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75. BERLINALE

A Complete Unknown

von James Mangold


Bewertung:    



Zu Beginn von James Mangolds Biopic A Complete Unknown über den jungen Bob Dylan steigt dieser (gespielt von Timothée Chalamet) 1961 mit seiner Gitarre aus einem Wagen und läuft durch das Village von New York. Er sucht sein großes Vorbild, den Folksänger Woody Guthrie, und muss erfahren, dass der auf der anderen Seite des Hudson Rivers in New Jersey im Krankenhaus liegt. Aus New Jersey kommt gerade auch der 20jährige Musiker, aber für sein Idol fährt er auf einen Besuch zurück und spielt ihm seinen Song to Woody vor, den der an Chorea Huntington erkrankte Guthrie (Scoot McNairy), der nicht mehr sprechen kann, mit starkem Klopfen an seinen Nachttisch goutiert.

Da ist etwas, was auch den ebenfalls anwesenden Singer/Songwriter Pete Seeger (Edward Norton) sofort fasziniert. Seeger nimmt ihn mit in sein Haus und damit auch in die Familie auf, wird sein Mentor, führt ihn in die Folkszene New Yorks ein und besorgt ihm erste Auftritte. Später, wenn Dylan schon dabei ist die Regeln der geheiligten Folkfamilie zu „verraten“, wird Seeger ihm sagen, dass er, Dylan, sozusagen mit der Schaufel schafft, was die traditionellen Folk-Musiker zuvor mit der bloßen Hand versucht haben. Die traditionelle Musik einem Massenpublikum näher zu bringen. Man kann die Schaufel aber auch als den Griff zur von den Folk-Puristen verfluchten E-Gitarre verstehen. So geschehen 1965 beim legendären Newport Folk Festival, bei dem Dylan den Folkies den elektrisch verstärkten Blues-Song Maggie‘s Farm entgegen schleudert, gefolgt von Like A Rollings Stone von der legendären LP Highway 61 Revisited. Die Reaktionen des Publikums sind bekannt und werden in Mangolds Film stark dramatisiert dargestellt. Im Grunde verdeutlicht die Songzeile „I ain't gonna work on Maggie's Farm, no more“ die Abkehr von der Folkszene hin zum Rock-Star Bob Dylan.

Der Film behandelt die Zeit zwischen den beiden Ereignissen, zeigt Stationen auf Dylans Weg zum Erfolg, der nicht sofort eintritt. Seine erste Platte mit selbst arrangierten Folk-Traditionals floppt. Der junge Mann ist noch auf der Suche und saugt die Kunstszene des Village mit Kneipen und Musik-Bars in sich auf. Kulisse und Ausstattung von Mangolds Films sind hier sehr auf Originalität und Authentizität erpicht. Das Village der 1960er war im Film der Coen-Brüder Inside Llewyn Davis (2013) über das Scheitern eines fiktiven Folkmusikers noch bedeutend dreckiger. Dort sah man in einer Bar am Ende kurz auch den jungen Bob Dylan bei einem ersten Auftritt. Hier kann man nun den Wandel des Musikers vom complete Unknown (aus Like a Rolling Stone) zum Rock-Star schon rein am Outfit nachvollziehen. Vom Image des Wanderarbeiters zum Dichter und Bohemian mit Ray-Ban-Sonnenbrille und Lederjacke. Der Film stellt einige Wegefährten und Liebschaften Bob Dylans vor. Als Vorlage diente das Buch Dylan Goes Electric! (2015) von Elijah Wald. James Mangolds und Jay Cocks' Drehbuch nimmt sich aber auch einige künstlerische Freiheiten.

Dylan soll das Drehbuch gelesen und auf einer Namensänderung seiner damaligen Geliebten Suze Rotolo bestanden haben. Im Film heißt sie Sylvie Russo, gespielt von Elle Fanning. Sie ist Künstlerin und politische Aktivistin, hat so auch Einfluss auf Dylans Werdegang. Schön auch eine Szene im Film, in der sie und Dylan einen alten Film sehen. Die Alternative wäre eine Picasso-Ausstellung gewesen. Aber Picasso hält Dylan für überschätzt. Selbstvertrauen und Zweifel liegen beim aufstrebenden Künstler eng beieinander. Chalamet gibt ihn immer cool und etwas geheimnisvoll. Dylan hat über seine Vergangenheit einige Legenden gestreut, u.a. die, dass er in seiner Jugend mit einem Rummel umherzog. Auch das thematisiert der Film, wenn Sylvie ihm sagt, dass sie nicht wirklich wisse, wer er sei. In ihrer Abwesenheit intensiviert Dylan seine Arbeits- und Liebesbeziehung zur Folksängerin Joan Baez (Monica Barbaro), eine weitere wichtige Bezugsperson in Dylans frühen Jahren.

Und natürlich singen sie auch die bekannten Hits wie Blowing in the Wind oder It Ain’t Me Babe in Newport und auf gemeinsamen Tourneen, die Dylan zunehmend langweilen. Timothée Chalamet trifft Dylans näselnd-nuschelnden Ton sehr gut, und auch Monica Barbaro hat den Sopran von Joan Baez drauf. Das Duo liebt und zofft sich. Eine zuweilen dramatische On-Off-Beziehung, an der letztendlich auch die Liebe zu Sylvie zerbricht. Zuvor feiert er noch seine erste Erfolgs-LP, auf deren Cover sie noch gemeinsam durchs Village laufen. Immer im Hintergrund läuft auch der politische Sound der Jahre mit Vietnamkrieg, Bürgerrechtsbewegung und Kuba-Krise im TV. Dylans Antwort ist i>The Times They Are a-Changin. Aber er entfernt sich auch immer mehr von seinen Wurzeln und Vorbildern, lernt den Gitarristen Bob Neuwirth (Will Harrison) kennen und nimmt mit ihm, Al Kooper (Charlie Tahan) und Mitgliedern der Butterfield Blues Band Highway 61 Revisited auf.

Bestätigung holt sich Dylan auch beim Freund und Countrymusiker Johnny Cash (Boyd Holbrook). „Wirf ihnen ein wenig Dreck auf den Teppich“, ist die Briefbotschaft des hier immer etwas alkoholisierten Country-Stars, dem Regisseur Mangold mit dem Spielfilm Walk The Line bereits vor 20 Jahren ein Denkmal gesetzt hat. Auch Bob Dylan holt er nicht vom Sockel, lässt dessen Künstlerwerdung aber sehr eindrucksvoll und szenisch gut verdichtet Revue passieren. Schon jetzt kursieren im Netz Artikel zu Fakt oder Fiktion in Mangolds Film. Man kann das aber getrost ignorieren und auch an einer nie stattgefundenen spontanen Live-Session mit Dylan und einem fiktiven schwarzen Bluesmusiker (in der Rolle Big Bill Morganfield, der Sohn von Muddy Waters) in Pete Seegers TV-Show Rainbow Quest Gefallen finden. Auf jeden Fall sollte man den Film, der schon nächste Woche in die deutschen Kinos kommt, im Original und nicht in Synchron-Fassung sehen.



A Complete Unknown von James Mangold | (C) 2024 Searchlight Pictures

Stefan Bock - 21. Februar 2025
ID 15156
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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