Ein Leben
im Eiltempo
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Bewertung:
Marie Curie ist, nicht erst seit der neueren Frauenbewegung, einer der ersten Namen, der genannt wird, wenn von Frauen die Rede ist, die Großes geleistet und auch politisch vorbildlich gehandelt haben. Die Koproduktion, deren Originaltitel Radioactive lautet, ist nicht die erste filmische Biographie der Physikerin und Chemikerin, zweifachen Nobelpreisträgerin und Pazifistin, deren Tochter Irène Joliot-Curie ebenfalls Nobelpreisträgerin und Anti-Kriegs-Aktivistin war. In Deutschland, wo der Film, der jetzt als DVD und Blu-ray erhältlich ist, im Juli – wegen Corona verspätet – in den Kinos anlief, trägt er den Titel Marie Curie – Elemente des Lebens. Herausgekommen ist ein kitschiger Kostümfilm, der sich bedingungslos den von Hollywood geprägten Sehgewohnheiten unterordnet und in dem es nicht eine Einstellung gibt, die man nicht schon anderswo gesehen hätte. Marie Curie als Ausgeburt von Rosamunde Pilcher: das hat sie nicht verdient.
Der Film hakt im Eiltempo die einzelnen Lebensstationen der nach Frankreich ausgewanderten Polin ab, mit ein paar Rückblenden und vorausschauenden Clips über die Auswirkungen von Radioaktivität von der Krebsbekämpfung über Hiroshima und Nevada bis Tschernobyl und mit viel seitlichem Licht, Kreisblenden, Weichzeichner und ständiger Musikuntermalung. Jeder Satz ist eine These, jeder Blick bedeutungsvoll. Stille des Wortes und der Bewegung wird nicht zugelassen, den Unfalltod von Pierre Curie begleiten ein paar isolierte experimentelle Bilder, für Exkurse gibt es keinen Raum. Der Schnitt von Stéphane Roche überrascht mit Schnitzern, die nicht den Eindruck hinterlassen, als folgten sie einer Absicht. Bleibt die Erkenntnis, dass Frauen und Polinnen diskriminiert wurden und werden. Das mit den Frauen ist heute ein nicht ganz unbeachtetes Thema. Bei den Polinnen ist das Erregungspotential geringer. Schließlich braucht man sie zum Putzen und für die Altenpflege.
Regisseurin ist die in Frankreich lebende Iranerin Marjane Satrapi, die sich mit der auch erfolgreich verfilmten Graphic Novel (dem Comicroman) Persepolis einen Namen gemacht hat. Auch dem Curie-Film liegt eine Graphic Novel zugrunde, allerdings nicht von Satrapi selbst, sondern von Lauren Redniss. Und was kann man daraus lernen? Dass Graphic Novels eine andere Syntax haben als ein Film. Der Transfer tut dem Genre nicht gut. Die Fakten, auf denen Satrapis Film basiert, kann man auf watson.ch nachlesen. Und vom Stoff her bietet sich Clara Immerwahr von Harald Sicheritz zum Vergleich an.
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Thomas Rothschild – 26. November 2020 ID 12621
Weitere Infos unter https://www.studiocanal.de
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