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75. BERLINALE

Was Marielle weiß

Buch und Regie: Frédéric Hambalek


Bewertung:    



In der gymnasialen Mittelstufe sollten ich und meine Mitschüler (reine Jungsklasse!) einen Aufsatz zum Thema „Soll man immer die Wahrheit sagen?“ schreiben. Ich erinnere mich deshalb so gut daran, weil ich mir in einem ungewöhnlichen Aufwallen jugendlicher Arroganz dachte „Was für eine dämliche Fragestellung!“ Ich war enttäuscht von dieser scheinbar provozierenden, tatsächlich aber flachen, unoriginellen Frage – zumal der damalige Deutschlehrer ganz sympathisch war. Er musste doch wissen, dass wir viel zu jung und unerfahren waren, als dass wir die moralischen und philosophischen Untiefen rund um das Thema Lügen auf wenige Seiten und überzeugende Weise hätten ausloten können.

Der deutsche Drehbuchautor und Regisseur Frédéric Hambalek lotet genau diese Untiefen in seiner Tragikomödie Was Marielle weiß aus, die einer der wenigen deutschen Filme im Berlinale-Wettbewerb 2025 ist. Eine gute Wahl, denn diese ebenso amüsante wie hintersinnige Farce bietet nachdenkliche, philosophische Töne ebenso wie skurrile Situationskomik. Hambalek – bisher als Drehbuchautor bekannt – ist ein Name, den man sich merken muss, denn er besitzt die in Deutschland seltene Gabe zu gutem Timing, Witz und Pfiff.

Die Frage, inwieweit die eigenen Eltern jenseits ihrer seriösen Behauptungen und ihren Verhaltensweisen tatsächlich glaubwürdige Personen sind, stellt sich für die pubertierende Marielle (Laeni Geiseler) auf dramatische Weise: Nach einer Ohrfeige einer Mitschülerin verfügt sie plötzlich über telepathische Fähigkeiten und kann alles sehen und hören, was ihre Eltern tun. Die wollen das Phänomen zunächst nicht wahrhaben, geraten dann aber, als sich die ungewöhnliche Fähigkeit ihrer Tochter bestätigt, in Erklärungsnot: zunächst ihrer Tochter gegenüber, dann auch miteinander. Denn wie wir alle neigt das Paar gelegentlich, aber regelmäßig zu Übertreibungen, Schummeleien und Vertuschungen.

Konfrontiert einen die eigene Tochter mit all den Alltagslügen im Detail, ist das mehr als nur eine Peinlichkeit: die Rollen von Erziehenden und Mündel kehren sich um, und die Fassade der Aufrichtigkeit und Seriosität der bisherigen Respektspersonen bricht in kürzester Zeit komplett zusammen. Da mag die Mutter (Julia Jentsch) auch noch so fest behaupten, dass der Flirt mit ihrem Arbeitskollegen eine natürliche, harmlose Sache sei: Wenn die Tochter jedes Wort und jede Regung mitbekommt, dann weiß sie auch um die Ernsthaftigkeit, die dem Flirt zugrunde liegt. Der generell etwas überfordert wirkende Vater (großartig: Felix Kramer) bemüht sich Autorität zu verkörpern, aber seine Tochter weiß eben auch, dass dies bloße Behauptung ist und er im Beruf versagt.

Der Verlust der Exklusivität am eigenen Leben, den eigenen Geheimnissen und vor allem die Bloßlegung der Ambivalenzen des eigenen Charakters ist für jeden Menschen eine grausige Vorstellung. Für Eltern aber ist es eine Katastrophe, und so herrscht keine Freude über die übersinnlichen Fähigkeiten der Tochter.

Frédéric Hambalek überfrachtet den Film gottlob nicht mit zu vielen moralischen Aspekten, sondern nutzt die schöne Ausgangsidee vor allem für Szenen mit absurder Komik. Sich die Abgründe der Story in allen Konsequenzen vorzustellen, überlässt er auf wohltuende unpädagogische Weise dem Publikum.



Was Marielle weiß von Frédéric Hambalek | © Alexander Griesser

Max-Peter Heyne - 19. Februar 2025
ID 15154
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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