Nach der Tat
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Bewertung:
Ein schönes Pärchen liebt sich an einem abgelegenen Strand und schlendert verliebt zurück in seinen Urlaubsbungalow auf Mallorca. Der glückliche Abend endet jäh, als sie dort von drei deutschen Rowdys überfallen werden, die nicht nur an Wertgegenständen interessiert sind: Durch einen Rausch außer Kontrolle geraten, vergewaltigt der junge Rädelsführer die Frau vor den Augen ihres gefesselten Mannes. - Dann erst kommt der Vorspann zu Regisseur Sven Taddickens neuem Film Das schönste Paar, für den er auch das Drehbuch schrieb. Taddicken zeigt die beiden Opfer Liv Brinkmann (Luise Heyer) und ihren Mann Malte (Maximilian Brückner) bei ihrer Arbeit und ihrem Alltag als Lehrer, und sie scheinen verliebt und ausgeglichen zu sein, als wäre die Tat nie geschehen. Allmählich wird enthüllt, dass inzwischen zwei Jahre vergangen sind und Liv gerade ihre Therapie beendet hat, was sie mit einem Glas Sekt feiern. Liv will alles hinter sich lassen, und Malte powert sich beim Boxsport aus, um sein angeknackstes Selbstbewusstsein wieder ins Lot zu bringen. Beide mussten viel Kraft aufwenden, um sich ihr altes Leben zurückzuerobern, ihre Beziehung und Liebe nicht scheitern zu lassen. Sie haben alles getan, sich nicht auf ihre Opferrolle reduzieren zu lassen, damit nicht das Ereignis eines einziges Abends den Rest ihres Lebens überschattet. - Tut es aber doch!
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Malte (Maximilian Brückner) und Liv Brinkmann (Luise Heyer) müssen mit den Folgen einer Vergewaltigung leben | © One Two Films
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Wie tiefgreifend eine Vergewaltigung sich auswirkt, zeigt sich auch an Malte. Er war nackt, gefesselt und völlig hilflos auf dem Boden, als es seiner Frau widerfuhr, so dass unterm Strich auch ihm Gewalt angetan wurde, nur auf unterschiedliche Weise. Das hat tief an seinem männlichen Selbstverständnis gerüttelt. Sven Taddicken führt vor, dass es nicht ausreicht, ein traumatisches Ereignis intellektuell zu verarbeiten. Als Malte in einem Döner-Laden zufällig den Täter wieder sieht, bricht das mühsam errichtete therapeutische Kartenhaus wieder ein. Malte folgt dem Täter heimlich, verliert ihn aber im Gewühl. Er weiß instinktiv, dass er Liv davon nichts erzählen kann, da die glaubt, die Sache abgeschlossen zu haben. Obsessiv wartet er tagelang auf dem Bahnsteig, an dem er ihn verloren hat, ob er dort nicht eines Tages wieder auftaucht. Als das geschieht, folgt Malte ihm bis in ein Hochhausviertel in einem sozialen Brennpunkt. Malte ist fassungslos: Trotz des problematischen Umfelds geht der Täter, Sascha (Leonard Kunz), einem normalen Lebenswandel nach, hat eine Freundin namens Jenny (Jasna Fritzi Bauer) und arbeitet in einem Baumarkt. Auf einmal ist Maltes Jagdinstinkt geweckt, er will Sascha zur Rede stellen, und so wird der einstige Jäger zum Gejagten...
Taddickens Drehbuch hat erschreckende Momente. Während die Vergewaltigung für die Betroffenen lebensbestimmend wurde, war sie für den Täter ein Klacks. Er war halt betrunken an dem Abend, und damit war für ihn der Fall erledigt. Als Malte Liv dann doch einweiht und sie sich von einem Anwalt beraten lassen, macht der ihnen wenig Hoffnung. Der Fall wurde damals nicht angezeigt, es gab keine Beweisaufnahme, und aufgrund des jugendlichen Alters des Täters dürfte der allenfalls mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, wahrscheinlich nicht einmal das. Nun steigen auch in der angepassten Liv Rachegedanken auf. Malte und sie beobachten Sascha und seine Freundin heimlich, doch damit nicht genug, sie haben es satt, mit dem Gefühl der Scham und der Demütigung leben zu müssen, und es kommt zu einem Showdown.
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Sven Taddicken (Gleißendes Glück 2016) hat ein fantastisches Drehbuch geschrieben und packend in Szene gesetzt. Der Schluss ist absolut grandios, wild, wunderbar, überraschend und lebensklug. Die Hauptdarstellerin Luise Heyer (Der Junge muss an die frische Luft 2018) und Maximilian Brückner bestechen durch ihre Sensibilität in der Darstellung, brillieren aber auch in den Actionszenen. Sie zeigen, was geschieht, wenn man das so heftig verteidigte zivilisierte Selbstbild nicht mehr aufrecht erhalten kann und sich archaische Kräfte durchsetzen. Leonard Kunz und Jasna Fritzi Bauer runden das hochkarätige Ensemble ab. Sven Taddickens hat hier, wie schon sehr oft, mit der österreichischen Kamerafrau Daniela Knapp zusammengearbeitet. Diese hat insbesondere die kleinen Gesten und intimen Gefühle feinfühlig in Szene gesetzt und wunderbare Bilder geschaffen. Das schönste Paar ist ein Film, der die Folgen von Traumata schildert, aber erzählerisch und darstellerisch immer ein großartiges Kinoerlebnis bleibt.
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Helga Fitzner - 2. Mai 2019 ID 11385
Weitere Infos siehe auch: http://www.facebook.com/schoenstepaar
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