ASIA ARGENTO
MISSVERSTANDEN
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Asia Argento - Foto (C) Rapid Eye Movies
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Sie wollen die Schauspielerei wirklich aufgeben?
Asia Argento: Ich will in Zukunft nur noch Regie führen, weil ich an dem Metier Schauspiel nach und nach das Interesse verloren habe. Ich will nicht mehr ein Objekt sein und lieber andere Ausdruckmittel nutzen, die meiner persönlichen Entwicklung mehr entsprechen als immer dieselben Rollen zu spielen. Jetzt geht es mir mehr darum zu zeigen, wer ich wirklich bin anstatt zu zeigen, was ich alles kann.
Aber die Filme waren immer sehr verschieden.
A. A.: Die Filme schon, aber ich hatte darin nur Variationen von einem Typus zu spielen. Ich musste oft Prostituierte spielen, psychisch Kranke und so weiter. Das ist nicht ein Kleidungsstück, das man sich anzieht und wieder abstreift. Es prägt einen schon stärker als man möchte und beeinflusst das eigene Leben wie eine Krankheit. Das nimmt Monate deines Lebens in Anspruch und frisst dich auf.
Im Internet sind so viele Bilder von Ihnen zu sehen, als seien Sie eine Ikone.
A. A.: Ja, das stimmt – ich habe dieses spezielle Bild von mir selber erschaffen, das mit meiner Person sehr wenig zu tun hat. Ich bin seelisch verkrüppelt aufgewachsen, total verschüchtert.
Sie haben für all diese Fotos posiert, weil Sie schüchtern waren?
A. A.: Ja, ich habe mich einer Szene angeschlossen, die mich hofiert hat und bei der ich im Mittelpunkt stehen konnte. Als ich Teenagerin war, wurde ich immer erfolgreicher darin, ein anderes Bild von mir nach außen zu liefern, denn mit meiner schüchternen und gehemmten Art konnte ich in der Außenwelt nicht bestehen. Die Menschen liebten das andere Image, das ich kreiert hatte, sie waren verrückt danach. Dieses Bild wurde wie eine andere Haut. Aber es deckte sich nicht mit dem, was ich wirklich bin, was geradezu wie eine psychotische Verzerrung wirkt, weil die Anderen denken, man müsste doch so sein wie das Bild, das man konstruiert hat. Noch dazu beeinflusst dieses andere Image auch das eigentlich Selbst, und man muss sich immerfort verstellen. Und das hieß bei mir nicht das brave Kind sein zu können, das sehr verletzlich, zerbrechlich, schüchtern und poetisch ist, sondern wie das Monster, das Fotografen und Medienleute verbreitet haben. Als wäre es nicht von dieser Welt, sondern religiös und übermenschlich. Dabei bin ich überhaupt nicht so stark.
Da bin ich verblüfft. Sie wirkten in der Tat wie eine Powerfrau.
A. A.: Ich bin eine verdammt Powerfrau, schon weil ich dieses Image konstruiert und durchgehalten habe. Ich kann mich mit meinen Waffen wehren. Aber ich will dieses Biest nicht mehr fürchten, dass ich mir erschaffen habe, es soll jetzt ruhen. Ich weiß, dass klingt überraschend.
Ich war auch sehr schüchtern und bin deshalb intellektuell geworden, um Leute – also: Frauen – zu beeindrucken.
A. A.: Ich war als junger Mensch auch sehr intellektuell, wissbegierig und las sehr viel. Egal, was sonst war, bin ich doch immer sehr neugierig gewesen und habe mir ständig Informationen beschafft. Das war für mich als kreative Person sehr entscheidend, aber es wirkte nicht nach außen. Diese Neugier war ein besseres Leben als das, in das ich hinein geflüchtet bin – ich bin ein Flüchtiger. Das beweist Ihnen, dass man nicht aufgrund äußerer Erscheinungen auf den Charakter schließen darf. Bei anderen wird das Image bisweilen so wichtig, dass sie süchtig danach werden, so gesehen und beurteilt zu werden. Das Image verselbstständigt sich dann wie ein Monster, ein Ego-Trip.
Das bedeutet, dass Sie sich jetzt von Ihrem bisherigen Leben emanzipieren?
A. A.: Ach, eine emanzipierte Frau war ich schon immer. Ich würde es eher eine geistig-spirituelle Weiterentwicklung nennen, wenn ich nur noch Regisseurin sein möchte.
Deshalb haben Sie auch [in Missverstanden] die Geschichte eines Mädchens erzählen wollen, das sich weiterentwickelt und von den Eltern distanzieren muss?
A. A.: Nein, ich fing schon an, am Drehbuch zu schreiben, als ich noch ganz und gar in meinem vorigen Zustand befangen war – als ich ziemlich verwirrt war, ehrlich gesagt, nicht sehr glücklich, zornig. Es war keine Depression, eher fühlte ich mich wie in einem Glaskäfig. Ich war verheiratet, die Ehe war jahrelang nicht glücklich, traurig. Die Entscheidung zu treffen, nur noch Regie zu führen, hat mich weitergebracht als all die anderen Dinge zuvor.
Ihr Film verfügt über eine schöne tragikomische Balance. Er erzählt eine sehr tragische Geschichte oft auf eine sehr komische Art, gleichzeitig ist man froh, wenn man das Schicksal des Mädchens nicht teilen muss.
A. A.: Ich glaube, jede Kindheit besteht aus solchen tragikomischen Momenten – zu einem gewissen Grad. Wenn jemand von einer glücklichen Kindheit erzählt, dann hat er schlechte Momente verdrängt. Denn jeder erlebt irgendwann einmal mehr oder weniger traumatische Situationen. Ich habe solche Situationen immer wieder in meinem Kopf durchlebt, psychologisch. Als ich die Geschichte des kleinen Mädchens schrieb, habe ich an meine eigene verwickelte Kindheit gedacht, aber ich hatte meinen Eltern schon vergeben. Das Mädchen im Film akzeptiert die Verhaltensweisen seiner Eltern, weil es das nicht anders kennt und es sieht sich auch nicht als Opfer. Ich wollte es auch nicht als Opfer zeigen, das ständig nur leidet – und am Ende haben wir ja auch den Eindruck, dass es das schon irgendwie schaffen wird. Es gibt in jeder Kindheit diesen Moment der Bewusstwerdung über das eigene Schicksal, diesen Umbruch im Leben, der in das Erwachsenenleben führt. Davon wollte ich erzählen.
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Asia Argento (re.) mit ihrem Interviewer Max-Peter Heyne - Foto (C) MPH
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Interviewer: Max-Peter Heyne - 26. Januar 2015 ID 8391
Filmkritik zu Missverstanden: http://www.kultura-extra.de/film/filme/filmkritik_missverstanden.php
Post an Max-Peter Heyne
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