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Britisches Kino

Den Zauber

des Lebens

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Is Anybody There? ist ein leiser Film des irischen Regisseurs John Crowley nach einem skurrilen Drehbuch von Peter Harness. Er stammt aus dem Jahr 2008, wurde damals aber nicht überall international vermarktet, und vielleicht wäre er, so versponnen, wie er ist, in der Zeit der damaligen globalen Bankenkrise untergegangen. Jetzt kommt er erstmalig in Deutschland heraus zu Ehren von Michael Caine, der in diesem Jahr seinen 91. Geburtstag feiert. Heute geht es eher noch turbulenter zu als damals, aber man kann dies auch als Zeit der Besinnung nutzen, in der essentielle Fragen des Lebens und der Vergänglichkeit unter die Lupe genommen werden könnten. Und da geht der Film in die Tiefe.

Der 10jährige Edward (Bill Milner) ist davon besessen, mit Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Er schaut dazu Dokumentationen über paranormale Phänomene im Fernsehen und versucht, mit seinem Kassettenrekorder Tonaufnahmen zu machen oder auf andere Art, einen Beweis dafür zu bekommen, dass es nach dem Tod weitergeht. Seine Studienobjekte sind Senioren, die im Haus seiner Eltern betreut werden. Edward wächst in seinen jungen Jahren also in einem Umfeld des Alterns und des Sterbens auf. Das führte dazu, dass er keine Kontakte zu anderen Kindern hat und nichts tut, was für einen Jungen in seinem Alter normal wäre.

Seine Mutter (Anne-Marie Duff) und sein Vater (David Morrissey) sind besorgt darüber, aber sie brauchen die Einnahmen zum Überleben, und das ist zur Thatcher-Zeit Ende der 1980er Jahre gar nicht so einfach. Insbesondere seine Mutter schlägt sich wacker mit der Verantwortung für eine ganze Reihe von alten Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Eines Tages wird der grantelnde ehemalige Zauberkünstler Clarence (Michael Caine) eingewiesen, der sich mit seiner zunehmenden Hinfälligkeit und Hilfsbedürftigkeit nicht abfinden will. Nach anfänglichen Konfrontationen entwickeln Clarence und der Junge eine Freundschaft, und Clarence versucht Edward klar zu machen, dass es nach dem Tod nichts gäbe. Er will Edward helfen, leben zu lernen, und das macht ausgerechnet ein Mann, der mit seinem Leben selber nicht richtig zurecht kommt.

Wie sich nach und nach herausstellt, war Clarence verheiratet, aber nicht so glücklich, wie er anfangs vorgab, denn seine Frau hat sich aufgrund seines Verhaltens von ihm getrennt. Sie ist mittlerweile verstorben, und Clarence trauert um sie. Aufgrund seines hohen Alters kann er nicht mehr als Zauberkünstler arbeiten, einzig sein alter Tour-Bus erinnert noch an seine Zeit als Illusionist, mit der er eigentlich abgeschlossen hat. Um Edward von seiner Obsession mit dem jenseitigen Leben abzulenken und ihn mit dem Diesseits anzufreunden, bringt er ihm ein paar Zauberkunststücke bei. Die beiden unternehmen auch Ausflüge, aber Edward unterschätzt die Senilität seines großväterlichen Freundes, dessen Demenz ihn in einen unentrinnbaren Abwärtssog zieht. Trotzdem verspricht Clarence an Edwards 11. Geburtstag zu zaubern, vorausgesetzt, dass er Kinder dazu einlädt. Dieser Geburtstag ist ein Fest für sich, denn die Kinder, die hochbetagten Senioren mit ihren seltsamen Marotten, die überforderten Eltern und der Zauberer, dem seine Tricks misslingen, sind eine Mischung der besonderen Art.

*

Der Film hat durchaus komische Elemente, aber an keiner Stelle werden das Alter, die Demenz und das Sterben ins Lächerliche gezogen. Das garantiert ein Ensemble von hochbetagten, gestandenen Schauspielern wie Thelma Barlow, Garrick Hagon, Rosemary Harris, Karl Johnson, Leslie Philipps, Ralph Riach, Elizabeth Spriggs, Sylvia Syms oder Peter Vaughan, von denen seit 2008 einige schon verstorben sind. Sie haben die britische Theater-, Film- und Fernsehgeschichte mitgeprägt, und der Film ist schon eine kleine Schatzkiste, weil man so viele von ihnen gemeinsam agieren sehen kann. Allen voran gibt Michael Caine eine sehr facettenreiche und grandiose Performance, und der junge Bill Milner ist mittlerweile ein gestandener Schauspieler.

Der Film zündet den großen Teil seines Verlaufs irgendwie nicht, macht das allerdings am Ende wieder wett. Doch die meiste Zeit wird das Mittelmaß geschildert, das Unvermögen, die Hinfälligkeit und die Perspektivlosigkeit. Auch Edwards Eltern schillern wenig, denn die dunkle Zeit des Thatcher-Regimes schwebt über allem, auch wenn sie nicht explizit erwähnt wird. Aber die damals moderne Vokuhila-Frisur des Vaters, Edwards altmodischer Kassettenrekorder und die Kleidung verweisen eindeutig auf die 1980er Jahre. Wenn man den Film aber vom Ende her interpretiert, das an dieser Stelle nicht vorweggenommen wird, ist es nahezu ein Wunder, wie sich die Menschen trotz all ihrer Einschränkungen bewähren. Edwards Mutter ist ein Paradebeispiel für Lebenstüchtigkeit unter schwierigen Bedingungen. Sie schafft es, die Gruppe von schwer zu hütenden Senioren nicht nur zu managen, sondern auch gern zu haben. Dabei versucht sie immer wieder für ihren Sohn da zu sein und ihn von seinem Jenseits-Fimmel abzubringen. Der Filmtitel ist übrigens zweideutig. Wenn Edward Kontakt zum Jenseits aufnehmen will, fragt er immer, ob jemand da sei. Bei den teilweise dementen Bewohnern stellt sich diese Frage in anderer Bedeutung mitunter auch, denn tragischerweise ist bei einigen die einstige Persönlichkeit, die sie ausmachte, verloren gegangen. Es ist niemand mehr da.

Letztendlich ist es Clarence, dem der Zugang zu dem Jungen gelingt. Aber der desillusionierte Illusionist muss erst selber ein Stück weit leben lernen, bevor er es dem Jungen vermitteln kann. Gemeinsam lernen sie, dass es eine Magie jenseits von Zaubertricks gibt, und die liegt im menschlichen Zusammenleben, im gegenseitigen Anerkennen der Menschenwürde und der Fähigkeit zur Empathie. Bei aller Sterblichkeit und der Todesthematik geht es im Film um das Leben, vor dem Tod, und wie wir es gestalten. Die Frage, ob es nach dem Tod weitergeht, wird zumindest in der kindlichen Fantasie des Jungen am Ende beantwortet.



Der alte Zauberkünstler Clarence (Michael Caine) und der 11jährige Edward (Bill Milner) haben sich angefreundet | © Nick Wall, Der Filmverleih

Helga Fitzner - 14. November 2024
ID 15010
Weitere Infos siehe auch: https://isanybodythere.der-filmverleih.de/


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