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75. BERLINALE

Festivaleröffnung mit Das Licht von Tom Tykwer



Bewertung:    



Die 75. BERLINALE unter der neuen Festivaldirektorin Tricia Tuttle eröffnete mit Das Licht, dem neuen Spielfilm des deutschen Regisseurs Tom Tykwer. Er ist nach 8 Jahren Arbeit an der bekannten TV-Serie Babylon Berlin der erste, den er wieder für das Kino gedreht hat. Gezeigt wurde er nicht im Wettbewerb, sondern in der mit 23 Filmen größer als der BERLINALE-Wettbewerb (19 Filme) ausfallenden Sektion „Berlinale Special“, in der einige internationale Film-Stars wie Timothée Chalamet (als junger Bob Dylan), Benedict Cumberbatch (The Thing with Feathers), Robert Pattinson (Mickey17) und Sam Riley (Islands) mit ihren neuesten Filmen im winterlichen Berlin gastieren. Neben den berühmten Posterboys des britischen und US-amerikanischen Kinos glänzte aber vor allem Tilda Swinton, die zur Eröffnung der BERLINALE den Goldenen Ehrenbären erhielt.

*

Tom Tykwer hat mit Lars Eidinger wenigstens noch einen deutschen Posterboy im Gepäck, auch wenn dieser hier mit durchnässtem Fusselbart und Regenpelle als dysfunktionaler Familienvater nicht ganz so fotogen rüberkommen dürfte. Tykwer wollte sich nach seiner Beschäftigung mit dem Berlin der 1930er Jahre wieder der deutschen Gegenwart widmen. „Er zeichnet das Portrait einer Familie und behandelt dabei die großen Themen unserer Zeit in einer Welt, die taumelt.“ So beschreibt die Tykwers eigene Produktionsfirma X-Filme den Plot, der im dauerverregneten Berlin unserer Tage angesiedelt ist. Vermutlich auch ein Hinweis auf den Klimawandel, der neben Fluchttraumata, Kolonialismus und Entwicklungshilfe sowie Liebes-, Ehe- und Selbstfindungsleid in jeder nur erdenklichen Ausprägung westlicher Zivilisationsstörungen das damit reichlich überfrachtete Themengerüst des Films bildet.

Per Drohne zoomt die Kamera zu Beginn in Berlins Mitte auf einen Wohnblock an der Leipziger Straße, von dessen vielen Fenstern eines durch ein flackerndes Licht erleuchtet wird. Davor sitzt die Syrerin Farrah (Tala Al-Deen), die dort mit anderen geflüchteten Frauen in einer Wohngemeinschaft lebt und regelmäßig eine Art Séance mit einzelnen Mitbewohnerinnen abhält. Es geht dabei um das Begleiten oder auch Loslassen von geliebten Verstorbenen. Das Licht aktiviert eine körpereigene Stimulanz, wie wir erfahren, die heilend wirken soll. Etwas, was die traumatisierte Farrah selbst auch benötigt. Warum, klärt sich erst im Laufe des Films, der sich nun der polnischen Haushälterin der Berliner Familie Engels (ein durchaus sprechender Name) widmet. Nachdem Maja (Agnieszka-Salamon) eben noch die Pizza-Bestellung des mit einem VR-Game beschäftigten Sohn Jon (Julius Gause) entgegengenommen hat, erliegt sie beim Putzen einem Herzinfarkt. Der Pizza-Bote fällt einem vorbeifahrenden LKW zum Opfer. So viel zum Schicksal der hart arbeitenden Dienstleistungsschicht, an der die besserverdienende Mittelschicht zumeist ohne weiteres Interesse vorbeisieht.

Der in einer Werbeagentur arbeitende Vater Tim (Lars Eidinger) radelt durchs regnerische Berlin, wirft daheim angekommen ganz Eidinger-like alle Sachen von sich und läuft dann nackt durch die große Altbauwohnung an der in der Küche liegenden Toten vorbei. Seine Frau Milena (Nicolette Krebitz) steckt in sprichwörtlichen Turbulenzen auf dem Flug von Kenia, wo sie ein finanzierungsgefährdetes Projekt für einen Theaterbau in Nairobis Slums leitet. Erst die nach drei Tagen Durchfeierns mit ihrer drogenverstrahlenden Techno-Bubble wieder heimgekehrte Tochter Frieda (Elke Biesendorfer) entdeckt die auf ihrem Wischmopp Verstorbene. Damit ist die dysfunktionale, ganz auf sich selbst fixierte Familie Engels gut beschrieben, und man könnte zum Wesentlichen übergehen. Nun kommt aber Farrah ins Spiel, die vermittelt durchs Arbeitsamt trotz Überqualifizierung bei den Engels als Haushaltshilfe anheuert. Die studierte Psychologin schafft neben der Putzarbeit, was etliche Therapiestunden (als Paartherapeutin Victoria Trauttmansdorff) nicht vermochten, die Familie fängt wieder an miteinander zu kommunizieren, wenn zunächst auch recht lautstark.

Und hier ist einiges aufzuarbeiten. Was einen zweiten Film füllen würde, wird hier auf gut 160 Minuten ausgewalzt. Frieda hat einen Schwangerschaftsabbruch und Probleme mit der sexuellen Identität. Nebenbei hängt sie mit ihrer Aktivistengruppe auch mal als Klimaopfer von einer Autobahnbrücke. Der in seiner Gamingwelt lebende Jon fürchtet sich vor einem Treffen mit einer Gamingpartnerin im real Life. Das überbordende Familiendrama hat dabei durchaus seine komischen Momente. Man sieht Eidinger auch gerne zu, wenn er um seine Selbstverständlichkeit als Mann ringt und mit einer ihn anbaggernden Kollegin eine wilde Verfolgungsfahrt mit dem Rad durchs nächtliche Berlin unternimmt. Später wird er dann im Job durch ein diverseres, weiblicheres Personal ersetzt. Nicolette Krebitz muss die durch schwere Geburt traumatisierten Mutter geben, die Versagensängste zur Flucht in den Job und in Beziehungsneurosen zwingen. Sie hat noch einen weiteren Sohn Dio (Elyas Eldridge), der wöchentlich zwischen seinem kenianischen Vater Godfrey (Toby Onwumere) und den Engels pendelt. Auch das eine nicht gerade unkomplizierte Beziehung.

Und so bekommt hier jeder der verzweifelten Wohlstandskrüppel seine 5 Minuten Ausbruch aus der grauen Wirklichkeit mit einem Song, einer Tanz- oder Gaming-Choreographie und sogar einem animiertem Walk durch Berlin mit Queens Bohemian Rhapsody, was den Film zwar nicht weiterbringt, aber Tykwers Willen zum mainstreamtauglichen Gesamtkunstwerk unterstreicht. „Mamma mia, let me go!“ Dass dabei das Familientrauma der geflüchteten Farrah zwangläufig in ein esoterisch-fantastisches Finale abdriftet, ist das eigentlich Ärgerliche dieses Films, der den Eindruck eines verunglückten Auftragswerks zum Thema politische Bildung und Aufklärung mit parapsychologischer Nebenwirkung hinterlässt. Herausgekommen ist ein Feel-Good-Movie, das vollends den Anspruch an zeitgemäßes Autorenkino, dem sich Tykwer auch sicher nicht mehr verpflichtet fühlt, vermissen lässt.



Das Licht von Tom Tykwer | (C) Frederic Batier - X Verleih AG

Stefan Bock - 16. Februar 2025
ID 15149
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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