Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Französisches Kino

Aus weiblicher

Perspektive



Bewertung:    



Eine Frau sitzt in einem kleinen Boot und wird zu einer bretonischen Insel herüber gerudert. Durch das raue Meer geht eine Holzkiste mit Leinwänden über Bord, die sie selbst wieder herausfischt, während die männlichen Ruderer nur verwirrt schauen. Ihr langes und üppiges Kleid illustriert schon, dass sich die Szene im 18. Jahrhundert abspielt und dass die junge Malerin Marianne (Noémie Merlant) ihr Leben ein Stück weit selbst in die Hand genommen hat. Ganz anders als die junge Adelige Héloise (Adèle Haenel), die aus der Klosterschule herausgeholt wurde, um verheiratet zu werden, weil sie nach dem Tod ihrer älteren Schwester die letzte Heiratsfähige ihres Geschlechts ist. Ihr Zukünftiger lebt in Mailand und soll in Form eines Porträtbildes schon mal einen Eindruck von seiner wirklich sehr schönen Braut bekommen, doch die hat den letzten Maler schon aus dem Haus vergrault. Nun soll Marianne als angebliche Gesellschafterin mit ihr Zeit verbringen und sie heimlich malen.

*

Die Französin Céline Sciamma ist für Drehbuch und Regie von Porträt einer jungen Frau in Flammen verantwortlich und stellt die Beziehungen von Frauen untereinander dar in einem düsteren Herrenhaus, in dem es keine Männer gibt. Trotzdem ist der Druck der patriarchalischen Gesellschaft überall spürbar. Die Frauen sind in Korsette und Kleider eingezwängt, die sie in ihrer Bewegung einschränken und schon optisch einen Eindruck von den gesellschaftlichen Einschränkungen vermitteln. Die Frauen tragen sie trotzdem und verhalten sich in vieler Hinsicht konform. Héloise entdeckt nach einer Weile den eigentlichen Zweck von Mariannes Besuch und lässt sich überraschenderweise von ihr malen: aber nicht aus Gehorsam oder Einsicht. Was ihre Mutter, die Herzogin (Valeria Golino), nicht ahnt: Zwischen den beiden Frauen ist eine tiefe Liebe entstanden, die auch sexuelles Verlangen mit einschließt. Im Jahr 1770 ist das aber etwas Undenkbares und eine dauerhafte Beziehung zwischen den beiden unmöglich. Neben den Wonnen der aufkeimenden Liebe bestimmt auch die Trauer um die unvermeidliche Trennung die Freundschaft zwischen den Frauen.

Durch die Abwesenheit von Männern können sie sich gewisse Freiheiten erlauben. Sie rennen ganz undamenhaft am Strand entlang, gestehen sich Gefühle zu und genießen ihre Nacktheit. Sie freunden sich auch mit dem Dienstmädchen Sophie (Luàna Bajrami) an und heben damit die Klassenunterschiede auf. Das geht soweit, dass sie ihr bei einer heiklen Sache beistehen. Als die Frauen des Dorfes nachts ein Fest feiern mit Freudenfeuern und Gesang, schließen sie sich der Feier an. Es wird ein Lied gesungen (komponiert von Jean-Baptiste de Laubier), das sehr archaisch klingt, wie Hexengesang wirkt und eine weibliche Urkraft zu evozieren scheint. Da Sciamma für den Film kaum Musik verwendet, hat das eine sehr starke Wirkung. Sonst sind nur noch Bruchstücke von Vivaldi zu hören. Sciamma erklärt: „Einen Film ohne Musik zu machen, bedeutet, dass man besessen sein muss vom Rhythmus. Man muss Musik auf andere Weise anklingen lassen, in den Bewegungen der Körper und der Kamera... Ich wollte, dass Musik ein Teil des Lebens der Figuren ist, eine seltene ersehnte, wertvolle, nicht vorhandene Sache. Und damit wollte ich den Zuschauer in denselben Zustand versetzen.“

Das korrespondiert auch mit der Kameraführung von Claire Mathon, dem Szenenbild von Thomas Grezaud und dem Kostümbild von Dorothée Guiraud, die Ansichten erschaffen, die wie Gemälde ausschauen, in die dann Bewegung kommt. Insgesamt dominieren aber die Blicke der Frauen, wie sie sich anschauen. Im gesellschaftlichen Leben zu Objekten degradiert, erkennen sie sich im Blick der jeweils anderen als Subjekt wieder, als eigenständige Persönlichkeit, obwohl das Begehren eine wichtige Rolle spielt, aber trotzdem auf Augenhöhe und ohne Sexismus. Es ist tragisch, dass genau dieses von einer liebenden Frau gemalte Bild, die Hochzeit mit dem unbekannten Adeligen besiegeln soll, zu dem wohl niemals eine so innige Beziehung bestehen wird wie zu Marianne. Obwohl der Film die gemeinschaftlich orientierte Frauenwelt zeigt, schwebt die hierarchische Struktur der Männer über allem.



Héloise (Adèle Haenel) und die Malerin Marianne (Noémie Merlant) müssen voneinander Abschied nehmen | © Alamode Film

Helga Fitzner - 30. Oktober 2019
ID 11769
Weitere Infos siehe auch: https://www.alamodefilm.de/kino/detail/portraet-einer-jungen-frau-in-flammen.html


Post an Helga Fitzner

Filmkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

FERNSEHFILME

HEIMKINO

INTERVIEWS

NEUES DEUTSCHES KINO

SPIELFILME

TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)