Berlinale Special 2020
POLICE
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Gerade erst hat der französische Polizeifilm Les Misarables – Die Wütenden für Furore gesorgt und den Finger in die schwärenden Wunde gelegt, die Polizeigewalt gegenüber Minderheiten und Migranten insbesondere in den Banlieues französischer Großstädte gerissen hat. Der neue Film der vielseitigen, in Luxemburg geborenen Regisseurin Anne Fontaine (Nathalie, Coco Chanel) beleuchtet dasselbe Thema noch zentrierter als Die Wütenden aus der Perspektive der Polizei. Dennoch findet Fontaine zusammen mit Drehbuchautorin Claire Barré einen ganz anderen Ansatz, um nicht minder intensiv und kritisch das bisweilen gestörte Verhältnis zwischen Ordnungshütern und Migranten zu beleuchten.
Fontaine zeigt zunächst den Alltag von drei Pariser Polizisten, die mit gelernter emotionaler Distanz zum Erlebten ihre Einsätze durchführen. Die taffe Virginie (Virginie Efira) hat dabei eine persönliche Krise zu verarbeiten, denn die Affäre der Verheirateten mit ihrem afro-französischem Kollegen Aristide (Omas Sy) hat zu einer ungewollten Schwangerschaft geführt. Davon ahnt der dickfällige Erik (Grégory Gadebois) nichts, der routiniert die täglichen Einsätze koordiniert, aber ebenfalls eine Beziehungskrise durchlebt. Nach der Exposition, in der die Stärken und Schwächen der Protagonisten illustriert wurden, verlagert sich das Drama in die Nacht und in einen Streifenwagen, vermittels die drei Polizisten einen ungewöhnlichen Auftrag absolvieren sollen: Weil es an Begleitschutz-Beamten mangelt, sollen Erik, Aristide und Virginie einen Tadschiken zum Flughafen bringen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde und der ins Heimatland abgeschoben werden soll.
Als erste beginnt Virginie, den Einsatz zu hinterfragen, als sie in Papieren erfährt, dass dem Mann in seiner Heimat der sichere Tod droht. Ihre Zweifel beginnt auch Aristide zu teilen, nur Erik bleibt hart und will den Auftrag pflichtgemäß zu Ende bringen. So entspinnt sich dezent, aber nachhaltig ein denkwürdiges Für und Wider an Überlegungen, inwieweit solche Pflichterfüllung inhuman und sinnlos ist, der dem nächtlichen Trip Richtung Flughafen Dramatik verpasst. Anne Fontaine zeigt, dass auch Polizisten nur Menschen sind, aber abseits dieser banalen Feststellung verweist sie auch auf die Problematik, dass bürokratische Normen den Schicksalen von Menschen nicht gerecht werden – sogar jenen nicht, die sie durchzusetzen haben. Der Twist in diesem von leisen Tönen getragenen Film mag märchenhaft sein. Und dass Polizisten erst persönliche Krisen durchleben müssen, also Schwangerschaft, drohende Abtreibung und Ehestress, um zu empathischen Wesen zu werden, mag eine naive Vorstellung sein. Aber die starken Darstellerleistungen und die glaubwürdigen Dialoge fangen diese Zweifel ein Stück weit auf.
Bewertung:
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Police | (C) Thibault Grabherr, FcommeFilm, Cine
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Max-Peter Heyne - 1. März 2020 ID 12046
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de/
Post an Max-Peter Heyne
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