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Interview


Ein Käfig voller Narren - der große Berlinale-Publikumserfolg, die Balkan-Komödie Parada (Regie: Srdjan Dragojević), geht todernste Themen mit viel Humor an



Das ist Srdjan Dragojević - Foto (C) Christine Kisorsy




Wenn schon absurd und überdreht, dann aber richtig – so lässt sich die Idee zur Balkan-Komödie Parada umschreiben: Ein homosexuelles serbisches Paar engagiert für ihre Schwulen-Demonstration aus Angst vor Übergriffen einen machohaften, nationalistischen Ex-Soldaten als Personenschützer. Der macht seiner überdrehten zukünftigen Braut zuliebe mit, muss aber zur Unterstützung ehemalige Kriegsgegner aus dem Balkan zusammentrommeln, weil seine eigenen Kumpels sich verweigern. Wie Schwule, Söldner und Tussis Seite an Seite für die Rechte von Minderheiten kämpfen, hat der serbische Autor und Regisseur Srdjan Dragojević zu einer herzerfrischend überdrehten Komödie gestaltet, die in ihren besten, absurden Momenten an Klassiker wie Billy Wilders Eins, Zwei, Drei oder Manche mögens heiß erinnert und nicht auf dem Balkan großen Zuspruch findet. Im Interview erläutert der Regisseur die ernsten Hintergründe, die zu Parada führten...


* * *



Herr Dragojević, ihnen ist das seltene Kunststück gelungen, dass ihr Film gleichermaßen ein hetero- wie homosexuelles Publikum anspricht.

Auf der Berlinale haben wir in der Reihe „Panorama“ drei ganz unterschiedliche Preise gewonnen: den Publikumspreis, den der Leserschaft des Magazins „Siegessäule“ und den der kirchlichen Jury. Parada gefiel also den Heteros, Schwulen und Gläubigen gleichermaßen. Das habe ich auch in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens beobachten können: Oft saßen Machotypen neben Schwulen und alle haben zusammen gelacht. Das ist eigentlich die schönste Belohnung für mich.


Haben Sie den Humor des Films so konzipiert, dass Sie möglichst viele Stereotypen durch den Kakao ziehen wollten?

Wenn man viele Klischees und Stereotypen zusammenbringt, heben sich die heiklen Tendenzen gegenseitig auf und wirken komisch. Trotzdem mache ich mich über Klischees nicht nur lustig, denn die Figuren in Parada basieren auf realen Charakteren, Menschen, die ich persönlich kenne und mit denen ich teilweise befreundet bin. Wenn es um Intoleranz und Homophobie geht, erwarten die Zuschauer meistens ein sehr ernstes Drama – aber damit kann man viele Menschen gar nicht ansprechen. Eine andere Sorge war, dass der lokale Bezug nicht zu dominant sein darf, wenn man eine universelle Aussage treffen und international verstanden werden möchte. Ich bin sehr froh, dass Parada trotz seiner regionalen Bezüge auch anderswo funktioniert und bereits in über zwanzig Länder verkauft wurde. Wie ich es von meiner bisherigen Karriere als Regisseur gewohnt bin, wurde ich wieder von politisch ganz rechter und ganz linker Seite angegriffen, die beide humorlos sind.


Sie waren lange Zeit Psychotherapeut. Fließt das in Ihre Arbeit ein?

Ja, durchaus. Ich baue einen Film wie Parada ähnlich wie eine therapeutische Sitzung auf. Zuerst erfolgt die positive Manipulation des Besuchers. Dann biete ich ambivalente emotionale Momente an – in welche Richtung entwickelt sich die Situation wohl? – und schließlich Entspannung. Zum Schluss schlägt die Realität zu, die nicht verdrängt werden, sondern erlauben soll, Mitleid zu empfinden und zu weinen. Denn bei allem Humor ist der Film klar gegen Homophobie gerichtet.


Die Idee zu Parada ist schon über zehn Jahre alt? Wieso dauerte die Umsetzung so lange?

Im Jahre 2001 wurde schwule Aktivisten von Hooligans und Neonazis brutal zusammengeschlagen, die versucht hatten, in Belgrad die erste Gay-Pride-Parade durchzuführen. Ich war entsetzt und beschämt, dass solche Gewalt nach dem Ende des Milosevic-Regimes in meiner Heimatstadt möglich war. Meine ersten, sehr tragischen Drehbuchentwürfe gefielen mir aber nicht. Im Sommer 2008 war ich mir dann sicher, dass eine Komödie meinen Intentionen besser entsprach und schrieb drauflos. Aber dann erwies sich die Finanzierung als schwierig und langwierig, weil das Thema Homosexualität in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens immer noch sehr heikel ist. Einige serbische Schauspieler hatten Angst vor Aggressionen, wenn sie Schwule spielen würden.


Kann der Erfolg ihres Filmes daran etwas ändern?

Das hoffe ich, die nächste Gay-Pride-Parade wird es zeigen. Aber der Prozess ist mühsam. Uns fiel bei den Premieren in den Balkanländern auf, dass insbesondere die sonstigen Kinogänger, die 15-18-Jährigen nicht gekommen waren. Deshalb habe ich Schulleiter angesprochen, um mit ihnen direkt Vorführungen für Schüler zu organisieren. Nach einer erfolgreichen Aufführung in Novi Sad gab es aber eine Pressekampagne, in der behauptet wurde, ich wolle mit dem Film für Homosexualität unter Schülern werben. Daraufhin haben alle anderen Schuldirektoren abgesagt. Auch vor jeder Gay-Parade werden solche hysterische, intolerante Kampagnen inszeniert, die leider eine übliche Strategie der Medientycoons und einiger Politiker sind: Sie schüren die Stimmung gegen Minderheiten mit populistischen Parolen, um von den schwierigen Lebensverhältnissen in Serbien abzulenken.



Regisseur Srdjan Dragojević - Foto © Neue Visionen Filmverleih


Max-Peter Heyne - 7. September 2012
ID 6197

Weitere Infos siehe auch: http://www.parada-film.de





 

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