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Festival

Die Liebe in Zeiten des Kalten Kriegs

Festivaleröffnung mit COLD WAR (Regie: Pawel Pawlikowski)


Bewertung:    



Mit Cold War – Der Breitengrad der Liebe [Kinostart am 22. November] eröffnete gestern das FILM FESTIVAL COLOGNE 2018.

Regisseur Paweł Pawlikowski ist auch der Gewinner des diesjährigen Hollywood Reporter Awards des Kölner Festivals, und Cold War wird für Polen ins Rennen um den Auslands-Oscar geschickt. Diesen Oscar und viele andere Preise hatte Pawlikowski schon 2013 für Ida gewonnen, und so ist die Erwartungshaltung für sein neues Werk groß.

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In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg fahren die Musikexperten Wiktor (Tomasz Kot) und Irena (Agata Kulesza) durch das zerstörte Polen und machen Tonaufnahmen von traditionellen Gesängen der Landbevölkerung. Es soll ein Musik- und Tanz-Ensemble entstehen, das den im Aufbau befindlichen Arbeiter- und Bauernstaat repräsentieren soll. Die Aufnahmebedingungen sind hart, und so werden im Auswahlverfahren nur die Besten angenommen. Auf den ersten Blick interessiert sich Wiktor für die erfolgreiche Bewerberin Zula (Joanna Kulig), mit der er eine heimliche Affäre beginnt. Sie können beide nicht miteinander leben, aber auch nicht ohne einander. Als das mittlerweile berühmte Ensemble in Ost-Berlin gastiert, wollen sie nach West-Berlin fliehen. Als Zula nicht erscheint, macht sich Wiktor allein auf den Weg und lässt sich in Paris nieder. Wiktor und Zula versuchen ohne einander auszukommen, doch als das Ensemble in Paris auftritt und die beiden sich wiedersehen, flammt die alte Liebe wieder auf. Zula schafft es nicht, auf Dauer im Ausland zu bestehen, und so folgt Wiktor ihr zurück nach Polen, wo er sich wegen seiner Republikflucht zu verantworten hat...



Zula (Joanna Kulig) und Wiktor (Tomasz Kot) können nicht mit und auch nicht ohne einander leben | © Neue Visionen Filmverleih


Der Film ist Pawlikowskis Eltern gewidmet, die eine ähnlich Odyssee hinter sich hatten. Pawlikowski wurde 1957 in Warschau geboren, lebte seit seinem 14. Lebensjahr aber in verschiedenen westeuropäischen Ländern. Er engagierte erneut den Kameramann Łukasz Żal, der schon Ida gefilmt hat, und das Team entschied sich wieder für Schwarz-Weiß und das fast quadratische 1:1.37-Bildformat. In beiden Filmen visualisiert es die einengende und überkommende Einschränkung von Ideologien, bei Ida war es der Katholizismus, der in fast statischen Bildern festgehalten wurde, bei Cold War ist mehr Bewegung innerhalb des engen Bildrahmens, da die Protagonisten versuchen, sich dem engen Korsett des stalinistisch geprägten Kommunismus' zu entziehen. Das Drehbuch wirft lediglich Schlaglichter auf die Beziehung und die politischen Hintergründe, sodass nur die intensiven und relevanten Momente erzählt werden, die auch filmisch sehr ökonomisch umgesetzt sind. Vieles wird nur angedeutet, was das Einwirken des Staatsapparates bis ins Intimste um so bedrohlicher macht.

Die Musik als Ausdruck dieser großartigen Kultur spielt eine wichtige Rolle, und es gibt wohltuenderweise keine untermalende Filmmusik. Die traditionellen Gesänge sind dem Repertoire der real existierenden Gruppe Mazowsze nachempfunden, die damals einseitig die Lieder des zentralpolnischen Masowiens vortrug, heute aber Lieder und Tänze vieler ethnografischer Regionen inszeniert. - Als die fiktive Gruppe im Film genötigt wird, u.a. Hymnen auf Stalin zu singen, wird es für Wiktor immer schwieriger in Polen zu bleiben. Wiktor liebt Jazz, der ist aber von den Stalinisten verboten. Die Jazzarrangements schrieb und spielte der polnische Avantgarde-Musiker Marcin Masecki, der die Stücke auch selbst arrangierte.

Ida war der erste Film, den Pawlikowski in Polen drehte, und seitdem lebt er zumindest zeitweise in seiner alten Heimat und ist dort als Dozent tätig. Das Drehbuch schrieb er zusammen mit dem polnischen Dramatiker Janusz Głowacki, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist, und dem Schriftsteller Piotr Borkowski. Liebesgeschichten, bei denen die Partner nicht miteinander und auch nicht ohne einander leben können, gibt es viele. Hier spielt noch der Druck eines Regimes mit, unter dem die Menschen sich einer Ideologie unterzuordnen haben und ihre Persönlichkeit nicht entfalten können. Für einen international orientierten Jazzmusiker ist das schwer. In Paris kann sich Wiktor zwar musikalisch entwickeln, aber ohne Zula ist er einsam. Zula kann aber nur in ihrer Heimat leben bzw. auch wieder nicht, denn sie ist unglücklich mit einem Spitzel verheiratet. Die Zwänge und Repressalien werden zu viel für sie. Für den dauerhaften Schritt in die Freiheit, die auch gleichzeitig die Fremde bedeuten würde, fehlt ihr schlussendlich der Mut. Der Film dreht sich um die Frage, wie und ob man im Exil sich und seiner eigenen Kultur treu bleiben kann, was natürlich auch für Diktaturen gilt. Inspiriert von den Lebensgeschichte seiner Eltern ist dem Regisseur ein intensiver und originärer Film gelungen, der schon viel Aufmerksamkeit erregt hat. In Cannes 2018 wurde Pawlikowski als bester Regisseur ausgezeichnet.

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Beim FILM FESTIVAL COLOGNE 2018 ist Cold War übrigens in guter Gesellschaft: Loro von Paolo Sorrentino über Berlusconi, Lars von Triers The House That Jack Built, Sönke Wortmanns Der Vorname, Chris Martins Dokumentation über die getötete Kriegsreporterin Marie Colvin u.v.m.

Helga Fitzner - 6. Oktober 2018
ID 10958
Weitere Infos siehe auch: https://filmfestival.cologne/


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