2011 - Herbst der deutschen Porträt-Dokumentarfilme (Teil 2)
"Der Fall Chodorkowski" (D 2011)
Buch und Regie: Cyril Tuschi
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Bitteres Gesellschaftspanorama
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Regisseur Cyril Tuschi über die mühevolle Arbeit an seinem Dokumentarfilm Der Fall Chodorkowski
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Der zweistündige Dokumentarfilm Der Fall Chodorkowski, der nach seiner viel beachteten Berlinale-Premiere vom Februar nun endlich in den deutschen Kinos startet, ist dem Inhalt nach ein Film über den Aufstieg und Fall des früheren Managers des russischen Ölkonzerns Yukos. Doch dem in Berlin lebenden Regisseur Cyril Tuschi gelingt mit seinem auf jahrelangen, akribischen Recherchen basierenden Film weit mehr: Tuschi rollt Chodorkowskis Karriere als exemplarisch für den kometenartigen Aufstieg der russischen Oligarchen auf, die als Erben früherer Staatsbetriebe quasi innerhalb weniger Wochen zu Managern riesiger Konzerne wurden und entwirft an einem Einzelfall ein brisantes Gesellschaftspanorama des postsowjetischen Russlands.
Chodorkowski, der durch offenen Widerspruch gegen den früheren und baldigen Präsidenten Putin dessen Feindschaft auf sich zog, erscheint im Film nicht als strahlende Robin-Hood-Figur. Aber die vom Regisseur stets betont sachlich präsentierten Fakten lassen keinen Zweifel daran, dass Privatwirtschaft und Justiz in Russland in heiklen Fällen politischer Kontrolle unterstehen. Dank Tuschis jahrelanger Hartnäckigkeit konnte er sogar ein Interview mit dem ‚Titelhelden‘ während des zweiten Prozesses, der in Moskau stattfand, durch die Scheiben eines Glaskäfigs führen. Um eine Genehmigung für das kurze Interview mit Chodorkowski während des Justizprozesses zu erhalten, hat Tuschi drei Anläufe und jede Menge „einen sehr offiziellen Charakter vermittelnde“ Briefe gebraucht, die sein Koproduzent, der Bayerische Rundfunk, mit zahlreichen Stempeln versehen hatte.
Der deutsche Regisseur mit russischen Wurzeln musste lange um die Finanzierung kämpfen, bis schließlich das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Mitteldeutsche Medienförderung überzeugt waren.
Auch bei seinen Recherchen „bewegte sich im ersten Jahr fast gar nichts“, sagt Tuschi: „Hochnäsigkeit oder eisiges Schweigen“ schlugen ihm entgegen, sagt der Regisseur, bis sich dann doch nach und nach Interviewpartner fanden, die bereit waren, mit ihm über den Fall zu sprechen – darunter viele frühe Weggefährten und in- und ausländische Geschäftspartner Chodorkowskis. Einige aber blockten mit dem Hinweis ab, „der Fall Chodorkowki sei doch ein alter Hut“, wobei Tuschi merkte, dass ihnen „die ganze Affäre unangenehm ist, da sie wissen, dass sie für Russland eine ganz schlechte PR ist“.
Mit zahlreichen Ex-Managern des russischen Yukos-Ölkonzerns konnte Tuschi nur in deren ausländischem Exil sprechen, da sie immer befürchten, wegen international gültiger Haftbefehle „in Sippenhaft genommen zu werden“, sagt Tuschi. Eigentlich kann sich Cyril Tuschi „geld- und kräftemäßig gar nicht leisten“, an dem Thema noch länger dran zu bleiben. Doch auch nach fünf Jahren Arbeit an seinem Film kann er nicht davon lassen, „denn es sind immer noch einige Fragen offen“ – z. B. was Chodorkowski trotz aller Vorwarnungen letztlich doch dazu veranlasst hat, die direkte juristische Konfrontation mit seinem Gegenspieler Putin zu suchen, der letztlich am längeren Hebel saß.
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Max-Peter Heyne - red. 28. November 2011 (3) ID 00000005508
Weitere Infos siehe auch: http://www.khodorkovsky-movie.com
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