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Theaterkritik
KARLA KOJOTE MACHT WEITER

Von Tilmann Neuffer

Gebäude 9, Köln

"Karla Kojote macht weiter" ist der dritte Teil einer imaginären Trilogie von Theaterstücken, deren erste beide Teile (noch?) nicht existieren. Das Schauprojekt Bonn und das theater-51grad.com haben sich für diese Produktion zusammen getan und zeigen das Ergebnis ihrer Arbeit im Gebäude 9, in Köln Deutz.

Rund um Marktwirtschaft und Turbo-Kapitalismus drehen sich die achtzig Minuten Spielzeit, manch kluge Einsicht wechselt sich mit mancher Banalität ab, erklärt dem Zuschauer, wie allmächtig der Markt geworden ist, daß dieser sogar seine Verweigerung konsumierbar macht. Jede menschliche Lebensäußerung wird zu einer Dienstleistung degradiert, Arbeit, Leben, Produktion und Konsum verwischen in ihren Konturen. Zuletzt scheint der Mensch als Mensch überflüssig zu sein.

Die Inszenierung bringt diesen Schluss buchstäblich auf die Bühne: Karla Kojote (Isis Krüger) hat Tempo und Intensität und den Mangel an Erfolg, ganz wie ihr Namensvetter aus dem Trickfilm (im ewigen Versuch, den Road Runner zu fangen). Karla sucht den authentischen Menschen in sich und verliert ihn permanent an eine durch und durch technisierte Welt. In mehreren Szenen diskutiert sie ihre Situation mit Norbert Natter (Frank Albrecht) und Paula Pyrania (Patricia Harrison). Sie reden schnell, sie reden laut, sie drehen sich im Kreis im Versuch, die Welt zu erklären.

Wer diese Figuren sind, in welchem Verhältnis sie zu einander stehen, erfahren wir nicht, es ist vielleicht auch nicht wichtig. Dafür rattern die drei Schauspieler präzise und gekonnt die Thesen herunter, die der Autor ihnen in den Mund legt. Derselbe platziert sie als Regisseur in einem Bühnenbild, das zugleich an eine gigantische Badewanne und an eine hippe Wohnlandschaft erinnert und läßt sie machen. (Raum: Hendrik deWitt)

Zwischen den Szenen werden auf fünf Monitoren/Leinwänden Videos ein- und Musik abgespielt. Dann plötzlich werden die Schauspieler aktiv, verfallen in merkwürdige perfomative action, wechseln Kostümteile und Perücken um sich in der folgenden Szene wieder zum Schnellsprechen in der Wanne zu versammeln.

Am Ende bleibt etwas Ratlosigkeit. Der Autor mag mit seinen skizzenhaften Befunden über die Welt als Kaufhaus recht haben, aber der Zuschauer fühlt sich um die Geschichte betrogen, die er nur erzählt und obendrein gleich interpretiert, aber nicht vorgespielt bekommt. Die aufwändigen Videos bleiben so Pausenfüller, die Figuren Sprechmaschinen, das Bühnenbild Rauminstallation. Und die Moral von der Geschicht? Der Turbo-Kapitalismus unserer Zeit ist menschlich, aber unmenschlich-menschlich. Kopfnicken.

Sven Lange / 4. September 2002
Aufführungsdauer: ca. 80 min.

mit: Frank Albrecht, Patricia Harrison, Isis Krüger; Regie: Tilmann Neuffer; Dramaturgie: Rosi Ulrich; Raumgestaltung: Hendrik deWitt; Video: Hendrik deWitt/Simon Vogel; Sounds: Norbert Rodenkirchen; Kostüm: Eva David.

Premiere: 29.8.02, Gebäude 9, Köln-Deutz

www.theater-51grad.com
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