WETTBEWERB
Eva
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Über 50 Jahre nach Joseph Loseys französisch-italienischer Koproduktion (mit Jeanne Moreau als Eva und Stanley Baker als Bertrand) verfilmte der vielseitige französische Theater-, Film- und Opernregisseur Benoit Jacquot den gleichnamigen Roman des britischen Schriftstellers James Hadley Chase erneut. Es ist die Geschichte einer hoffnungslosen Affäre, die einen jungen Mann in eine emotionale Abhängigkeit einer Femme Fatale und in den finanziellen Ruin treibt. Wie immer in Jacquots Filmen ist die Geschichte interessant adaptiert und als Psychothriller spannend erzählt, aber wieder will es Jacquot nicht gelingen, die verschiedenen Handlungsstränge zu einem überzeugenden Ganzen zu runden.
Der junge Schriftsteller Bertrand (wie immer ungemein attraktiv: Gaspard Ulliel aus Hannibal Rising) nutzt den Tod eines älteren Kollegen, dem er als Callboy hin und wieder zu Diensten war, um sich dessen letztes Manuskript für ein Theaterstück anzueignen. Das Stück wird ein Erfolg und macht Bertrand berühmt, begehrt und arrogant. Bei einem Besuch in seinem Chalet überrascht Bertrand einen Freier mit einer reifen Prostituierten, Eva (Isabelle Huppert), die ihm eines über den Schädel gibt, bevor er sie hinausschmeißen kann. Kurz vor der Premiere des Theaterstücks in Annecy am Rande der französischen Alpen entdeckt Bertrand Eva in anderer Aufmachung im Spielcasino wieder, wo sie das Geld eines reichen Kunden verspielt. Von nun an wird die kühle, distanzierte Eva Bertrands Muse, die ihn auf eigentümliche Weise dazu inspiriert, den nächsten Roman oder das nächste Stück zu schreiben.
Denn Bertrand hat Druck von seinem Verleger, bald etwas Neues vorzulegen. Also nähert sich Bertrand Eva als Kunde an und beginnt, kleine Psychospielchen mit ihr zu spielen. Die knappen, pointierten Gespräche übernimmt er teils Wort für Wort in sein nächstes Werk. Im Gegensatz zu seiner Freundin, die ihn gerne bald heiraten möchte, offenbart Bertrand seinem Verleger die Wahrheit – wobei das eine wie das andere zu Verwicklungen führt, die für alle Beteiligten schwerwiegende Folgen haben. Vor allem täuscht Bertrand sich darin, als junger, energiegeladener Mann mit Prostitutionserfahrung Kontrolle und Macht über die ältere Frau zu haben, die sich als Callgirl verdingt.
Das alles bietet hervorragende Voraussetzungen für einen Neo-Noir-Thriller, der vermittels seiner Konflikte quasi nebenbei die Geschlechter- und Generationsverhältnisse in Liebesdingen hinterfragt bzw. auf den Kopf stellt. Doch leider gelingt es Benoit Jacquot lediglich, einen halbwegs kurzweiligen Psychothriller zu erzählen, bei dem man sich oft fragt, wie es wohl weitergeht. Doch auf die ganze Länge gesehen zerfällt seine Story in zu viele Einzelaspekte, von denen manche zum Spannungsaufbau eingesetzt, aber nicht zu Ende gedacht und erzählt werden. Dies betrifft insbesondere den Klau des geistigen Eigentums durch Bertrand ganz am Anfang, der danach nie wieder eine Rolle spielt, und den heiklen Besuch des neugierigen Verlegers bei Eva, der ebenfalls völlig verpufft. Desgleichen wird das Netz, in der die Figuren teils ohne Kenntnis voneinander verbunden sind, dramaturgisch nicht effektiv genutzt – die Handlungsstränge zerlaufen ins Nirwana.
Sehr schade, denn aus dieser Vorlage hätte man ein sehr zeitgemäßes, gehaltvolles Beziehungsdrama entwickeln können, das mehr ist als nur ein "Und dann passiert das und dann noch das".
Bewertung:
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Eva | (C) MACASSAR PRODUCTIONS - EUROPACORP - ARTE France CINEMA - NJJ ENTERTAINMENT - SCOPE PICTURES / Guy Ferrandis
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Max-Peter Heyne - 18. Februar 2018 ID 10526
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinale.de
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