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75. BERLINALE

The Thing with Feathers/ After This Death

von Dylan Southern/ Lucio Castro



Ein glänzend inszeniertes Elend – das ist das Hauptproblem, den beide Filme haben, so unterschiedlich sie auch sonst sind. Es geht um die Verarbeitung von Verlusten und die verschiedenen Phasen von Trauer, woraus sich grundsätzlich keine leichte Unterhaltung machen lässt. Die Regisseure Lucio Castro und Dylan Southern versuchen es aber recht überzeugend, ihre Psychodramen durch Spannung und Mystery in Unterhaltung zu verwandeln. Denn was ist damit gewonnen, wenn das menschliche Elend so authentisch und ungefiltert abgebildet wird, dass es „fast zu schmerzlich ist, um es mitanzusehen“, wie Kritiker Thomas Koebner 1993 über den britischen Film Nackt von Mike Leigh schrieb? Zuschauer/innen jedenfalls nicht. Die meisten dieser Filme wirken zu unattraktiv, lediglich ganz großen Talenten wie etwa Billy Wilder (mit dem Trinkerdrama Das verlorene Wochenende von 1945) oder Andrzej Wajda (mit Der Kanal von 1957) ist hin und wieder gelungen, den negativen Erwartungen an ihre Geschichten entgegenzuwirken.

*

In dem britischen Film The Thing with Feathers buchstabiert Autor und Regisseur Dylan Southern akribisch und mit viel Einfühlungsvermögen die Phasen schwerer Trauer durch, die ein Ehemann und Vater (Benedict Cumberbatch) durchleidet, der mit dem plötzlichen Krankheitstod seiner Frau konfrontiert ist. Die sechsjährigen Zwillingssöhne (Richard & Henry Boxall) zwingen ihn, sich zusammenzureißen und einen Routinealltag aufrechtzuerhalten. Doch wie aus der Psychologie bekannt ist, ist Trauer bei jedem Erwachsenen ein individueller Prozess und erst recht zwischen Kindern und ihren Eltern – was auch hier zu Überforderungen und Missverständnissen und einer vorübergehenden Trennung führt.

Da der Betroffene Buchillustrator ist, fügt Dylan Southern seiner Geschichte eine raffinierte, surreale Ebene hinzu: Eine überdimensionale, schlanke Krähe als Symbol für die depressiven Gedanken bemächtigt sich des Mannes – und damit zeitweise auch der Kinder, die ja dessen Furcht vor der aufdringlichen Krähe zu teilen gezwungen sind. Die monströse und zunehmend aggressiver agierende Schattengestalt droht, sich der Seele des Trauernden zu bemächtigen. Und dann kommt auch noch ein ‚richtiger‘ Dämon dazu, dem ein Mann in Agonie noch zu wenig ist. Kämpfe im Fiebertraum sind nun unvermeidlich.

Doch ist des Pudels, pardon, der Krähe Kern, die absolute Zerstörung, kurz das Böse? Jein: zwar existentiell und Furcht einflößend, aber nicht gar so abgründig wie weiland die Verlockungen gegen Faust. Vor allem im letzten Drittel des Films kann man sich an den virtuos inszenierten Leiden und der schauspielerischen Virtuosität von Cumberbatch geradezu ergötzen – was aber die Furcht vor dem endgültigen Schicksal der Figuren dimmt. Der Schrecken wird ästhetisiert, er bleibt schön schrecklich.



The Thing with the festhers | © Anthony Dickenson / The Thing with Feathers Ltd



Bewertung:    



In der amerikanischen Independent-Produktion After This Death von Autor und Regisseur Lucio Castro lernt die hochschwangere Ehefrau Isabel (Mia Maestro) einen charismatischen Avantgarde-Musiker Elliott (Lee Pace) kennen, den sie offensiv zu einer Affäre dräng, obschon sie zusammen mit ihrem häufig abwesenden Ehemann Ted (Rupert Friend) in den Wäldern Neuenglands eine harmonische Ehe führt. Aber einige von uns wissen ja, wie unberechenbar viele Schwangere vor der Entbindung sind, die unveränderbare Fakten schafft (also ich jedenfalls spreche da aus Erfahrung, never mind!). Da Elliott zwar physisch häufiger anwesend ist als der Ehemann, aber andererseits immer wieder in seine musikalischen Sphären entrückt, trennt sich Isabel. Das ist der sehr gelungene erste Teil des Films.

Kurz darauf verlieren Isabel und Ted das Ungeborene, was Isabel schwer zusetzt. Es scheint, dass ihr die Aussicht auf Mutterschaft sehr viel wichtiger war als die Beziehung zu Ted. Die unstillbare Sehnsucht, wenigstens mit Elliott über ihren Zustand zu kommunizieren, wird schließlich gänzlich unmöglich, als dieser einen Autounfall hat und seine Leiche in einem Fluss verschwindet. Ausgerechnet jener Fluss, in den sich Isabel in suizidaler Absicht gestürzt hat, die aber gerettet wird.

Fortan ist Isabel mit unheimlichen Phänomenen konfrontiert, Skurrilitäten, aber auch Bedrohungen, die ihr physisch immer näherkommen. Sind es Fantasien einer Traumatisierten oder stecken die aufgewühlten Fans von Elliott hinter den Übergriffen? Leider kann Lucio Castro die psychischen Probleme seiner Protagonistin in dieser zweiten Hälfte nicht überzeugend mit den teils dick aufgetragenen Mystery- und Thriller-Elementen seiner Story verweben. Erst ganz am Ende gelingt dies, unterhaltsam und spannend ist die Mischung aus Psychodrama und Thriller aber allemal.



After This Death | © © Likeliness Increases, LLC


Bewertung:    

Max-Peter Heyne - 25. Februar 2025 (3)
ID 15165
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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= schon gut


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= katastrophal

 


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