Ein großartiger Dokumentarfilm erinnert an die kleine Szene von DDR-Skateboardfahrern
Marten Persiel im Gespräch
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Marten Persiel - Foto (C) Farbfilm Verleih
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Auf Brettern, die die Welt bedeuten
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Eine Gruppe junger Leute holte sich Anfang der achtziger Jahre ein kleines Stück kalifornischen Lebensgefühls in die DDR, indem sie es den sonnenverwöhnten Amerikanern gleich taten und eigene Skateboards bastelten, auf denen sie ungehemmt über die Straßen und Plätze Leipzigs oder Ostberlins flitzten. Regisseur und Skater Marten Persiel, geboren 1974 in West-Berlin, aufgewachsen in Norddeutschland, ist das Kunststück gelungen, mit This Ain't California nicht nur einen überzeugenden, sondern regelrecht mitreißenden Dokumentarfilm über die DDR-„Rollbrettfahrer“ und ihre freundschaftlichen Kontakte zu westdeutschen Skatern zu drehen. Der auf den Festivals in Berlin und Karlsbad vom Publikum frenetisch gefeierte Film startet ab 16. August in den deutschen Kinos.
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Herr Persiel, wie würden Sie die Wesensverwandtschaft zwischen Skatern aus Ost und West beschreiben?
Es war eine ähnliche Lebenseinstellung, die Begeisterung für das gemeinsame Hobby, das Rebellische, aber auch dieselbe Musik, der Blick nach Amerika. Den Spaß, auf dem Brett zu stehen, aber von der Straße gejagt zu werden, das kannten wir in Ost und West. Ich habe wie alle anderen Skater auch für das erste Brett gespart, aber im Westen bekam man so was auch einfach zu Weihnachten geschenkt, und das ist der große Unterschied. Ich konnte mir vorstellen, wie es gewesen sein muss, dieses Hobby unter schwierigen Umständen zu betreiben. Ansonsten waren wir uns sehr ähnlich, was ja auch dazu führte, dass Freundschaften über die Mauer hinweg gewachsen sind. Die Mauer haben die Skater einfach ignoriert und schon 1989 bei einer gemeinsamen Tour eine Art vorgezogene Wiedervereinigung gefeiert. Nur die echte Mauer musste noch fallen.
Was haben Sie bei den Recherchen noch entdeckt, was Sie vorher nicht über die DDR-Skaterszene wussten?
Vor allem war mir dieser bizarre Aspekt unbekannt, dass die Staatssicherheit einerseits Informanten werben wollte, um Einblicke in die Strukturen der Szene zu gewinnen, aber Sportfunktionäre gleichzeitig versucht haben, das Skaten als Sport groß zu machen und zu instrumentalisieren. Öffentlich wurde Skaten ja abgelehnt, aber unser großes Rechercheteam hat auch Stasi-Dokumente gefunden, die sich wie eine Jobbeschreibung an die Skater lesen, um sie als Leistungselite zu fördern. Das ging aber am Gefühlszustand der Szene völlig vorbei. Insgesamt haben wir diesen Aspekt im Film nur vergleichsweise kurz angesprochen, weil wir mehr vom Lebensgefühl der Skater selber zeigen wollten.
Woher haben Sie diese wunderbaren Super 8-Aufnahmen, die einen Großteil des unterhaltsamen Charakters des Films ausmachen?
Die Hälfte unserer mehrere Jahre dauernden Recherchen haben wir uns z. B. alte DDR-Fernsehsendungen angesehen, ob darin irgendetwas über Skater zu sehen ist. Aber die meiste Zeit haben wir im privaten Umfeld gesucht. Einer der Produzenten, Ronald Vietz, stellte als ehemaliger DDR-Skater die meisten Kontakte her. Wir erhielten einen ganzen Koffer voller Super 8-Rollen von einem früheren DDR-Skater, der auch Hobbyfilmer war, und aus dessen Fundus wir uns bedienen konnten. Dabei möchte ich die besondere Leistung unserer dreier Cutter hervorheben: neben Toni Froschhammer und Bobby Good die sehr junge Maxine Gödicke, die Unglaubliches geleistet hat. Anhand der Super 8-Filme konnten wir dann auch den legendären Dennis zeigen, der im Mittelpunkt des Films steht.
Umgekommen ist Dennis dann ausgerechnet als Bundeswehrsoldat bei einem Afghanistan-Einsatz 2009.
Vor den Dreharbeiten gab es noch einen kurzen Fax-Kontakt, aber persönlich getroffen habe ich ihn vor seinem Tod nicht mehr. Wir haben danach überlegt, ob wir das überhaupt erwähnen sollen, denn ein Problem war, wie man so ein Schicksal ins rechte Licht rückt. Aber die Realität hat uns dann die Dramaturgie quasi vorgegeben, weil zur Beerdigung ihrer ehemaligen Leitfigur alle früheren Freunde aus der DDR-Skaterszene noch einmal zusammengekommen sind. Im Übrigen gab es ja einige krumme Lebenswege gerade bei jenen, die in der DDR eine rebellische Attitüde hatten.
Werden Sie das Thema des Films medial noch in anderer Weise bearbeiten?
Wir überlegen, ob wir nicht den Soundtrack mit den vielen Songs aus den achtziger Jahren veröffentlichen, da wir schon so oft darauf angesprochen wurden. Zumindest die DVD wird auch erscheinen. Ansonsten sollte ich mich nach drei Jahren Beschäftigung für den Film auch mal nach anderen Dingen umschauen.
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DDR-Skateboarder aus den Achtzigern - Foto (C) Harald Schmitt
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Max-Peter Heyne - 11. August 2012 ID 6137
This Ain't California
Dokumentarfilm
Laufzeit: 90 Minuten
Produktion: Wildfremd production
Regie: Marten Persiel
Produzenten: Ronald Vietz / Michael Schöbel
Verleih: Farbfilm Verleih
Casting: Karen Wendland Casting
Weitere Infos siehe auch: http://www.thisaintcalifornia.de
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