Ein
öster-
reichisches
Meisterwerk
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Bewertung:
1948, drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und zwanzig Jahre nach dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie, ist Der Engel mit der Posaune entstanden, einer der wenigen bedeutenden österreichischen Filme jener Jahre, nach dem Roman des aus dem amerikanischen Exil heimgekehrten Ernst Lothar. Wenn danach gefragt wird, ob es einen spezifisch österreichischen Schauspielstil gibt und was ihn ausgemacht hat, jedenfalls ehe die heimischen Theater, allen voran das Burgtheater, zunehmend deutsche Schauspieler*innen und Regisseur*innen engagierten, kann dieser Film von Karl Hartl als Lehrbeispiel dienen. An ihm haben die Publikumslieblinge der Vorkriegszeit mitgewirkt wie die durch den nationalsozialistischen Propagandafilm Heimkehr diskreditierte, aber unbeschadet verehrte Paula Wessely, wie Attila & Paul Hörbiger, wie Helene Thimig, Hedwig Bleibtreu, Alma Seidler, Adrienne Gessner, Hans Holt, Karl Paryla, der deutsche, aber mit dem Wiener Theater bereits vertraute Curd Jürgens sowie die neuen Stars, deren Karriere eben erst begonnen hatte, wie Maria Schell, Erni Mangold, Oskar Werner und Karlheinz Böhm.
Der Engel mit der Posaune ist eine Familien- und Epochengeschichte, die innerhalb einer Wiener Klavierbauerfamilie von 1888 bis 1945 abläuft. Der Titel bezieht sich auf eine kleine symbolische Skulptur oberhalb des Eingangs zum Wohnhaus der Alts. In der ersten Hälfte des Films, der in den letzten Jahren der maroden Monarchie spielt, mag man an Joseph Roths Radetzkymarsch denken. Ernst Lothar führt seine Chronik weiter, über die Erste Republik zum Zweiten Weltkrieg.
Typisch österreichisch sind der Tonfall sowie eine Nonchalance, die das Großbürgertum der Aristokratie abgeschaut hat und die auf der Bühne und eben auch im Film überlebt hat. Das hat einen gewissen Charme, den man mögen oder auch verabscheuen kann. Der Film und insbesondere die ausgerechnet von Paula Wessely verkörperte Figur der aus einer jüdischen Familie stammenden Henriette Alt sind durchgängig geprägt von einer Mischung aus Sentimentalität und Schlagfertigkeit. Nicht nur Henriette, auch viele andere Personen scheinen insgeheim zu leiden und ihre wahren Gefühle zu unterdrücken. Wie bei Joseph Roth gibt es eine verborgene Verklärung der Monarchie, die im Gegensatz steht zu Holocaust und Weltkrieg. Dass sie unwiederbringlich historisch überholt ist, kann und will auch Ernst Lothar nicht verhehlen. Der Kritiker Hans Weigel sagte einmal, die Republik habe sich in Österreich zwar bewährt, aber nicht eingebürgert. Das gilt für den Engel mit der Posaune ebenso wie für die politische Wirklichkeit weit über 1945 hinaus.
Der Film endet gut katholisch mit Beethovens "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre". Zuvor aber sieht man ein an ein Plagiat grenzendes Zitat aus Max Ophüls’ Verfilmung von Arthur Schnitzlers Liebelei von 1933, in der Paul Hörbiger bereits eine Hauptrolle gespielt hat, nachdem bereits eine Duell-Szene an den österreichischsten aller Nicht-Österreicher erinnert hat. So schlägt die Filmgeschichte einen Bogen über die Zeit von Der Postmeister und Heimkehr hinweg.
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Thomas Rothschild – 1. August 2022 ID 13736
https://www.filmarchiv.at/bestellen/shop/der-engel-mit-der-posaune-2/
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