Der Ammonit
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Bewertung:
Filme, deren Handlungen in Tagebauen spielen, gibt es nicht erst seit dem sog. Kohleausstieg. Gigantische Infrastrukturen, zu deren markantesten Konstruktionen furchteinflößende Schaufelradbagger zählen, prägen die dem Abbau von Braun- und Steinkohle geopferten als wie geschundenen Landschaften. In so einem Umfeld war beispielsweise der ostdeutsche Liedermacher Gerhard Gundermann (1955-1998) hauptberuflich als Baggerführer tätig; Andreas Dresen hatte ihm vor sechs Jahren ein schönes Biopic gewidmet. Auch diverse Krimis (Abgrund als POLIZEIRUF 110 oder der Sechsteiler über 'nen Serienkiller in Lauchhammer) sind in solchen Mondlandschaften angesiedelt. Nicht zuletzt gab's letztes Jahr sogar eine Komödie (Eher fliegen hier UFOs), die den vergeblichen Kollektivprotest von Einwohnerinnen und Einwohnern eines von der Kohleindustrie zum Ab- oder Unterbaggern bestimmten Dorfes zum Inhalt hatte.
Jetzt gelangte ein weiterer Film zu den Themen "Tagebau, Riesenbagger und noch größere enttäuschte Hoffnungen" in die Kinos. Er heißt Fossil, und der erst 33-jährige Filmemacher Henning Beckhoff hat ihn gedreht. In ihm wird die sog. Zeitenwende "in große Totalen der deutschen Industrie gefasst":
"Tagebauarbeiter Michael weigert sich, den bevorstehenden Kohleausstieg zu akzeptieren. Er will keine Veränderung. Denn die Arbeit im Tagebau ist für Michael mehr als nur ein Beruf, und so versucht er, seine Kolleg:innen vom Protest gegen den schnellen Wandel zu überzeugen. Gefangen in seiner Verbissenheit, verliert er jedoch zunehmend den Rückhalt – auch in seiner Familie." (Quelle: missingfilms.de)
Ja und auch Markus Hering (als Michael) könnte man ohne jedes schlechte Gewissen als Fossil bezeichnen, nicht allein von seinem fortgeschritt'nen Alter her (bei ihm hätte wahrscheinlich die sog. Vorruhestandsregelung gegriffen, wenn er nicht...) - er tritt also in diesem Film, wenn man so will, als Hauptverlierer auf, d.h. er wird zum Schluss hin fristlos entlassen, weil er sich unkoscherer Methoden bediente, um sein und das Bleiben des Haupt-Fossils, nämlich des Schaufelradbaggers, kindisch zu erzwingen. Godehard Giese (als Betriebsleiter Horák) musste die Entlassung leider, und wahrscheinlich gegen seinen eig'nen innern Schweinehund, vollstrecken...
Lange Rede kurzer Sinn: Der Micha stakt am Filmschluss durch einen fiktiven Baggersee und fängt, erneut, zu schwimmen an.
Ruth Reinecke (als Miri, Michas Frau) wird vielleicht nicht ganz so froh sein, dass ihr Mann jetzt immer und partout zuhause sein wird; aber immerhin ließen sie sich zuvor beim Alterssex zweimal beobachten (Kamera: Sabine Panossian) - wenn das dann mal kein Lichtblick war.
Mit Victoria Schulz (als Anja, Miris & Michas Tochter) schien es auch von Anfang an nicht leicht zu sein. Ihr Abnabelungsbestreben kanalisierte sie inmitten eines Protestcamps mit hochsympathisch wirkenden Gleichgesinnten, denen der Tagebau a priori ein Dorn im Auge war; sie wollten also den Rest-Wald retten, den der Energiekonzern wahrscheinlich so und so dann nicht mehr abgebaggert hätte.
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Fossil | (C) MIssing Films
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Große Schicksalsschläge und -entscheidungen von einfachen und "schlichten" Menschen vor, während und nach der Sprengung des Fossils.
Und Micha halt als Ammonit.
Ein schöner, stimmiger und leiser Film.
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Andre Sokolowski - 14. Juni 2024 ID 14798
https://www.missingfilms.de
https://www.andre-sokolowski.de
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