Die amerikanischen Produktionen Ruby Sparks und 7 Psychos sind unterschiedlich gelungene Reflexionen über die Macht der Fiktion
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7 Psychos – © Concorde Filmverleih GmbH
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Der als ehemaliges Wunderkind gefeierte Schriftsteller Calvin erlebt mitten in einer Schaffenskrise, wie für ihn der Traum jedes (männlichen) Autoren wahr wird: Die Frauenfigur Ruby Sparks, die er sich für seinen neuen Roman ausgedacht hat, steht eines Tages beim Spaziergang im Park leibhaftig vor ihm – einfach so. Eine nette, hübsche, rotblonde Fee, die seiner Erfindung nicht nur äußerlich gleicht, sondern tatsächlich all das im Leben tut, was Calvin ihr auf den Leib dichtet: Fremdsprachen spricht, fröhlich herumtanzt, ihn liebt.
Eine perfekte Frau, aber eine heikle Situation: Wie nutzt man(n) eine solche Situation, ohne vor Macht- und anderen Gelüsten überzuschnappen oder durchzudrehen? Was richtet es mit einem Menschen an, wenn die eigenen Wunschvorstellungen eins zu eins Realität werden? Sind erfüllte Träume überhaupt noch welche? Diese und andere Fragen stellen Drehbuchautorin Zoe Kazan (die Darstellerin der Ruby Sparks und im wahren Leben tatsächlich Frau von Hauptdarsteller Paul Dano) und das Regie-Paar Jonathan Dayton & Valerie Faris (Little Miss Sunshine) auf höchst vergnügliche und intelligente Weise in der amerikanischen Independent-Produktion Ruby Sparks – meine fabelhafte Freundin.
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Ruby Sparks - Foto © 20th Century Fox
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Die auf amerikanische Intellektuellenkreise verlegte Variante der Pygmalion-Sage zieht ihren Reiz nur zum Teil aus der Unvorhersagbarkeit der Ereignisse, die aus einer leibhaftigen Begegnung zwischen Schöpfer und Geschöpf resultieren. Besonders Augenmerk legt Kazan in ihrem Drehbuch auch auf die Verunsicherung eines sensiblen, introvertierten Menschen, der mit den Möglichkeiten realer Machtausübung tendenziell überfordert ist und sich an die direkte Manipulation in der Realität erst langsam gewöhnen muss. Sein Geschöpf befindet sich hingegen – zunächst – in der bequemen Position der unbedarften, ahnungslos Manipulierten.
Calvin ist kein durchtriebener, gehässiger Mensch, aber natürlich verliert er gegenüber Ruby nach und nach die Skrupel, die er als Autor sowieso nicht haben darf, wenn er eine Geschichte zuspitzen will. Zu verführerisch ist der Gedanke – und die Umsetzung –, einen Anderen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Wünschen wir uns nicht alle hin und wieder einen Partner bzw. eine Partnerin, die ganz für uns da ist, damit wir uns besser fühlen? Ohne dass wir uns dafür selbst verändern, anpassen müssen? Der naive Wunsch Calvins, Ruby gleichsam auf Augenhöhe zu begegnen, damit sich eine langfristig tragfähige Beziehung entwickeln kann, bleibt so fragil wie das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten. Außerdem hat er als Schöpfer immer einen Wissensvorsprung.
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Ruby Sparks - Foto © 20th Century Fox
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Als es zur Krise kommt und sein Geschöpf sich von ihm emanzipieren will, wird Calvin von seiner Macht korrumpiert – wenngleich nicht endgültig. Den Vorwurf der hemmungslosen Manipulation kann man den Filmemachern ohnehin nicht vorwerfen, die ihre Geschichte fast zu stark heruntergekocht haben. Lieber so als umgekehrt, insofern ist Ruby Sparks ein kurzweiliges, aber trotz seiner unwahrscheinlichen Ausgangssituation noch ein glaubhaftes Vergnügen.
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Dass lässt sich von der knalligen amerikanischen Farce 7 Psychos nicht durchgängig behaupten. Sie besitzt zwar ebenfalls hohen Unterhaltungswert, allerdings mochte Drehbuchautor und Regisseur Martin McDonagh sich auf die Originalität, die durch eine erzählerische Metaebene erreicht wird, nicht ganz verlassen und bedient sich zusätzlich überdrehte Sperenzchen und grelle Splattereffekte.
Die autobiografisch entlehnte Idee, dass ein Drehbuchautor (Colin Farrell) eigentlich eine nette, harmlose Geschichte erzählen will, aber von seinem besten Freund (Sam Rockwell) dazu überredet wird, schon wegen des als genial empfundenen Filmtitels 7 Psychos doch lieber eine knallige Kriminalstory zu entwerfen, hat über weite Strecken Witz und Pfiff. Auch flicht McDonagh dramaturgisch überzeugend gleich mehrere Erzählebenen ineinander, deren Protagonisten – darunter zwei schicksalsgeplagte Rentner mit targisch-blutiger Vergangenheit (Christopher Walken und Tom Waits) – quasi von einer in die andere Geschichte wechseln.
Aber so schön der Titel auch klingt: 7 Psychos sind dann doch mindestens drei zu viel, und dass der Film seine eigenen Schwächen – zu wenige und zu schwache Frauenfiguren, zu übertriebene Charaktere – selbst offen anspricht, wirkt zwar sympathisch, aber hebt sie nicht auf. Die Schauspieler sind indes durchgehend ein Genuss und in Verbindung mit Filmen wie In ihrem Haus oder Ruby Sparks bietet auch 7 Psychos Anlass, über die selbstreferentiellen Tendenzen des zeitgenössischen Kinos nachzudenken.
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7 Psychos - Foto © Verleih DCM
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Max-Peter Heyne - 1. Dezember 2012 ID 6410
Weitere Infos siehe auch: http://www.kultura-extra.de/film/filme/filmkritik_inihremhaus.php
http://www.rubysparks.de
http://www.7psychos.de
Post an Max-Peter Heyne
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