4. bis 17. Juni 2012
Das 18. Jüdische Filmfest Berlin-Potsdam bietet ein facettenreiches Programm jüdischer Themen
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In Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste aus Politik und Gesellschaft sowie Prominenz aus Film und Fernsehen hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als Schirmherr das Jüdische Filmfest Berlin-Potsdam im postmodern-eleganten Potsdamer Hans-Otto-Theater eröffnet. Festivalchefin Nicola Galliner kann zur 18. Ausgabe des Festivals ein besonders abwechslungsreiches Programm aus mehreren Kurz- und zwei Dutzend Spielfilmen präsentieren, in denen jüdische Lebenswelten und Schicksale aus Vergangenheit und Zukunft behandelt werden. Zum Auftakt gaben Sänger Max Raabe und sein Palast-Orchester eine kleine Live-Kostprobe ihres Repertoires zum Besten, bevor sie auch auf der Leinwand zu sehen waren.
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Der Film Max Raabe in Israel dokumentiert, wie es dem populären Interpreten deutscher Schlager und Chansons der zwanziger und dreißiger Jahre gelang, mit seiner nostalgischen Kunst auch die Herzen des israelischen Publikums zu erobern. Ähnlich wie bei den Tourneen in Deutschland und den USA wurden Raabes Ausflüge in eine vergangene musikalische Ära auch in Israel zu einem generationenübergreifenden Erlebnis: Neben vielen jüngeren Zuhörern fanden sich bei den Konzerten auch betagte Israelis mit jüdisch-deutschen Wurzeln ein, die vor ihrer Emigration noch mit jenen Liedern aufgewachsen waren, die Max Raabe der Vergessenheit entrissen hat. „Diese Musik ist nicht unschuldig“, sagt Max Raabe in einer Interviewsequenz des Films, denn die meisten Texte der von ihm vorgetragenen Lieder stammen von Juden, die in ihrer Muttersprache Deutsch gearbeitet haben und während des Faschismus verboten, verfolgt und umgebracht wurden.
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An den wesentlichen Beitrag eines deutschen Juden zur modernen Architektur der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erinnert ein anderer, aufschlussreicher Dokumentarfilm: Mendelsohn‘s Incessant Visions. Der israelische Regisseur Duki Dror, der wie die meisten Filmemacher als Gast in Potsdam und Berlin erwartet wird, erinnert an das visionäre Werk, vor allem aber an das wenig bekannte, bewegende Leben des Architekten Erich Mendelsohns, der in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden wäre.
Der vom deutschen Expressionismus inspirierte Baumeister so spektakulärer Bauten wie dem Einsteinturm in Potsdam, dem ehemaligen Universum Kino am Berliner Kurfürstendamm (die heutige Schaubühne) oder dem großen Kaufhaus Schocken in Chemnitz (das derzeit von einer Investorengruppe im Inneren wieder einmal umgebaut wird) fand nach seiner Emigration, die ihn mit seiner Frau nach England, Palästina und schließlich in die USA führte, nie wieder die Anerkennung, die ihm in Deutschland vor 1933 zuteilwurde. Und das, obgleich Mendelsohn auch im Exil herausragende, provokativ-moderne Bauten erschuf, so etwa mitten den futuristisch wirkenden, ausladenden De-La-Warr-Pavilion inmitten des mit kleinen Wohnhäusern bebauten Bexhill-on-Sea an der südenglischen Küste.
Mit manchem Großprojekt, so etwa den Plänen für Verwaltungs- und Wohnanlagen im jungen Staat Israel, scheiterte Mendelsohn, der 1953 in San Francisco an Krebs starb. Mit bitterer Ironie zeigt der Film, wie Mendelsohn als architektonischer Berater der US-Armee bei der Präparation ihrer Luftangriffe auf deutsche Städte half, indem er eine eigens in der amerikanischen Wüste des Mittelwestens eine Kulissenstadt deutscher Prägung errichtete, die den Bombenfliegern als Model diente. Das großartige Porträt Drors macht Lust, sich mit Mendelsohn und deutscher Architekturgeschichte im Allgemeinen näher zu beschäftigen.
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Ganz im hier und heute sind viele Spielfilme über jüdisches Leben verankert, so auch David des Amerikaners Joel Fendelmann. Mit leichter Hand wird die Geschichte eines kleinen arabischen Jungen erzählt, der sich durch einen Zufall mit einer Gruppe jüdischer Kinder anfreundet, ihnen aber seine wahre Identität nicht preisgeben mag und daher David nennt. Der Junge lernt auf diese Weise, dass ‚die Juden‘, mit denen sein Umfeld – allen voran sein überstrenger muslimischer Vater – sonst keinerlei Kontakt will, auch normale und sogar nette Menschen sein können.
Fendelmann zeigt konsequent aus Kinderperspektive, aber ohne übertriebenen Optimismus, wie unsinnig und einengend die Vorurteile und die Ignoranz sind, die in der Erwachsenenwelt gepflegt werden. Die Fragilität der aus kindlicher Naivität gebauten Brücke zwischen den Religionen betont Fendelmann bis zum traurigen Schluss, der offen lässt, ob die Schüler wenigstens eine hilfreiche Lehre für ihr restliches Leben mitnehmen.
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Wie weit verbreitet Vorurteile und Unkenntnisse über Juden auch im Deutschland des Jahres 2012 noch sind, zeigt die Filmemacherin Tanja Grinberg in ihrem Dokumentarfilm Jew.de.ru. Grinberg bat zunächst Passanten in einer Fußgängerzone, ihr vor der Kamera ihr Wissen über Juden mitzuteilen, was zu teils erschreckenden Resultaten führt: Statt konkreter Fakten werden meist nur negative Schlagwörter wie KZ, Holocaust, Hitler und „geizig“ genannt. Manche Befragte ‚nutzten‘ die Chance, um ihrer Gleichgültigkeit und ihrem offenen Hass vor der Kamera freien Lauf zu lassen.
Fast alle Befragten schätzten die Zahl der Juden in Deutschland viel zu hoch ein (zwischen einer und 40 Millionen). Doch Grinberg zeigt auch eine andere, positivere Seite – die von neuem jüdischen Leben in Deutschland – anhand der Porträts von drei jungen russischsprachigen Jüdinnen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion von Russland nach Deutschland gekommen sind und sich relativ erfolgreich integriert haben. Deren Eltern allerdings können ihre Skepsis über das „Land der Täter“ bis heute nicht abschütteln.
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Eine melancholisch-nachdenkliche Skizze aus dem heutigen Israel liefert der Spielfilm Restoration: Das Kammerspiel der leisen Töne erzählt von einem in die Jahre gekommenen Möbelrestaurator in Tel Aviv, Yaakov Fidelmann (Sasson Gabai aus Die Band nebenan), der an der Vergangenheit hängt und nicht einsehen will, dass die Zeit seines einst florierenden Handwerks im modernen Israel nur noch auf wenig Interesse stößt. Unerwartete Hilfe bekommt Fidelmann von einem jungen, aber undurchsichtigen und wohl auch kleinkriminellen Praktikanten. Restoration, der auf dem renommierten Filmfest im tschechischen Karlovy Vary (Karlsbad) im letzten Jahr den Hauptpreis erhielt, lebt vor allem von seinen Charakteren, deren persönliche Geheimnisse ganz bewusst nicht vollständig aufgedeckt werden. Regisseur Joseph Madmonys will sein behutsames Drama auch als Reminiszenz an eine untergehende Welt kleiner Werkstätten in einer sich rasch modernisierenden Stadt verstanden wissen.
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Max-Peter Heyne - 7. Juni 2012 ID 6020
Weitere Infos siehe auch: http://www.jffb.de
E-Mail an Max-Peter Heyne
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