Theaterkritik
Helmut Krausser: HALTESTELLE. GEISTER. (Deutsches Schaupielhaus Hamburg)
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Helmut Krausser: HALTESTELLE. GEISTER. (Deutsches Schaupielhaus Hamburg)
Eine Haltestelle im kalten Licht von Leuchtstoffröhren. (Bühne: Stéphane Laimé). Auf einen Bus aber wartet man hier vergeblich. Stattdessen versammeln sich an diesem Ort recht merkwürdige Gestalten, unter anderem
eine außerirdische Prinzessin, ein Dealer, einige "Tussen", ein Mann auf der Suche nach seiner Internet-Romanze, Opernbesucher, ein Tütenpenner. Sie tragen zumeist millieustimmige Kostüme. (Kathrin Plath). Einige von ihnen müssen im Verlauf des zweieinhalbstündigen Abends sterben und finden sich dann als Geister an derselben Haltestelle wieder. Diese selbst erweist sich dann als Transportmittel um die Toten, ja wohin? zumindest von der Bühne zu bringen.
Der Autor Helmut Krausser ist dem Theaterpublikum vor allem durch sein Stück "Lederfresse" bekannt geworden, das 1994 am Hamburger Thalia Theater uraufgeführt und seit dem von mehr als 50 Theatern nachgespielt wurde.
Zwei seiner inzwischen sechs Romane wurden verfilmt ("Fette Welt" mit Jürgen Vogel, "Der große Bagarozy" mit Til Schweiger), sein Roman "Thanatos" darf zu den wichtigsten und besten Veröffentlichungen der letzten Jahre gerechnet werden.
In "Haltestelle. Geister." erfindet Krausser einen ganzen Haufen schräger Figuren und Geschichten. Die zum überwiegenden Teil großartigen Schauspieler des Ensembles hauchen diesen Figuren Leben ein und werden dafür mit Szenenapplaus belohnt. Herausragend: Stefan Merki als "Großinqisitor" auf der verzweifelten Suche nach seiner Internet-"Prinzessin" sowie Wolfram Koch und Sabine Wegner als Opernbesucher-Paar mit ihren perversen Fantasien aber auch Wiebke Puls, deren Talent für das Sonderbare hier wundervoll zum Tragen
kommt.
Bis zur Pause eröffnet sich so ein recht vergnüglicher Reigen und macht gespannt auf den zweiten Teil.
Doch, ach, trotz diverser Todesfälle und einiger großartiger Szenen macht sich etwas Missmut breit, gar Langeweile. Allzulang starrt man nun auf die immer gleiche Haltestelle, fühlt sich von den atmosphärischen Toneinspielungen (Musik: Arno P. Jiri Kraehahn) eher genervt und fragt sich, ob das Ganze noch zu etwas führt. Wiewohl der junge und hochgelobte Hausregisseur Jan Bosse seine Schauspieler mit einem feinen
Gefühl für Rhythmus und Pointe führt, fehlt dem Stück darüber hinaus gehende szenische Fantasie. Er lässt ein BMW Cabrio vom Bühnenhimmel fallen, das dann sehr schmuck in der Bühne feststeckt, hin und wieder dreht sich diese, eine Wand fällt um und zeigt uns die Hinterbühne des Schauspielhauses. Die für den kurzen Moment sehr wirkungsvollen Einfälle lenken aber letztlich von der gespielten Szene ab und haben im weiteren
Verlauf des Stücks keine große Wirkung mehr. Von den Toneinspielungen, die einen ähnlichen Effekt haben, war schon die Rede. Wo aber die Regie gefordert wäre, insbesondere dem Ende des Stücks eine poetische Höhe zu verschaffen, die dem Text als Potential inne liegt, da verzichtet Bosse auf den Einsatz bildmächtiger Theatermittel. Die Geister sitzen in weißen T-Shirts mit Aufdruck ihrer Figurennamen an der Haltestelle herum, kommunizieren mit Hilfe eines Tütenpenners (unaufdringlich wirkungsvoll: Traugott Buhre) mit der Außenwelt und warten auf ihren Abtransport. Am Ende darf Ilse Ritter ihrer kleinen Rolle als "Die Blinde" noch einen Moment der Größe abringen und die Show ist vorbei.
Das Publikum bedachte die Schauspieler mit einhelligen Bravos, Jan Bosse und Helmut Krausser mussten einige Buhs einstecken. Letzterem tut man damit ein Unrecht.
Sven Lange
4.10.2000
Uraufführung am 29.9.2000 (Eine Auftragsarbeit des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg)
Regie: Jan Bosse
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Kathrin Plath
Musik: Arno P. Jiri Kraehahn
Dramaturgie: Andreas Beck
mit: Ursula Doll, Sarah Masuch, Sabine Orléans, Wiebke Puls, Ilse Ritter, Anne Weber, Sabine Wegner, Wolf Aniol, Matthias Breitenbach, Traugott Buhre, Matthias Fuchs, Wolfram Koch, Bjarne Mädel, Stefan Merki, Alexander Simon
Infos zu weiteren Aufführungsterminen:
http://www.schauspielhaus.de
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