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hinter

Gittern



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"123 Jahre lang kriminalisierte der Paragraph 175 homosexuelle Männer – lesbische Liebesbeziehungen werden im Gesetzestext nicht erwähnt. Strafen von bis zu zehn Jahren Gefängnis wurden verhängt. Allein in der Bundesrepublik Deutschland wurden in der Nachkriegszeit 100.000 Männer vor Gericht gestellt. Der Paragraph ermöglichte es, Liebesbriefe abzufangen, sie zu konfiszieren, dem Gericht als Beweismittel vorzulegen, Kameras hinter Spiegeln zu installieren um in die letzte Privatheit der Männer vorzudringen und deren Intimsphäre der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Ein Szenario, das an George Orwells 1984 erinnert.

[...]

Erst 1969 fällt das Totalverbot der Homosexualität. Doch es würde noch weitere 25 Jahre dauern, bis der Paragraph 175 endgültig im Jahr 1994 aus den deutschen Gesetzbüchern verschwindet. Eine Rehabilitierung der 175er-Nachkriegsopfer passierte in Deutschland am 22. Juli 2017."

(Quelle: grosse-freiheit.piffl-medien.de)

*

Das [s.o.] ist der historische Background, vor dem die Gefängnisgeschichte von Sebastian Meise (Drehbuch + Regie) und Thomas Reider (Drehbuch) spielt. Sie heißt Große Freiheit - und als solche sieht man sie zum Schluss, wenn Franz Rogowski (als nach über 20 Jahren Inhaftierung endlich aus dem Strafvollzug entlassener "175er" Hans Hoffmann) sie betritt und in ihr runter in den Darkroom steigt, um anonymen schwulen Sex beobachten zu können; und nachdem er von dem Treiben irgendwie genug hat, steigt er wieder hoch, verlässt die Kneipe, und dann wirft er einen Ziegelstein in eine Schaufenster-Auslage mit Juwelen, setzt sich vor ihr auf den Bürgersteig und wartet auf die Polizei; es sieht so aus, dass er nach derart langer Zeit des Ein- oder des Ausgesperrtseins nicht mit seiner neuen "großen Freiheit" klar käme und so zurück wollte in das Gefängnis.

Georg Friedrich (als Hans' langjähriger drogensüchtiger und wegen Mord verurteilter Gefängnisinsasse Viktor), der eine ihn anstrengende als wie überfordernde Metamorphose vom voreingenomm'nen Schwulenhasser zum menschlichsten aller Freunde durchmacht, wartete womöglich auf den alten Knastbruder...

Die Handlungen ereignen sich zwischen den Jahren 1945 und 1969.

Es ist Hans' Geschichte. Und obgleich man - außer dass er halt dann immer wieder neu in das Gefängnis musste, weil er sich (als "175er") jedesmal neu erwischen ließ - nichts Weiteres seiner Biografie erfährt, berührt sein Lebensausschnitt, der ihn fast nur hinter Gittern zeigt, auf das Erschütterndste.

Anton von Lucke (als Leo) und Thomas Prenn (als Oskar) hinterlassen einen, was die beiden sexuellen und/ oder Liebesbeziehungen der zwei viel Jüngeren zu Hans betrifft, nicht minder starken emotionalen Eindruck.

Und auch darum ging es in dem wortkargen und eigentlich doch sehr, sehr leisen und vor allem von Ragowski (!) hochgrandios gespielten Film:



"Dass die nationalsozialistische Bürokratie auch nach dem Krieg noch weitgehend in ihren Ämtern blieb, ist allgemein bekannt. Was im Fall der Verfolgung von Homosexuellen für mich völlig neu war, ist die Rolle der Alliierten. Da sie in ihren eigenen Ländern ähnliche Gesetze hatten, war es für sie offenbar rechtens, dass schwule Männer im Dritten Reich gefoltert und ermordet wurden. Das ergab dieses völlig verrückte Bild: Ein überlebender KZ-Häftling wird nach Kriegsende in ein Gefängnis überstellt und muss dort Hakenkreuze von Uniformen reißen. Für ihn hat sich nichts verändert. Ein System hat das andere abgelöst, und er ist immer noch illegal."

(Sebastian Meise in einem Interview mit Karin Schiefer, Juni 2021)

*

Deprimierend alles das.



Franz Rogowski (als Hans Hoffmann) in dem österreichisch-deutschen Spielfilm Große Freiheit (C) FreibeuterFilm - Rohfilm Productions

Andre Sokolowski - 24. November 2021
ID 13319
Weitere Infos siehe auch: http://grosse-freiheit.piffl-medien.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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