maria Callas 1939 im Athener Opernhaus ihr Debüt als Santuzza in "Cavaleria rusticana" von Pietro Mascagni (1863-1945). Damals wog sie 110 Kilogramm. Während des Zweiten Weltkrieges bildete sie sich am Konservatorium in Athen fort und arbeitete bei der Post. Mit 20 Jahren sang sie 1944 im "Amphitheater Herodes Atticus" in Athen die schwierige Partie der Leonore in "Fidelio" von Ludwig van Beethoven (1770-1827).
1946 zog Maria Callas zu ihrem Vater nach New York und wurde für die "United States Opera Company" engagiert. 1947 sang sie - inzwischen 120 Kilogramm schwer - in der Arena von Verona (Italien) die Titelrolle der Oper "Gioconda" des italienischen Komponisten Amilcare Ponchielli (1834-1886). Dabei begegnete sie dem italienischen Ziegeleibesitzer und Opernliebhaber Battista Meneghini (1895-1981), der sie nach einer von ihm gewünschten Abmagerungskur 1949 heiratete und ihre weitere Ausbildung finanzierte.
Meneghini verkaufte seinen Besitz, um sich fortan ausschließlich als Impressario seiner Frau widmen zu können, die sich zu einer der berühmtesten Sopranistinnen der Welt entwickelte. Ihren künstlerischen Erfolg verdankt Maria Callas größtenteils dem italienischen Dirigenten Tullio Serafin (1878-1968), der die großen Sopran-Partien mit ihr erarbeitete.
1951 wurde Maria Callas vom "Teatro alla Scala" ("Scala") in Mailand fest engagiert, wo sie in der Oper "Medea" von Luigi Cherubini (1760-1842) ihren ersten großen Triumph feierte. Mit 28 Jahren war sie es leid, wegen ihres Übergewichts als "Primadonna mit den Elefantenbeinen" verhöhnt zu werden und hungerte sich zum Schönheitsideal ab. Danach brachte sie nur noch
57 Kilogramm auf die Waage. Ihr Gatte schrieb diese Verwandlung Bandwürmern zu. 1953 trat die Callas in der New Yorker "Metropolitan Opera" ("Met") als Norma in der gleichnamigen Oper von Vincenco Bellini (1801-1835) auf.
Die reizbare Primadonna sorgte immer wieder für Skandale. 1956 führte sie mit der italienischen Sopranistin Renata Tebaldi einen regelrechten Primadonnen-Krieg. Dieser spaltete die Operns-Fans in zwei Lager: Die einen sympathisierten mit der "Tigerin" Callas, die anderen mit der "Taube" Tebaldi. 1957 überwarf die Callas sich mit der Direktion der Oper von San Francisco (Kalifornien), danach fing sie mit der Mailänder "Scala" einen Streit an.
1958 brach Maria Callas in Rom nach dem ersten Akt der Oper "Norma" wegen einer Halsentzündung die Vorstellung ab. Daraufhin wurde sie erbarmungslos vom Publikum ausgepfiffen, und der italienische Staatspräsident Giovanni Gronchi (1887-1978) musste vorzeitig nach Hause gehen. Wegen einer im Flugzeug verlorenen Hundedecke legte sie einmal sogar den ganzen Flugverkehr lahm. Trotz ihrer Unberechenbarkeit und der Spitzenhonorare in ihrer Glanzzeit von bis zu 100000 Mark für einen Abend rissen sich die Agenturen um Auftritte der Callas.
1959 lernte die Callas den verheirateten griechischen Reeder Aristoteles Onassis (1907-1975) kennen und lieben. Wegen der Affäre mit ihm trennte sie sich von ihrem Gatten Battista Meneghini der vielleicht eher ein Vaterersatz war. Wenn die Callas von Onassis getrennt war, fieberte sie täglich seinem Anruf wie einem Bühnenauftritt entgegen. Kam der Anruf nicht oder spät, so war ihr "hohes C" nicht gesichert.
Nachdem sich Onassis 1960 von seiner Frau Atina (1928-1974) trennte, hoffte die Callas vergeblich auf eine Ehe mit ihm. Doch der Reeder heiratete im Oktober 1968 die amerikanische Präsidentenwitwe Jacqueline ("Jackie") Kennedy (1929-1994), wovon Maria aus der Presse erfuhr. Am Hochzeitstag ließ sich die Callas in ihrer Pariser Wohnung am Telefon verleugnen.
1969 sah man Maria Callas in dem Film "Medea" von Pier Paolo Pasolini (1922-1975). Dabei zeigte sich, dass die Callas nicht in der Lage war, ihre Persönlichkeit vor der Kamera voll auszuspielen. Offenbar brauchte sie die Unmittelbarkeit der Bühne.
Im Juni 1971 wurde die Ehe der Callas mit Battista Meneghini geschieden. Zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Tenor Guiseppe di Stefano, erlebte sie im April 1973 mit der "Sizilianischen Vesper" in Turin ihr Regie-Debüt. 1974 war sie zum letzten Mal in Konzerten zu hören. Danach gab sie Gesangsunterricht.
Nach dem Ableben von Aristoteles Onassis erbte Maria Callas 1975 umgerechnet mehr als fünf Millionen Mark. Kurz vor ihrem eigenen Tod schrieb die Callas in ihr Tagebuch: "Es gibt keine Liebe für mich, keine Wertschätzung. Ich bin unendlich allein. Ich war in meinem ganzen Leben niemals von jemandem abhängig. Heute bin ich die Sklavin einer Pillendose. Ich glaube, das Ende meines Lebens wird für mich eine Freude sein: Ich habe kein Glück und keine Freunde, nur die Medikamente".
Die weltberühmte Diva starb am 16. September 1977 im Alter von 53 Jahren einsam in ihrer 180 Quadratmeter großen Pariser Wohnung an einer Herzattacke. Man beerdigte sie auf dem Pariser Friedhof "Pére Lachais".
Über das Leben der Künstlerin sind mehr als 100 Bücher erschienen. In der Biographie "Maria Callas - Die Tigerin und das Lamm", die 20 Jahre nach ihrem Tod 1997 herauskam, fällte der Autor David Bret das Urteil: "Sie war ein unglückliches Monster".
Ernst Probst / September 2002
E-Mail: verlagernstprobst@web.de
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Ernst Probst ist Autor des Taschenbuches "Superfrauen 10 - Musik und Tanz" mit Biographien berühmter Frauen in Wort und Bild.
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