Der Anti-Loach
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Bewertung:
Blickt man auf den britischen Film der vergangenen Jahre zurück, so denkt man in erster Linie an die hyperrealistischen Filme aus dem proletarischen Milieu von Ken Loach und Mike Leigh, die wiederum in einer weiter zurück reichenden britischen Tradition stehen. Aber es gab auch das diametrale Gegenstück, den hochartifiziellen, formalistischen Film. Da wäre als erster der Regisseur Peter Greenaway zu nennen und unter seinen Werken gleich der erste abendfüllende Spielfilm, Der Kontrakt des Zeichners. Im Gegensatz zu den Filmen von Loach und Leigh spielt Der Kontrakt des Zeichners im feudalen Ambiente des 17. Jahrhunderts. Ein Zeichner – ein „draughtsman“ – bekommt von der Frau eines Gutsbesitzers den Auftrag, in zwölf Tagen zwölf Zeichnungen seines Hauses und des ihn umgebenden Gartens zu verfertigen. Stand und Vermögen machen ihn von seinen Auftraggebern abhängig, aber er stellt seine Bedingungen. Dazu gehört das tägliche Treffen „zu seinem Vergnügen“ mit der Hausherrin. Nach und nach dringt in die scheinbar ereignislose Fabel eine Art Krimi, dessen Ende mit einer rätselhaften durch den Film wandernde Statue entfernt an Don Giovanni erinnert.
Die archaisierende Sprache, die gezierten Umgangsformen, die Perücken bieten Greenaway reichlich Gelegenheit für Manierismus und Preziosität, aber auch für surrealistische Einschübe und eine das Rokoko beschwörende Frivolität, die Loach und Leigh sich nicht gestatten würden. Zum Erfolg seines Films, der übrigens mit einem Minibudget von 300.000 Pfund auskam, auf 16 mm gedreht wurde und ursprünglich eine Länge von drei Stunden hatte, hat ohne Zweifel die Musik von Michael Nyman wesentlich beigetragen, die auf Originalität zugunsten einer täuschenden Imitation von Komponisten der Epoche verzichtet. Sie schmiegt sich in die langen statischen Einstellungen und eine Bildgestaltung, die hemmungslos „schön“ ist, von Malerei inspiriert, wie etwa Stanley Kubricks sieben Jahre zuvor entstandene Literaturverfilmung Barry Lyndon. Greenaways Drehbuch indes ist eine Eigenerfindung, also ein Fake insofern, als es sich den Anschein einer Patina gibt, die es nicht haben kann.
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Thomas Rothschild – 26. Mai 2019 ID 11437
Weitere Infos siehe auch: http://www.studiocanal.de/dvd/der_kontrakt_des_zeichners-digital_remastered
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