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BERLINALE 2018

BERLINALE CLASSICS

Der Himmel über Berlin



Unbestritten zählt Wim WendersDer Himmel über Berlin längst zu den Meisterwerken der internationalen Filmgeschichte. Vor zehn Jahren gab es schon einmal eine digitale Wiederaufführung, nun präsentierte die BERLINALE den Film 30 Jahre nach dem ersten Kinostart in hochauflösender 4K-Qualität – was vor allem bei den wenigen Farbszenen des Films auffällt. Bei allem Respekt von Wenders‘ Gesamtwerk darf gesagt werden: es ist noch immer sein Opus Magnum. Weder in seinen früheren noch in seinen späteren Werken wimmelt es vor so vielen genialen Ideen.

Nehmen wir nur die Eröffnungssequenz: Zunächst wird ein überdimensionaler Flügel zu Harfenklängen geschlagen, dann folgen Impressionen Berlins: ein Flug rund um die Spitze des Westberliner Funkturms, wobei Fetzen der verschiedenen Radioprogramme zu hören sind. Eine Art Rundflug zu Menschen, die hinter profanen Altbaufenstern verborgen sind und sich so ihre Gedanken machen – mal mehr, mal weniger zielführend. Gestalten in dunklen Mänteln stehen als stumme und unsichtbare Besucher um sie herum. Dann ein Flugzeug im Anflug auf den Flughafen Tegel (der im Gegensatz zu vielen der am Film Beteiligten noch immer am Leben ist!). Bruno Ganz im dunklen Mantel sieht ein kleines Mädchen, das ihn auch zu sehen scheint. Und hinter ihr sitzt Peter Falk alias Inspektor Columbo, der sich auf eine obskure Rolle in einem Kriegsdrama vorbereitet.

Zwar geht es nicht über die volle Länge des über zweistündigen Films so originell und temporeich weiter; z.B. wirken auch beim erneuten Sehen die Szenen mit der Artistin unter der kleinen Zirkuskuppel (Solveig Dommertin, damals Wenders‘ Lebensgefährtin) und ein Konzertauftritt von Nick Cave (einer von Wenders‘ Musiker-Buddys) zu lang und bremsen die Handlung aus. Aber die vielen interessanten Berliner Schauplätze und die Reihe amüsanter bis schrulliger Figuren (Peter Falk! Curt Bois!) ergeben eine höchst unterhaltsame Collage, die untypisch für Wenders ist.

Was ebenfalls beachtlich ist: Wenders gelingt es widerspruchsfrei Tiefgründiges und Verspieltes, Tragisches und Burleskes, Absurdes und Naives zusammenzubringen. Das ist so tatsächlich nur in einem Märchen möglich, und die Idee, dass ausgerechnet im säkularisierten, sehr bodenständigen Berlin Engel umherwandern bzw. im Doppeldeckerbus fahren (und nicht etwa in Münster, München oder Bamberg), ist eine aberwitzige, märchenhafte Idee. Sie bildet eine dramaturgische Klammer, unter die sich die anderen Einfälle mühelos zu einem Pastiche versammeln. Hinzu kommt als verbindendes Element die Lyrik von Schriftsteller Peter Handke, die ich heute mehr zu schätzen weiß als beim ersten Sehen. Als poetischer Off-Kommentar ist ihre Wirkung sicherlich Geschmackssache, aber zweifellos verstärkt sie die transzendentale Ebene der Handlung.

Natürlich weckt der Film nostalgische Gefühle, vor allem, wenn man Berlin zu Mauerzeiten erlebt hat. Eine abgeschottete Insel, die dennoch ein pulsierendes Gebilde war, ein bisschen gemütlich und ein bisschen weltstädtisch, wie in einem Zeitvakuum gefangen und doch widerständig gegen Stalinismus und Spießertum – warum soll ein solches Gebilde nicht Heimstatt von Engeln sein, die die Ruhe weghaben? Aber dass ein ins (West-)Berlin anno 1986 gefallener Engel die Unsterblichkeit und Körperlosigkeit des Jenseits gegen die handfeste Sinnlichkeit des Berliner Diesseits mit den abgeratzten Kreuzberger Kreuzungen und den unwirtlichen Mauerecken eintauscht – was für eine wunderbar absurde, zeitlos schöne Fantasie!

Bewertung:    



Der Himmel über Berlin | (C) Wim Wenders-Stiftung 2017

Max-Peter Heyne - 17. Februar 2018 (2)
ID 10524
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinale.de


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