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Rezension


Filmstart: 25. Oktober 2012

Detlev Bucks Bestsellerverfilmung Die Vermessung der Welt überzeugt durch den spielerischen Umgang mit historischen Figuren wie der Filmtechnik




Die Vermessung der Wunderknaben

„Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß waren zwei von der Aufklärung infizierte Wissenschaftler, die sich mit dem, was sie in ihrer Zeit vorgefunden haben, nicht zufriedengaben“, sagt Regisseur Detlev Buck über die beiden Helden seiner Verfilmung des internationalen Bestsellers Die Vermessung der Welt. So unterschiedlich auch Herkunft, Temperament und Lebenswege des adligen Naturforschers und Weltreisenden Alexander von Humboldt (1769-1859) und des Rechengenies und Astronomen Gauß (1777-1855) gewesen sein mag: Gemeinsam war den Wunderknaben der Wunsch nach Überschreitung geistiger Horizonte, die Freude am Forschen und das lebenslange Streben nach Erkenntnis.

So jedenfalls schildert sie der österreichische Schriftsteller Daniel Kehlmann in Die Vermessung der Welt, der zusammen mit Buck auch das Drehbuch für die Verfilmung schrieb. Roman und Film stellen zwei Lebenswege gegenüber: Zum einen die riskante Expedition des jüngeren Humboldt-Bruders Alexander in die Urwälder Südamerikas um 1800, zum anderen Friedrich Gauß‘ Sesshaftigkeit als Sternengucker und Mathematikprofessor in Göttingen. Erst bei einem Wissenschaftlerkongress am preußischen Hofe in Berlin stehen sich die beiden Geistesgrößen als alte Männer gegenüber.

Anders als im Buch fallen viele Szenen in Bucks Film wesentlich zugespitzter, deftiger und plastischer aus – und das ist wörtlich zu nehmen, denn gedreht wurde in 3D-Technik. Damit ist der Wahlberliner Detlev Buck nach Wim Wenders (Pina) der zweite deutsche Regisseur, der sich für einen abendfüllenden Film an digitales 3D herangewagt hat. „Bei einer Story, die Reisen ins Ungewisse – den Urwald, die Astronomie – thematisiert, bot es sich an, für die bildliche Umsetzung auch selbst herumzuexperimentieren“, sagt Buck. Dafür engagierte der Regisseur zum dritten Mal den polnischen Kameramann Slawomir Idziak, der fast alle Filme seines 1996 verstorbenen Landsmann Krzysztof Kieslowski (Drei Farben) und zuletzt viele Hollywoodproduktionen fotografiert hat.

Tatsächlich hat Idziak für Buck das optische Maximum aus der Vorlage herausgeholt: Angefangen von durchs Bild fliegenden Gänsefedern und Uhrenpendeln bis hin zu tropischen Wasserfällen bietet der Film sowohl in den stillen wie abenteuerlichen Szenen jede Menge originelle Vorder-Hintergrund-Spielereien. Vor allem die unter schwierigen Bedingungen im ekuadorianischen Dschungel gedrehten Szenen voller exotischer Flora und Fauna kommen in 3D gut zu Geltung.

Anders als die Macher von Avatar hatten Buck und Produzent Claus Boje allerdings nicht 300 Millionen Dollar, sondern nur zehneinhalb Millionen Euro für Dschungelbilder zur Verfügung: „Eine Unterfinanzierung, die einen normalen Produktionsablauf eigentlich nicht erlaubt“, so Boje. Deshalb herrschte bei den Dreharbeiten in Ekuador, aber auch in der Altstadt von Görlitz, die das mittelalterliche Braunschweig doubelt, extremer Zeitdruck. Denn was 3D an zusätzlichen Kosten verschlang, musste über die Kürzung von Drehtagen wieder hereingeholt werden. Nach entsprechender Vorbereitung musste Detlev Buck das Drehen vieler Szenen einem zweiten Team überlassen, damit er sich bereits dem nächsten Motiv zuwenden konnte.

Dem fertigen Film sieht man diesen Stress nicht an, im Gegenteil: Dadurch dass Detlev Buck mit den großen Namen der Weltgeschichte gleichermaßen spielerisch umgeht wie mit der 3D-Technik, wirkt der Film erfrischend frech und unprätentiös. Buck, Kehlmann und der dritte Autor im Bunde, Daniel Nocke, zögern weder vor sarkastischen noch krachledernen Dialogen und Situationen zurück, um den erzählerischen Slalom zwischen den Absurditäten spätfeudalistischer Herrschaft in Europa und den Drogentrips in Übersee Würze zu verleihen. Besonders die Szene, die in 3D demonstriert, was es bedeutet hat, sich um 1800 einen faulen Zahn ziehen zu lassen, versprüht viel von dem schwarzhumorigen Schnoddrigkeit, mit der Buck die Geschichte grundiert hat. Die Speckseite, die Detlev Buck zuletzt in Form der Klamotte Rubbeldiekatz mit Matthias Schweighöfer als „Charlies Tante“ nach seinen Fans geworfen hat, bleibt diesmal gottlob unberührt. Stattdessen demonstrieren Buck und Boje, wie man auch aus begrenzten Mitteln großes Kino basteln kann, dass Weltgeschichte genau mit dem Mangel an Respekt behandelt, der ihr gebührt.



Detlef Buck - Foto (C) Christine Kisorsy


Max-Peter Heyne - 24. Oktober 2012
ID 6287
Das Buch zum Film Die Vermessung der Welt mit komplettem Drehbuch und zahlreichen Aufsätzen über 3D und die Dreharbeiten ist als Rowohlt Taschenbuch erschienen (12,99€).

Weitere Infos siehe auch: http://wwws.warnerbros.de/dievermessungderwelt


Post an Max-Peter Heyne



 

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