Menschen,
Biere,
Situationen
Mitgelauschtes Berliner Kneipengespräch
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Bewertung:
- Du, ich war jetze nach längerer Zeit mal wieder im Kino gewesen.
- Ach, haste Dich jetraut, ja?
- Jaa, is ja nich jefährlicher als hier. Brauchst auch keene Maske, die passen alle janz jenau auf, wird alles vorher und nachher desinfiziert und gewienert und geschrubbt. Musst halt nur beim Atmen aufpassen, wa? (Gelächter)
- Wat hast’n jesehen?
- Wat janz Skurriles, ein Kneipenfilm: Leif in Concert. Also ein Film, der komplett in einer einzigen Kneipe spielt! Ich hab jedacht, det is was für mich.
- Klingt langweilig, dat haste doch auch ohne Kino.
- Nee, war hochinteressant jemacht, witzig, locker vom Hocker, also sehr entspannt. Wie es halt so is inner Kneipe. Also - bis auf die allererste Szene. Da fährt die Hauptdarstellerin mit’m Fahrrad durch verschiedene deutsche Städte, Köln und Bremen und dann eben Berlin. Naja, soll wohl den Eindruck erwecken, dass det überall spielen könnte, Dass es ja überall Kneipen gibt, wo sich Menschen treffen und übers Leben austauchen, sich Schicksale kreuzen, philosophiert wird und so. Stimmt ja ooch, aber im Grunde is der Film denn doch sehr berlinerisch. Auf positive Art! Die Kneipe ist nämlich det Yorckschlösschen inner Yorckstraße.
- Ach nee, det jibt’s noch?
- Naja klar, det hätse doch wohl mitkekriecht, wenn det zujemacht hätte.
- Det „Muschi Obermeier“ muss dicht machen!
- Det is ja auch 'n Club, mein Lieber, keine Kneipe. Ich meine, im Yorckschlössel wird auch jetanzt und jesungen und so. Aber es is halt traditionelle rustikale Bierkneipe. Und det erkennste inner ersten Szene. Denn da hat sich ja nichts verändert über die Jahrzehnte! Die Plakate und die Aufkleber und det Mobiljar – erkennte sofort, wenn de da einmal warst. So, und die Handlung, also sagen wer mal, die janzen Episoden mit den vielen skurrilen Typen, also den Stammgästen, den Lieferenten, den Handwerkern, Klomann, - Klomann, ja! -, undsoweiter – also das spielt allet da im Yorckschlösschen. Und ich sage Dir, es ist wunderbar dem Leben abgeguckt, allet janz jenau jetroffen! Der Filmemacher, Christian Klandt, der kann beobachten, det is schon mal sicher. Alleine mal, wie die Stammgäste da rumhocken und die Zeit mit Geschichtenerzählen totschlagen. Wo Du so denkst, gottja, diese Typen, die immer ihren Senf dazugeben müssen, aber auch keinen Durchblick haben. Und das spielt allet innerhalb eines Tages, und zusammengehalten wird es durch die junge Kellnerin hinterm Tresen, die am liebsten den janzen Laden von ihrem Chef übernehmen will. Die spielt Luise Heyer.
- Sacht mir im Moment nix.
- Gesehen haste die auch schon! Also, ne janz Süße. War bis jetze eher so in ernsten Rollen, aber hier passt sie ganz hervorragend in die janze Szenerie. Zum Beispiel wird sie als Frau vom Lieferenten nicht so janz ernst genommen, dafür erlaubt sie Künstlern und Tanzgruppen, die kleine Bühne zu benutzen, wenn es ihr Chef nicht sieht. Und sie hatte was mit `nem Italiener – kann ja vorkommen – und ist gerade nach längerer Zeit zurück in Berlin. Aber was da genau war, kommt wohl erst im nächsten Teil – det is dann Teil 1, also "Volume 1". Dieser jetzt ist "Volume 2".
- Det is mir zu hoch.
- Künstlerische Strategie, manno. Das muss doch nicht immer alles chronologisch schnurgerade verlaufen! Und er Leif ist so ein dänischer Musiker, der am Schluss singt. Bis dahin haben sich schon jede Menge Musiker und andere Typen, die zumindest in Berlin aus Film, Funk und Fernsehen bekannt sind, sich die Klinke in die Hand gegeben, zum Beispiel dieser gruftige Verwesungsarzt, dieser Dr. Benecke.
- Ach nee.
- Ja! Und der arme Tilo Prückner ist da noch zu sehen, der kürzlich gestorben ist, der arme Kerl. Also jedenfalls: Ganz sympathisch, wie im Film ein Mikrokosmos entworfen wird, aber eben nicht angestrengt, sondern so nonchalant. Wie ein Abend, an dem man durch die Kneipen zieht, unterschiedliche Leute trifft, Überraschungen erlebt, plötzlich Live-Musik hört undsoweiter. Und in dem jede und jeder, der auftaucht, so einen bestimmten Typus verkörpert: Der einsame Wolf von Kneipier (Klaus Manchen), der aufdringliche Weinhändler (Goderhard Giese), der Klempner mit künstlerischen Ambitionen (Feuchtgebiete-RegisseurDavid Wnendt), das Pärchen, das in seinen unendlichen Gesprächsspiralen gefangen ist (Jule Böwe und Bela B), die bildschöne Nachbarin, die plötzlich vor einigen Zuhörern ein ellenlanges Gedicht raushaut – also als Poetry Slam, weeste? Die Schauspielerin Maryam Zaree sieht man gottlob auch immer öfter. Alter, Hammerfrau!
- Vergiss es, kommste nich ran.
- Hallo? – Yorckschlösschen!
- Husum!
- Dann weißt Du mehr als ich. Jedenfalls wurde mir ganz schön nostalgisch ums Herz, als ich den Film jesehen habe. Der erinnert ja an Zeiten, wo wir uns einfach so irgendwo treffen und hinsetzen und was trinken konnten. Prost, Alter!
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(C) Mike Auerbach/Lischke & Klandt Filmproduktion
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Max-Peter Heyne - 17. Juli 2020 ID 12356
Weitere Infos siehe auch: https://www.leifinconcert.de/
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