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Wir haben Gesichter

Häusliche Gewalt in Europa – Eine Tagungsdokumentation von Anti-Gewalt-Expertinnen


Von Anfang an stockt einem der Atem. „30 Jahre Frauenhausbewegung in Europa“, herausgegeben vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, im Wiener Milena Verlag, 2004, ist eine Standortbestimmung der besonderen Art. Knappe 185 Seiten Berichte von Anti-Gewalt-Expertinnen aus verschiedenen EU-Ländern, über die Maßnahmen dort zur häuslichen Gewalt. Eine von vier Frauen in Europa erlebt sie täglich.
Laut einer Studie des Europarates aus dem Jahre 2002 wurden zwischen 6 und 10 Prozent der Europäerinnen im Befragungszeitraum körperlich misshandelt. In Griechenland hat jeder vierte Mann zwischen 25 und 35 in den letzten sechs Monaten seine Frau misshandelt. In Nordirland wurden 40 % aller Morde von Ehemännern begangen. Mehr als ein Fünftel der finnischen Frauen ist in der Partnerschaft psychischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt. In Lettland waren 7 Prozent der Frauen Opfer eines sexuellen Angriffes. Frauenorganisationen in Ungarn dokumentieren jährlich mehr als 150 Morde an Frauen durch ihren Partner. In Norwegen werden 18 Prozent der Frauen regelmäßig geschlagen. In Deutschland wird jede vierte Frau in ihrem Leben mindestens einmal das Opfer von Gewalt durch einen Lebenspartner. Jährlich flüchten an die 45 000 Frauen mit ihren Kindern in ein Frauenhaus.

Der Milena-Frauenverlag wurde 1980 im Kontext der Frauenbewegung als ein autonomes Projekt (Verein) schreibender Frauen gegründet, die sich mit ihren Texten im Bereich der etablierten konventionellen Verlagsprogramme nicht zu Hause fühlten. Sein ausgewähltes Verlagsprogramm umfasst neben Frauen/Lesbenliteratur Dokumentationen und politische Bücher.
Hier und dort - früher und jetzt

Ab 1967 gibt es in Berlin eine Zufluchtsstätte für Frauen in Gewaltsituationen, in London eröffnet 1972 das erste Frauenhaus für geschlagene Frauen. Großbritannien ist das viertreichste Land der Welt , auch reich an Gewalt gegen Frauen.
Drei Jahrzehnte später gibt es in der EU mehrere tausend Zufluchtsstätten für Frauen, die von Gewalt durch ihre männlichen Partner betroffen sind.
Zu einer Fachtagung in Wien im Dezember 2002 wurden Referentinnen aus ganz Europa eingeladen. Sie kamen aus Mitteleuropa und aus den neuen EU-Beitrittsländern, der Türkei, aus Ungarn und Kroatien, wo die Frauenhausbewegung noch ganz am Anfang steht. Dort ist Bewußtsein für die Problematik der familiären Gewalt in der Gesellschaft noch gering. Sie alle gaben gleichermaßen ein Zeugnis einer erschütternden Bilanz ab.
Mit Glanz und Gloria sind 10 neue Länder der Europäischen Union beigetreten. Jedoch erlahmt beim Thema häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Kinder schnell die Begeisterung, hören salbungsvolle Worte sowie Geldregen sofort auf.
Vor 1990 wurde häusliche Gewalt in der Türkei von der Öffentlichkeit ignoriert, obwohl rund 72 Prozent der türkischen Frauen im Laufe ihrer Ehe Opfer von Gewalt werden. Das Frauenzentrum „Mor Cati“ wurde 1998 aufgrund finanzieller Probleme wieder geschlossen.
In Kroatien gibt es seit 12 Jahren ein einziges autonomes Frauenhaus in Zagreb, mehr als 30 000 Frauen und Kinder haben hier in den vergangenen Jahren Schutz und Zuflucht gefunden.

In Berlin steigen die Zahlen der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt stark. 2003 zeigten 10370 Frauen ihre Männer nach Gewalttaten an, ein Jahr später waren es bereits 12 800 Fälle, wie der Wirtschafts- und Frauensenator Harald Wolf (PDS) am 8. März 2005 bekannt gab. In Berlin existieren derzeit sechs Frauenhäuser mit 326 Plätzen und 40 Zufluchtswohnungen für 115 Frauen. Die Hotline der Interventionszentrale in Berlin (611 03 00) bei häuslicher Gewalt wurde in den letzten fünf Jahren von mehr als 24 000 Frauen gewählt.
Auch Deutschland herrscht Handlungsbedarf. Der neue Gesetzesentwurf, der Opfer aggressiver Nachstellungen, des sogenannten „Stalkings“ wurder erst am 02. März 2005 in den Ausschüssen des Bundesrats beraten, nachdem Fraueninitiativen jahrelang gefordert haben, auch diese Form der Gewalt gegen Frauen unter Strafe zu stellen.
Eine bittere Bilanz, die Zeichen fordert.


Mahnmal-Statue

„Wir haben Gesichter“ heißt die Aktion. In der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 2005 wurde im Viktoria Park in Berlin-Kreuzberg, am Wasserfall, ein Mahnmal für Frauen aufgestellt, die Opfer einer Vergewaltigung wurden. An diesem Ort wurde 2002 eine Frau von 2 Männern überfallen und vergewaltigt.
Eine von Vielen!
Laut Statistischem Landesamt Berlin wurden im Jahr 2002 in Berlin 1233 Sexualdelikte unter Gewaltanwendung oder Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses angezeigt, 863 wurden aufgeklärt. Davon waren 666 bekannte Fälle von Vergewaltigung, 464 wurden aufgeklärt. Die Dunkelziffer wird um ein vielfaches höher sein. Jede Vergewaltigung ist Erniedrigung und Folter. Männergewalt und Frauenverachtung ist Krieg gegen Frauen. Vergewaltigung von Frauen und Mädchen finden an jedem Ort statt, die meisten davon werden jedoch in der alltäglichen Umgebung, oft im Wohnbereich verübt.

Bis heute steht die Statue an ihrem Ort. Es ist zu wünschen, dass diese Frauenfigur an dieser Stelle stehen bleiben kann. Als Mahnmal und als Zeichen, um andere Frauen darin zu bestärken, über selbst erlebte Gewalterfahrungen zu sprechen, mit anderen Handlungsmöglichkeiten überlegen, nicht alleine bleiben und das Schweigen zu durchbrechen.
Für sie wurde das Denkmal errichtet. (Viktoriapark, Eingang Großbeerenstraße, links vom Wasserfall).
Die Statue ist nicht zu übersehen, sie wird euch entgegenschreien.
Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, die Gesellschaft muß anerkennen, dass Männergewalt im häuslichen Bereich, Vergewaltigung und sexuelle Folter keine individuelle Sache ist, sondern ein Strafbestand, der geahndet werden muß.

Und - dass an allen Orten, überall auf der Welt, wo Frauen (sexuelle) Gewalt erleben mußten Mahnmale aufgestellt werden und die Welt nicht mehr dazu schweigt – auch das wäre für alle Kulturausschüsse und Mahnmal-Gremien dieser Welt eine Überlegung wert.
Hilde Meier


Hilde Meier, 13. Juni 2005
ID 00000001926
30 Jahre Frauenhausbewegung in Europa
Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (Hg.)
Milena Verlag, Wien 2004
ISBN 3-85286-121-7
Dokumentation Bd. 28, mit vielen Kontaktadressen
Broschur, 185 Seiten, Euro 18,90


siehe auch: http://www.kultura-extra.de/literatur/literatur/rezensionen/rezension_drakulic_jovica.php
http://www.kultura-extra.de/extra/notizen.php#0572

Weitere Infos siehe auch: http://www.milena-verlag.at






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