ERÖFFNUNG
Isle of Dogs
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Der zuletzt (nach meiner bescheidenen, aber zutreffenden Meinung zu Unrecht) viel kritisierte BERLINALE-Leiter Dieter Kosslick hat sich und uns zur Eröffnung einen großen Gefallen getan, indem er den neuen Geniestreich des US-amerikanischen Regie-Exzentrikers Wes Anderson - Isle of Dogs - platziert hat. Anderson, neben Jim Jarmush, Woody Allen und Namensvetter Paul Thomas Anderson der begabteste Autorenfilmer in den USA, hat nach vielen Jahren (Der fantastische Mr. Fox, 2009) mal wieder einen Puppentrickfilm in der altmodischen Stop-Motion-Technik inszeniert, bei der die Puppen für jedes Einzelbild um Winzigkeiten verändert werden müssen, damit sich später eine flüssige Bewegung ergibt. Sowas dauert, aber das Warten hat sich gelohnt. Wie auch Andersons letzter Spielfilm The Grand Budapest Hotel (2014) wurde auch Isle of Dogs vom Studio Babelsberg koproduziert, das seine anhaltende Flaute bei der Auslastung der Kapazitäten immerhin mit einem wunderschön anzusehenden Trostpflaster versehen kann.
Die vielen farbenfrohen, anspielungsreichen Sets im liebevoll nachgebildeten japanischen Design und die possierlichen Hundepuppen sind eine Augenweise. Ein großartiges Ensemble von US-Stars leiht den Hunden in der Originalfassung ihre markanten Stimmen, die für bestimmte Typen stehen (der Draufgänger und Streuner = Bryan Cranston, der nachdenkliche Bohemian = Jeff Goldblum, der tapsige Sprücheklopfer = Bill Murray, die schöne Schoßhündin = Greta Gerwig usw.). Wir kriegen wohl wieder die üblichen Verdächtigen wie Bully Herbig, Axel Prahl & Co, aber sei’s drum…
Aktuelle politischen Entwicklungen wie die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten verleihen der in einer fiktiven japanischen Stadt spielenden Story unverhoffte Aktualität. Der Film-Bösewicht, der arrogante und korrupte Bürgermeister Kobayashi ist jedenfalls ein Populist reinsten Wassers und setzt wie die Erdogans, Putins und Trumps dieser Welt auf Chauvinismus und Hetze gegen Minderheiten wie - Hunde? Des Menschen treuester und bester Freund? Oh ja, Kobayashi und seine Günstlinge kennen da kein Pardon: Schließlich wollen sie Roboterhunde und Überwachungstechnik verkaufen – da stehen echte Hunde, selbst wenn sie zu Aufpassern dressiert wurden, im Weg.
Mit wissenschaftlichen Tricksereien, die Hundeviren verbreiten, und Propagandalügen treibt Kobayashi einen Keil zwischen Mensch und Tier und lässt die Hunde auf eine Müllinsel vor der Stadt verbringen, wo sie im natürlichen Überlebenskampf elend zugrunde gehen sollen. Nur der kleine Atari, ein mutiger Junge, der ausgerechnet zum Clan der Kobayashis gehört, fliegt zur Insel, um seinen geliebten Vierbeiner Spots zu retten. Gemeinsam mit einer Bande pfiffiger Hunde wehren Atari und Freunde dieAngriffe von Kobayashis Polizeiapparat ab und schlagen sich gemeinsam durch die unwirtlichen Mülllandschaften und verrottenden Industrieparks der Insel.
Nicht immer gelingen Wes Anderson Drehbücher, die neben Charme und Hintersinn auch noch ausreichend Witz und Tempo aufweisen. Aber diesmal kann oft gelacht werden, vor allem wenn man Spaß an den vielen Anspielungen auf die Weltgeschichte im Allgemeinen und die Filmgeschichte im Besonderen hat (bzw. diese überhaupt erkennt). Unschwer kann man das Schicksal der Hunde als das von Flüchtlingen oder Ausgestoßenen einer Gesellschaft identifizieren. Das mag Griesgrämern, die gerne mit der wuchtigen Moralkeule schwingen, für einen animierten Puppenfilm nicht adäquat erscheinen. Aber was spricht dagegen, weniger sozialkritischen Zuschauern auf solche verspielte Weise zu ernsten Themen Gedankenanstöße zu geben?
Das fanatsievolle Design hilft über einige kleinere Durchhänger hinweg, und die japanische Motive adaptierende Musik des Franzosen Alexandre Desplat sorgt für zusätzliche Akzente. Wes Anderson beweist, dass ihm in Sachen Originalität und Aberwitz kaum ein anderer zeitgenössischer Regisseur das Wasser reichen kann. (Kinostart: 10.05.2018)
Bewertung:
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Isle of Dogs | (C) Twentieth Century Fox
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Max-Peter Heyne - 16. Februar 2018 ID 10520
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinale.de
Post an Max-Peter Heyne
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