Im Opium-
rausch
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Bewertung:
Streaming anstelle einer Vorstellung im Theater: das gleicht dem Foto eines blühenden Kirschbaums anstelle des Kirschbaums selbst. Es ist weder Theater noch Film. Der Film aber ist eine eigene Kunstform mit ihren eigenen Regeln und Möglichkeiten. Und die DVD bringt ihn, wenngleich verkleinert, ins Haus. Das war nicht geplant, aber in der gegenwärtigen Situation dürfen wir feststellen: die DVD liefert eine der wenigen verbliebenen pandemieresistenten Optionen des unverfälschten Kunstkonsums.
Die verdienstvolle Edition Filmmuseum hat nun einen weiteren Stummfilm in der gewohnt hohen technischen Qualität herausgebracht. Sie geht den umgekehrten Weg der modischen „Überschreibungen“ auf der Bühne. Sie will es nicht besser wissen als die Autoren, sondern sie bemüht sich, in lobenswerter Bescheidenheit und Einsicht in die eigenen Begrenzungen, die durch die Zeit und die Umstände beschädigten Intentionen der Autoren zu rekonstruieren. Was bei der Bildenden Kunst gängige Praxis ist, die Restaurierung, wendet sie auf den Film an und rettet so vor dem Verfall, stellt wieder her, was ansonsten für immer verloren wäre.
Und was jene Theaterliebhaber angeht, die eigentlich Filmverächter sind: wo, wenn nicht in solchen Dokumenten, könnten sie sich authentisch über die Kunst legendärer Schauspieler wie Werner Krauß informieren? Interessiert nicht? Das wäre so borniert, als ignorierte ein angeblicher Literaturliebhaber Balzac, Tolstoi oder Virginia Woolf. Bei allem Respekt: auch ein Jens Harzer hat eine Vorgeschichte. Übrigens: Werner Krauß bedient sich für die Darstellung des chinesischen Schurken der gleichen Mittel wie 22 Jahre später in dem berüchtigten Jud Süß. Will sagen: der Film konnte für seine antisemitischen Ziele auf Modelle zurückgreifen, die lange vor dem Nationalsozialismus vorgeformt waren.
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Opium von Robert Reinert wurde 1918 gedreht und 1919 uraufgeführt. Das Thema der Opiumsucht und ihrer Bekämpfung ist verknüpft mit einer privaten Geschichte von Untreue und Eifersucht. Zu den filmischen Herausforderungen gehören die erotischen Phantasien im Opiumrausch, eher naive Reigenszenen von elfen- und faunartigen Wesen, untermischt mit Erinnerungen des Träumenden.
Die Hauptrolle spielt Eduard von Winterstein, eigentlich von Wangenheim. Conrad Veidt war 1919 noch nicht der Star, der er ein Jahr danach durch die Rolle des Cesare in Das Cabinet des Dr. Caligari und später als Major Strasser in Casablanca wurde.
Der Sensationscharakter von Opium setzt die Tradition des Feuilletonromans des 19. Jahrhunderts, eines Eugène Sue oder eines Alexandre Dumas fort. Wer aus heutiger Sicht den tendenziell rassistischen Exotismus ablehnt, den Opium mit Madama Butterfly oder Turandot des Zeitgenossen Puccini sowie mit dem Film Das indische Grabmal teilt, und es anstößig findet, wenn „Weiße“ Chinesen und Inder oder vielmehr deren Karikatur darstellen, muss freilich passen. Wer außerstande ist, historisch zu denken, muss sich tatsächlich auf die Gegenwart beschränken – mit dem Risiko, dass sie schon morgen verpönt ist.
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Thomas Rothschild – 23. März 2021 ID 12826
DVD-Link zu Opium von Robert Reinert
Post an Dr. Thomas Rothschild
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