Schmerzliche
Heimkehr
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Bewertung:
Zuerst versteht man gar nicht, warum die alte Dame Christina (Maj Doris Rimpi) so unwirsch mit ihrer Verwandtschaft umgeht. Sie ist in ihre Heimat Lappland, im Norden Schwedens, zurückgekehrt, um ihre Schwester zu beerdigen, meidet aber ihre samische Familie wie die Pest. Die aber bleibt freundlich und verständnisvoll, und während sich ihr erwachsener Sohn mit der Wärme seiner Sippe umgibt, wohnt Christina lieber allein im Hotel. Sie lehnt die Sitten der Samen ab, obwohl sie selber eine ist. Allein im Hotelzimmer kommen die schmerzlichen Erinnerungen an ihre Kindheit hoch. Sie wuchs in den 1930er Jahren auf, als das indigene Volk der Samen, das mit seinen Rentieren zusammen lebt, als minderwertig erachtet wurde. Elle Marja reagierte darauf mit der Ablehnung ihrer Kultur und ging in die Großstadt Uppsala, wo sie mit schwedischer Identität lebte und sich Christina nannte.
Amanda Kernell ist samischer und schwedischer Abstammung und hat mit dem Drehbuch und der Regie für Das Mädchen aus dem Norden ein sensibles Porträt einer jugendlichen Samin gezeichnet, die sich nicht damit abfinden will, als Mitglied einer angeblich unterentwickelten Rasse leben zu müssen. „In den meisten Samenfamilien gibt es jemanden, der diesen Weg eingeschlagen und die radikale Entscheidung getroffen hat, alle Verbindungen zu seiner Familie und seiner Geschichte abzubrechen und seine Identität zu wechseln“, erklärt Kernell. Im Laufe des Films wird sehr deutlich, was alles zu einer derart tiefen Verbitterung führt, dass ein Mensch sich dazu genötigt fühlt.
Die Hauptrollen werden von echten Samen gespielt, den Laiendarstellerinnen Cecilia & Erika Sparrok, die auch im richtigen Leben Schwestern und mit ihrer samischen Sprache und Kultur vertraut sind. Die Kinder müssen auf eine schwedische Schule gehen, in der sie notdürftig lesen, schreiben und rechnen lernen und wo ihre eigene Sprache verboten ist. Obwohl Elle Marja (Cecilia Sparrok) ein helles Köpfchen ist und mehr lernen möchte, erklärt ihr die Lehrerin (Hanna Alström), dass Samen dafür nicht geschaffen wären. Sie hätten nicht die gleiche Entwicklungsstufe wie die ihnen überlegenen Schweden.
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Die Samen Elle Marja und Njenna (Cecilia und Erika Sparrok) galten in Schweden als unterentwickelt | © Temperclay Film
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Während ihre jüngere Schwester Njenna (Erika Sparrok) das hinnimmt, läuft Elle Marja dagegen Sturm. Sie leidet unter dem Spott der schwedischen Jugendlichen und deren Verachtung. Eines Tages überfallen die sie und schneiden ihr wie einem Tier ein Ohr ein. Das ist die Art, wie Samen ihre Rentiere kennzeichnen. Eines Tages sieht sie, wie ein Kleid ihrer Lehrerin draußen auf der Wäscheleine hängt und stiehlt es. Sie legt ihre samische Tracht ab und geht auf eine Feier von Schweden. Dort erlebt sie zum ersten Mal, wie es ist, als Mensch voll anerkannt zu werden.
Eines Tages kommen Wissenschaftler in den Ort, um an den samischen Kindern und Jugendlichen biometrische Messungen vorzunehmen. Sie antworten nicht einmal auf die Frage, warum. Als die Kinder sich dann auch noch einzeln ausziehen müssen, um sich nackt fotografieren zu lassen, während die spottende schwedische Dorfjugend von außen durch die Fenster schaut, ist bei Elle Marja eine Grenze überschritten. Sie verlässt ihre Familie und geht nach Uppsala, um eine schwedische Identität anzunehmen...
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Amanda Kernell gibt einen Einblick in die samische Kultur, die Härte ihres Lebens unter rauen Wetterbedingungen und den Zusammenhalt der Familien untereinander und mit ihren Rentieren. Da die meisten Darsteller echte Samen sind, trägt der Film stellenweise dokumentarische Züge. Die beiden Hauptdarstellerinnen Cecilia und Erika Sparrok spielen die unterschiedlichen Schwestern und ihr Leben mit einer Vertrautheit, die nur dadurch entstehen kann, da sie das in der Realität auch leben. - Es ist ein hoher Preis für die Samen, die sich entschließen das alles hinter sich zu lassen, und die alte Christina ist eine tragische Figur, die ihr Leben mit dieser Entscheidung gelebt hat. Eine tieftraurige Geschichte über die Ausgeburten des Rassenwahns, die leider noch nicht zu Ende erzählt ist.
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Helga Fitzner - 4. April 2018 ID 10620
Weitere Infos siehe auch: http://www.temperclayfilm.de/site/index.php/verleih/236-das-maedchen-aus-dem-norden
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