Die Zukunft
ist weiblich
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Bewertung:
Zugegebenermaßen stellt sich doch Wehmut ein, wenn der lange, bisweilen gewundene Weg einer über 40 Jahre andauernden Filmreihe an ihr Ende kommt. Auch dann, wenn die letzte Episode nicht so überzeugend ausfällt wie die beiden Episoden zuvor. Aber auch in dieser Hinsicht schließt sich ein Kreis, denn die jeweils dritten Episoden der Sternenkrieg-Ennealogie (Neunteiler) waren jeweils die schwächsten. Natürlich ist Star Wars - Der Aufstieg Skywalkers ein sehr unterhaltsamer, mit Action und Effekten gespickter Popcorn-Kinofilm, wie ihn sich die Fans wünschen und ersehnen. Es ist auch ein würdiger Abschluss der Saga, die das Regie-Wunderkind George Lucas erstmals 1971 als Skript für eine Auftragsproduktion (!) für das Filmstudio Universal skizziert hatte. Eine zufriedenstellende Abrundung der gesamten Reihe gelingt den Drehbuchautoren Chris Terrio und J. J. Abrams (auch Regisseur) mit Episode IX allerdings nicht, deren Dramaturgie etwas umständlich und zugleich an mehreren Stellen zu hölzern und vorhersehbar wirkt.
Die große Lebensleistung des begnadeten Visionärs George Lucas bleibt davon unberührt. Wie allenfalls noch sein Kollege Gene Roddenberry mit der Star Trek-Fernsehserie und Joanne K. Rowling mit dem Harry Potter-Zyklus erschuf Lucas ein ganzes Paralleluniversum speziell für die Generation der so genannten Babyboomer. Sie war angesichts des kargen Naturalismus, den die deutschen Fernseh- und ein großer Teil der europäischen Kinofilme, die in den 1970er Jahren als non-plus-ultra anboten, offen für eine eklektizistische Popkultur, die sich bei christlichen und mythologischen Motiven ebenso bediente wie bei den Familiendramen der Antike und Shakespeares. Lucas traute sich, eine durch und durch künstliche Welt zu schaffen, die wirkte wie ein Grimmsches Märchen unter LSD-Einfluss.
Das ästhetische Konzept, Mummenschanz und digitales High-Tech, Nazi- und Fantasy-Symbolik zusammenzubringen, trägt bis heute. Inzwischen aber mit deutlichen Abstrichen, wie mir angesichts des letzten Teils scheint. Denn vieles von dem, was vor 40 Jahren außerordentlich originell wirkte – z.B. groteske Gestalten und surreale Tierwesen – sind inzwischen kein Alleinstellungsmerkmal der Star Wars-Reihe mehr. Besser funktioniert die Gegensätzlichkeit aus Steam Punk-Ästhetik der Rebellen und Fascho-Look des Imperiums, das als Erste Ordnung die dunkle Seite der Macht repräsentiert.
In Episode VIII hatten die von der Ersten Ordnung schwer zusammengeschossenen, freiheitlichen Rebellen dank der telekinetischen Kräfte des letzten Jedi-Ritters Luke Skywalker (Mark Hamill) noch einmal die völlige Vernichtung ihrer Kämpfer auf dem Planeten Crait abwenden können. Insbesondere die junge, mit übernatürlichen Kräften gesegnete Rebellin Rey (Daisy Ridley), der Kampfpilot Poe Dameron (Oscar Isaac) und der Kämpfer Finn (John Boyega) taten sich als mutige Gegner der Imperiumstruppen hervor. Doch der mit den Fähigkeiten eines Jedi-Ritters ausgestattete Kylo Ren (Adam Driver), ausgerechnet der Sohn von Rebellenführerin Leia (Carrie Fisher) und des Pilots Han Solo (Harrison Ford), bereitet zusammen mit dem Führungszirkel der Ersten Ordnung eine weitere Offensive vor, nachdem er sich rücksichtslos zum neuen Obersten Führer der Truppen hochgeputscht hat.
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In Episode IX müssen die Rebellen sich sammeln und zum entscheidenden Gegenschlag ausholen, bevor sie von den Truppen aufgespürt werden, und zugleich muss die in Jedi-Künsten trainierte Rey (Daisy Ridley als eine mehr denn je glänzende Amazone) ihren Gegner Kylo Ren besiegen – was zu mehreren telekinetischen und handfesten Duellen mit dem Laserschwert führt. Im Hinter- (besser gesagt:) Untergrund zieht ein mächtiger, eigentlich schon fast vergessener Oberschurke die Fäden, der in Kylo Ren seinen natürlichen Verbündeten sieht, aber auch versucht, die tapfere Rey auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen, indem er ihren erwachenden Selbstzweifel ausnutzen will.
Den Rebellen kommen wiederum die Informationen eines unbekannten Spions innerhalb der Ersten Ordnung zu Gute. Doch um ihre Strategie effektiv umsetzen zu können, sind sie immer wieder darauf angewiesen, sich auf anderen Planeten oder in der Höhle des Löwen Hilfe und Hinweise zu holen – was regelmäßig zu Verfolgungsjagden und Kampfsituationen führt (und einer holprigen Dramaturgie). Der gute alte Androide C-3PO (als einziger in allen Episoden dabei: Anthony Daniels) muss den höchsten Tribut, nämlich die Löschung seines gesamten gespeicherten Wissens, zahlen, um eine bestimmte Information aufrufen zu können. Und unverhofft gibt es ein Wiedersehen mit Lando Clarissian (Billy Dee Williams), einem alten Bekannten aus der "Frühzeit" der Saga (entstehungsgeschichtlich, nicht chronologisch gesehen, nämlich aus den Episoden IV-VI).
Das Design und die Ausstattung der Sets sind wieder spektakulär, die Trickeffekte wie immer state of the art, das Casting bis in die letzten Reihen absolut überzeugend. Der Spannungsbogen kann nicht jederzeit gehalten werden, und neben wunderbaren humorvollen Akzenten gibt es auch die eine oder andere hohle bzw. ausgelutschte Phrase im Dialog. Die Kampfszenen und Verfolgungsjagden sorgen für hohes Tempo, und das Wiedersehen mit den alten Recken auf der hellen und der dunklen Seite der Macht ist berührender als die dramaturgischen Winkelzüge, von denen man meistens ahnt, wie sie letztlich ausgehen. Dass mit Rey eine weibliche, ebenso starke wie umsichtige Heldin als Erbin von Prinzessin Leia nicht nur den Ton angibt, sondern auch aktiv kämpft, entspricht dem gesellschaftspolitischen Zeitgeist – auch dem der fernen Zukunft.
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Die zuletzt beteiligten Produzenten kündigten bereits eine weitere Star Wars-Trilogie an, die sich bisher allerdings verzögert. Doch da sich das Lucas‘sche Imperium schon seit langem zu einer Merchandising-Maschinerie entwickelt hat, werden eines nicht allzu fernen Tages unvermeidlich weitere Fortsetzungen oder Spin-Offs folgen. Ich werde all das nicht mehr mitverfolgen, gehöre ich doch zu jener Spezies, die sich die besonderen Eindrücke aus ihrer Adoleszenz nicht aus kommerziellem Kalkül in einer Endlosschleife verwässern lassen wollen. Die Zeit mit Prinzessin Leia, Han Solo, Luke Skywalker, Darth Vader und den vielen anderen Figuren war insgesamt eine schöne Zeit, inspirierend, verglichen mit anderen Filmreihen und Serien wenig zeitraubend und immer amüsant. Nun ist sie vorbei, und wie so viele Fans der Anfangszeit fühlt sich der Rezensent noch jung, ist es aber nicht mehr. Die Zeit des medialen Überangebotes gerade an Fantasy-Stories hat die Star Wars-Reihe nicht beschädigt oder entwertet. Aber für künftige Generationen muss eine solche Saga sicherlich anders erzählt werden: weniger martialisch, überladen und heldenhaft, aber gerne genauso bunt und ironisch.
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Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers | (C) Walt Disney Company
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Max-Peter Heyne - 18. Dezember 2019 ID 11892
https://disney.de/filme/star-wars-der-aufstieg-skywalkers
Post an Max-Peter Heyne
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