Kilian Riedhof über seinen Marathon-Film, der sich selbst zu einem das Marathon-Projekt entwickelte
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Das ist Kilian Riedhof | Bildquelle: Wikipedia
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Herr Riedhof, Sie wollen intelligenten Mainstream bieten. Da liegen die Themen Vergänglichkeit und Tod nicht gerade auf der Hand.
Kilian Riedhof: Doch, denn ich finde, das Thema Vergänglichkeit betrifft uns alle. Das Alter kann die Krone des Lebens sein, wenn man die Angst vor dem Ende überwindet. Im Film zeige ich deshalb, wie wichtig es ist, in Würde altern zu können, den Kopf oben zu behalten und nicht aufzugeben. Ich empfand immer schon Respekt gegenüber älteren Menschen. Ich finde es schön, wie die Alten in südlichen Ländern am Marktplatz sitzen und dadurch in das Leben ringsum noch integriert sind. Ich wohne im Hamburger Schanzenviertel, wo es kaum ältere Mitmenschen gibt, das ist schade. Für die Geschichte zu Sein letztes Rennen habe ich wohl meine eigene, ältere Seite befragt.
Sein letztes Rennen fand lange keine Finanzierung und hat eine sehr lange Entstehungszeit, wieso?
K. R.: Vor zehn Jahren galt das Thema Altern noch als schwer verkäuflich fürs Kino, das hat sich bei den Anträgen auf Förderung sicher negativ ausgewirkt. Inzwischen ist das Kinopublikum nicht nur älter geworden, sondern die Älteren gelten als wichtig für die gesellschaftliche Bewältigung der ökonomischen Krisen. Das hat die Entscheidung zugunsten des Films wohl befördert. Insgesamt stand das Projekt sieben- bis achtmal vor dem Platzen, weil Fernsehsender keine Zusagen gaben, Treffen abgesagt wurden usw. Der Druck für mich und meinen Ko-Autoren Marc Blöbaum war schwer auszuhalten, und ich habe mich dann erst einmal anderen Projekten zugewandt. Aber immer, wenn ich aufgeben wollte, war es, als würden die Figuren aus meinem Drehbuch zu mir sprechen und sagen: Nein, das darfst du nicht, du musst es weiter versuchen! Du hast doch selbst im Drehbuch geschrieben, man soll niemals aufgeben und stehen bleiben. Ich sah ein, dass ich die Geschichte des Paul Averhoff für mich auch innerlich abschließen können musste. Das war ein Kraftakt.
So gesehen ist die Arbeit an dem Drehbuch und dem Film auch eine Marathonaufgabe gewesen.
K. R.: Ja, allerdings, die ganzen Mühen passten zur täglichen Trainingsqual unserer Hauptfigur Paul. Wenn man bei einem Stoff in die Tiefe tauchen will, braucht man Kraft, Mut und einen sehr langen Atem.
Wie war die Arbeit mit Dieter Hallervorden? Hatten Sie von Anfang an ihn gedacht?
K. R.: Als wir mit der Arbeit am Drehbuch begannen, war er noch etwas zu jung für die Rolle. Aber dann vergingen die Jahre, und ich habe irgendwann gedacht, es wäre schön, ihn in dieser ernsten Rolle zu sehen. Er war ja lange Zeit als Klamaukmacher festgelegt. Er hat zweifellos ein warmes Herz und sorgt gerne für Lacher, aber dahinter habe ich immer auch eine melancholische Seite an ihm gesehen. Beides ist bei ihm vorhanden und das Eine bedingt das Andere. Ihm hat das Drehbuch sehr gut gefallen, wir waren uns sympathisch, und er hat zugesagt. Nachdem wir uns näher kennengelernt hatten und eine Woche die Rollen geprobt haben, war ich mir dann ganz sicher, dass er die Rolle großartig spielen würde.
Er hat Tatja Seibt selbst als Partnerin vorgeschlagen?
K. R.: Ja, wobei auch sie mir zunächst als zu jung für die Rolle erschien. Sie hat mir dann ein Passfoto vom Fotofix-Automaten zugeschickt, auf dem sie sich eigens auf Alt getrimmt hatte. Entscheidend war, dass die Chemie zwischen Tatja Seibt und Dieter Hallervorden genauso gut und vertrauensvoll ist wie beim Film-Ehepaar Averhoff. Die schauspielerische Harmonie der beiden ist herausragend.
Das Altenheim im Film wirkt zwar zwiespältig geführt, aber nicht als Ort des Grauens.
K. R.: Wir haben uns bewusst entschieden, kein heruntergekommenes Heim zu zeigen, weil das ein anderes Thema aufgemacht hätte. Es gibt ja solche und solche Altenheime, da kann man keine pauschalen Urteile fällen. Viele Heime sind gut ausgestattet, aber noch wichtiger als beispielsweise der hygienische Standard ist letztlich die Empathie, die den alten Menschen zuteil wird. Viele Betreuer arbeiten aufgrund chronischer Unterbesetzung am Limit. Die Leidtragenden sind die Bewohner.
Wie haben Sie beim Berliner Marathon gedreht?
K. R.: Wir zogen an diesem Tag als kleines Filmteam durch die Stadt, haben an verschiedenen Stellen auch mal spontan gedreht, so als seien wir ein Fernsehteam. Die Leute am Rande haben Dieter Hallervorden meist gleich erkannt und mit „Didi, Didi“-Rufen angefeuert, was wir natürlich wegschneiden mussten. Auch in dieser Hinsicht vermischten sich Realität und Fiktion bei diesen Dreharbeiten: Da lief eine Legende, die jeder in Deutschland kennt, als Marathon-Legende für den Film.
Laufen Sie selbst auch Marathon?
K. R.: Nein, ich bin eher fürs Bergsteigen, bei dem man sich auch auspowern kann. Aber ich habe großen Respekt vor jedem, der das mitmacht, denn es ist eine echt fiese Strecke.
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Kilian Riedhof (li.) bei den Dreharbeiten zu Sein letztes Rennen - Foto (C) Universum Film GmbH
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Interviewer: Max-Peter Heyne - 9. Oktober 2013 (3) ID 7240
Weitere Infos siehe auch: http://www.sein-letztes-rennen.de/
Post an Max-Peter Heyne
Interview mit Dieter Hallervorden
Interview mit Heike Makatsch
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