Der etwas
andere
Weihnachtsfilm
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Bewertung:
Mistletoe Ranch – Wo das Herz wohnt der australischen Regisseurin Rhiannon Bannenberg hat alles, was ein Weihnachtsfilm braucht und doch so viel mehr. Die Filmemacherin hat sich auf die Inszenierung authentischer Charaktere spezialisiert, weswegen der Film trotz herrlicher winterlicher Landschaftsaufnahmen und dem Flair der Vorbereitungen auf Weihnachten auf die Darstellung der Personen und ihrer Konflikte fokussiert bleibt. Das überzeugende Drehbuch ist von Claire J. Harris, die das gleiche Anliegen hat, insbesondere in Bezug auf intensive und glaubwürdige Frauenfiguren. Das herannahende Weihnachtsfest ist in diesem Film kein Selbstzweck, obwohl es genügend weihnachtlichen „Zuckerguss“ gibt, der aber etwas verblasst angesichts der menschlichen Krise der Protagonistin. Das trägt aber zur Qualität und Ernsthaftigkeit des Films bei, ohne den Augenschmaus der wunderbaren Bilder zu beeinträchtigen.
Die junge Berufsfotografin Aimée (Mercy Cornwall) wuchs auf der Mistletoe Ranch auf, war aber seit dem Tod ihrer Mutter vor acht Jahren nicht mehr dort. Sie jettet als Assistentin eines berühmten Fotografen um die Welt, entschließt sich dann doch nach Hause zu fahren, um die alljährliche, aber dieses Mal abgesagte Weihnachtsfeier zu organisieren. Zu Hause angekommen, erfährt sie, dass die Ranch insolvent ist und am besten verkauft werden sollte. Doch Aimée hat noch gar nicht mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen und pendelt zwischen dem Heimatgefühl und der Sehnsucht, sich als Fotografin entfalten zu können, hin und her. Die Begegnung mit ihrem Ex-Verlobten James (Jordi Webber) trägt zu ihrem Zwiespalt bei.
James hat die Trennung von Aimée nie ganz verwunden, obwohl er eine Beziehung eingegangen ist, aus der seine kleine Tochter Juniper (Molly Belle Wright) stammt, die bei ihm und seiner Mutter aufwächst. Sie ist ein kleiner Sonnenschein, läuft mit Flügeln herum und bezaubert durch ihre kindliche Überzeugung, dass zu Weihnachten magische Dinge geschehen werden. - Aimée übernimmt nun die Aufgaben ihrer Mutter, die immer das ganze Dorf zu Heilig Abend auf die Ranch eingeladen hat. Sie schmückt das Haus und hat Momente der Freude. Doch immer wieder machen sich Sorgen breit, denn sie hadert mit dem anstehenden Entschluss, die Ranch zum Verkauf freizugeben, da sie nicht die Mittel hat, sie zu halten. Außerdem liebt sie James immer noch, aber das würde sie an die Ranch binden und sie müsste ihren Traumberuf aufgeben.
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Das mag etwas nach gekünsteltem Melodram klingen, wird von der Australierin Mercy Cornwall aber so kreatürlich gespielt, dass es echt wirkt. Die Rolle des James wurde mit dem Neuseeländer Jordi Webber besetzt, der englisch-irische Vorfahren hat, aber auch dezent erkennbar von den dortigen Ureinwohnern, den Maori, abstammt. Das gibt seiner unverbrüchlichen Verbundenheit mit dem Land eine ungeheure Überzeugungskraft, so dass man gar nicht die Idee aufkommen kann, dass er Aimée in die große weite Welt folgen würde. Mit jeder Erinnerung, die die beiden austauschen, wird klarer, dass sie zusammen gehören aber auch, dass Aimée ihren Beruf auf der Ranch nicht ausüben könnte. Ein unlösbarer Konflikt.
Das Christmas-Feeling kommt trotzdem nicht zu kurz. Cornwall und Webber sind sehr schöne Menschen und als Paar eine Augenweide. Die Drehorte im Südosten von Queensland sind wundervoll, und natürlich die Pferde, der Schnee und die einfühlsame Kameraführung von Tony O'Loughlan. Der Verzicht auf berieselnde oder berauschende Filmmusik ist ungewöhnlich; dafür gibt es einen erlesenen, dezenten Soundtrack. Bannenberg ist nicht nur Filmemacherin, sondern auch Musikerin und Komponistin, und auch die beiden Protagonisten sind Musiker. Für das deutsche Kinopublikum sind die Schauspieler und Schauspielerinnen unverbrauchte Gesichter und die Herangehensweise deutlich realistischer als in Weihnachtsfilmen üblich. Kimberley Joseph brilliert als James' Mutter, Charles Allen als alternder Gutsverwalter und Andrea Moor als mürrische „Weihnachtsfee“. Die beiden letzteren sind in ihrer Heimat gestandene Theatermimen.
Selbst das magische Ende ist frei von Kitsch und gekünstelter Weihnachtsseligkeit, und doch fühlt man sich am Ende gut, da der Konflikt unerwartet gelöst werden konnte und zwar von Menschenhand. - Mistletoe ist das englische Wort für die immergrüne Mistel, die in der winterlichen Zeit immer noch Beeren trägt. Die Tradition des Kusses unter dem Mistelzweig stammt aus dem antiken Griechenland als Symbol für Fruchtbarkeit, im alten Rom wurden Friedensverträge unter der Mistel geschlossen. Der Film endet dann auch mit einem Kuss unter dem Mistelzweig. So viel Weihnachtsklischee darf dann doch sein.
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Die kleine Juniper (Molly Belle Wright) zeigt Aimée (Mercy Cornwall) ihre Mistelzweige © Wildbunch Germany
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Helga Fitzner - 2. Dezember 2022 ID 13944
Weitere Infos siehe auch: https://www.wildbunch-germany.de/movie/mistletoe-ranch
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