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Finnisches Kino

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Erster Lockdown Frühjahr 2020, Helsinki, später Abend: Heikki (Pertti Sveholm) führt eine größere Bar, die er schweren Herzens schließen muss. Wie die Zuschauer im Verlauf des neuen Spielfilmes von Mika Kaurismäki (Bruder von Aki, bekannt u.a. für Zombie and the Ghost Train und Master Cheng in Pohjanjoki) erfahren werden, hat Heikki heimliche Pläne, die keine vorübergehende Schließung erlauben. Aber so weit ist es zu Beginn von Gracious Night, der barmherzigen Nacht, wie der Film im Original heißt, noch nicht.

Denn statt Heikkis Tochter taucht sein Kumpel Risto (Kari Heiskanen) auf, der seinen Liebeskummer mit Wein herunterspülen will. Heikki versucht ihn abzuwimmeln, doch weil er um Ristos Eheprobleme weiß und barmherzig ist, gewährt er ihm ein offenes Ohr und einen offenen Wein. Der redselige Risto belässt es nicht bei einem Glas, denn einfach so nach Hause kann und will er nicht. Kaum aber ist Heikki an dem Punkt, wo er seinen Freund auch einen Imbiss zubereitet, schleicht sich ein weiterer ungebetener Gast ins Lokal: Juhani (Timo Torikka) bittet darum, ihn in einem Notfall zu helfen. Er will sein Smartphone aufladen, da er minütlich auf einen Anruf aus der Entbindungsstation wartet, auf der seine Tochter ein Kind erwartet.

Heikki und Risto ist das hektische Gebaren des Mannes verständlich, aber auch etwas unangenehm. Nicht ohne Grund, wie Risto beim heimlichen Spionieren auf Juhanis Handy entdeckt: Die Geschichte mit der hochschwangeren Tochter stimmt nicht. Ist er womöglich der polizeilich gesuchte Mörder, von dem im Radio die Rede ist und der sich ausgerechnet in Heikkis Bar verschanzen will?

Mika Kaurismäki hat einige Twists in der auf einen Raum und einen Zeitraum beschränkten Handlung zu bieten, insofern kommt in diesem Kammerspiel keine Langeweile auf. Nach einer buchstäblich hereinrauschenden Gruppe von jungen Leuten gesellt sich auch noch Ristos Ehefrau (Anu Sinisalo) zu dem sich zunächst skeptisch, schließlich aber immer herzlicher einander annähernden Männertrio.

*

Kaurismäki legt hier eine mit leichter Hand inszenierte Parabel über die Wichtigkeit von zwischenmenschlichen Kontakten vor, denen wir alle in der anhaltenden Viruspandemie so oft entsagen mussten und müssen. Ein unbarmherziger, ja, unmenschlicher Zustand, dessen Folgen nicht allein in medizinisch-hygienischen Kategorien bewertet werden kann, wie Kaurismäki elegant und ohne aufgesetzte Dramatik deutlich macht. Denn in dieser Geschichte liegt der entscheidende Faktor, der alle Pläne, Ängste und Sorgen der Protagonisten kippen lässt, im Sich-Austauschen, der direkten Kommunikation.



Eine Nacht in Helsinki | (C) Arsenal Filmverleih


Beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2021, wo Eine Nacht in Helsinki als Eröffnungsfilm präsentiert wurde, berichtet der Autorenfilmer Kaurismäki, dass er ursprünglich vorhatte, den Film in Dubai zu drehen. Immerhin sollte es der feierliche Abschluss einer Trilogie werden, bei der in jedem der Filme dieselben Schauspieler auftauchen – und es sollte nicht wieder das heimatliche Helsinki der Schauplatz sein. Sicher hätte die Story von drei finnischen Touristen, die sich zufällig vor exotischer Kulisse begegnen, einen sehr eigenen Reiz gehabt. Aber das melancholische Kammerspiel, in dem die drei großartigen Schauspieler viele ihre Dialoge improvisieren durften, verströmt auch in finnischer Nacht Charme und Aussagekraft. Gedreht wurde aufgrund der Pandemie in Mikas und Akis eigener Bar in Helsinki, die ausgerechnet „Corona-Bar“ heißt. Darauf einen Tequila, Prost!
Max-Peter Heyne - 21. Januar 2022
ID 13412

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