Regisseurin Julia von Heinz und Hauptdarstellerin Karoline Schuch über die Dreharbeiten zu Hannas Reise
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Das ist Karoline Schuch - Foto (C) Zorro Film
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Drehen bis zum Luftangriff
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Das Drehbuch zu Hannas Reise habe im ersten Stadium „mehr von einer Romantic Comedy gehabt“, berichtet die Regisseurin der Tragikomödie, Julia von Heinz (37), und zielte stärker auf die Liebesgeschichte zwischen der jungen Deutschen Hanna (Karoline Schuch) und ihrem adretten Kollegen Itay (Doron Amit) ab. Doch „in einem langen Prozess“ strichen von Heinz und ihr Koautor John Quester viele dieser Szenen heraus, entfernten sich noch stärker vom eher „thrillermäßigen“ zugrundeliegenden Roman „Das war der gute Teil des Tages“ von Autorin Theresa Bäuerlein und konzentrierten sich auf die „Selbstfindungsgeschichte der Hanna“. Denn von Heinz erkannte, dass die vielen ins Politische und Historische reichende Themen die eigentliche Story – eben Hannas Reise – „zu verwässern“ drohten. Deshalb wurde auch darauf verzichtet, das Schicksal der über neunzigjährigen Gertraud zu schildern (gespielt von einem der ältesten israelischen Theaterstars, Lia Koenig), der Hanna im Film als Überlebende des Nazi-Völkermordes Besuche abstattet, was beide zunächst eher pflichtschuldigst absolvieren.
„Ich wollte nicht eine Art Holocaust-Automat liefern, der alles genau erklärt“, so von Heinz. Abweichend von bisher üblichen Vorgehensweisen wollte sie bewusst „neue Aspekte des deutsch-israelischen Verhältnisses“, das nun einmal „neurotisch“ sei, in den Mittelpunkt stellen, um „die heutige Zuschauergeneration anzusprechen“. Sie wollte Dingen nachforschen, sagt von Heinz, die sie als Deutsche mit teilweise jüdischen Wurzeln „ohnehin schon seit langem beschäftigen“, nämlich, „welche Auswirkungen die Verbrechen des Faschismus heute noch auf uns haben“ und „welche Lehren die nachfolgenden Generationen daraus gezogen haben“. Hanna steht dabei stellvertretend für eine verantwortungsbewusste, aber auch leicht überforderte Deutsche, denn sobald man in „die Arena Israel tritt, macht das etwas mit einem“, sagt von Heinz. Sie entschloss sich zu einem Erzählkonzept, in dem Hanna „in jeder einzelnen Einstellung zu sehen ist“. Hanna, die „ohnehin wie ein Fremdkörper“ durchs eigene Leben taumelt und „gegen viele Dinge in ihrem Leben Widerstände verspürt“ ist quasi „der Rote Faden, der die vielen Aspekte zusammenhält“, erläutert die Regisseurin.
Von Heinz gibt zu, dass manche Dinge – wie etwa die Nebenfiguren, die für die Friedensdienst-Organisation arbeiten – „dramaturgisch überspitzt, aber im Kern wahr sind“. Dennoch haderte Julia von Heinz während des Drehens auch mit mancher flott und unterhaltsam gemeinten Dialogzeile: „Es gab Momente, in denen mir der komödiantische Umgang unseres Drehbuches mit dem Holocaust peinlich war“, schrieb sie in ihr Arbeitstagesbuch. Nicht alle Israelis können eben über Witzeleien dieser Art lachen. So sehr Julia von Heinz ihre eigenen Kenntnisse über Israel sehr hilfreich waren, war es dennoch eine Herausforderung, in Israel als Regisseurin zu arbeiten, was mit „der südländischen Mentalität des israelischen Teams“, bürokratischen Hemmnissen, aber auch dem Umstand zu tun hatte, eine Deutsche zu sein – wie die Hauptfigur im Film: „Nirgendwo wird man so sehr darauf gestoßen, dass man deutsch ist wie hier“, bilanziert Julia von Heinz.
Schauspielerin Karoline Schuch, die sich zur klimatischen und kulturellen Akklimatisierung schon zwei Wochen vor Drehbeginn nach Israel aufmachte, erinnert sich ebenfalls an „anstrengende“, weil „heiße und laute“ Dreharbeiten, die durch das Sprachkuddelmuddel nicht unbedingt einfacher wurden: „Obwohl es keine ruhige Ecke für mich gab, wollte ich am Ende der Drehzeit gar nicht mehr abreisen – so wie Hanna“, sagt Schuch, denn sie hat „so viele wahnsinnig nette Menschen kennengelernt“, darunter ihren israelischen Kollegen Doron Amit. „Er berichtete mir, dass seine Großeltern auch über die Zeit des Dritten Reiches nicht gesprochen haben“ – also eine ähnliche Sprachlosigkeit zwischen der Kriegsgeneration und den Nachgeborenen herrschte wie im Heimatland der Täter. „Ich war auf harte Konfrontationen gefasst“, sagt Karoline Schuch in Bezug auf das deutsch-israelische Verhältnis, „aber es wurde eher gewitzelt und entspannt damit umgegangen“, berichtet die Schauspielerin. Nach dem Besuch der großen Holocaust-Gedenkstätte in Jad Vashem habe sie erst einmal einige Stunden „auf einer Bank gelegen, um die eindrücke auf sich wirken zu lassen“, sagt Karoline Schuch.
Ganz am Ende der Dreharbeiten gab es dann wegen der Ereignisse zur Grenze des Libanon Luftalarm in Israel, was alle Beteiligten schockiert hat: „Während es mich in die Träume verfolgt hat“, berichtet Schuch, seien die meisten Israelis mit der Bedrohung durch Raketen eher routiniert umgegangen: „Dann merkt man, wie glücklich wir uns in Europa schätzen können, dass wir mit friedlich gesonnenen Nachbarn zusammenleben“, sagt Karoline Schuch, und Regisseurin Julia von Heinz ergänzt: „Erst in Israel selbst wird das besondere Bedrohungspotential und der Druck nachvollziehbar, unter dem das Land zu leiden hat.“ Einige Tage nach dem Luftalarm schrieb sie in ihr Drehtagebuch: „Israel wird nun gegen die Hamas einschreiten, viele Teammitglieder können ab jetzt jeden Moment rekrutiert werden. Irgendwie schafften wir die letzten Einstellungen.“ Und auf dem Rückflug nach Bayern hält Julia von Heinz fest: „75.000 Reservisten zusammengezogen, viele meines Teams sind dabei und ich haue ab, kein gutes Gefühl und doch war ich noch nie so glücklich, in Herrsching zu wohnen.“
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Karoline Schuch in Hannas Reise - Foto (C) Zorro Film
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Max-Peter Heyne - 24. Januar 2014 ID 7544
Weitere Infos siehe auch: http://www.hannasreise.de/
Post an Max-Peter Heyne
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