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Britisches Kino

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Die Nachrichten über den Sensationsfund gingen im September 2012 um die Welt. In der mittelenglischen Stadt Leicester war ein Skelett ausgegraben worden, das dem englischen König Richard III. (1452-1485) zugeschrieben wurde, was später durch DNA-Analysen bestätigt werden konnte. Die Fachwelt stand Kopf, waren die meisten doch der Ansicht gewesen, dass die Überreste des Monarchen in den Fluss Soar geworfen worden waren. Da gab es im Nachgang noch viel mehr zu Grübeln, denn das Bild von König Richard III. war über Jahrhunderte von William Shakespeares gleichnamigen Stück (verfasst um 1593) geprägt, das ihn als Mörder zweier seiner minderjährigen Neffen, als Tyrannen und Usurpator seines Throns darstellt. Nun, Shakespeare war ein Dichter und kein Wissenschaftler, und nein, Richard III. hatte keinen Buckel, wie der unsterbliche Barde das bühnenwirksam inszenierte, und die genannten Neffen waren illegitim und hätten Richard in der Thronfolge gar nicht im Weg gestanden, sofern er es darauf angelegt hätte.

Basierend auf den Veröffentlichungen von Philippa Langley hat der britische Altmeister Stephen Frears nun einen Spielfilm über sie und ihre Suche produziert The Lost King.

*

Nach der Ausgrabung schrieben sich die Universität und der Rat der Stadt Leicester den Erfolg weitgehend auf ihre Fahnen, obwohl diese nur sehr zögerlich gewesen waren und lediglich partiellen Anteil an der Suche hatte. Die Initiatorin der Nachforschungen war die britische Hobby-Historikerin Philippa Langley, die zunächst ein Stück über Richard III. schreiben wollte, das die historischen Fakten berücksichtigt. Sie fand aber heraus, dass sich trotz einiger Vereine, die sich für die Rehabilitation des Königs einsetzten, noch niemand daran gemacht hatte, die Puzzle-Teile von Fakten und Wahrscheinlichkeiten zu sammeln und zusammenzusetzen. Daraus ergab sich ein Potenzial, dass sich die Gebeine unter einem Parkplatz in Leicester befinden müssten, worunter die Ruinen einer alten Kirche vermutet wurden. Mit ziemlicher Besessenheit arbeitete Langley daran, die finanziellen Mittel aufzutreiben, den Leichnam zu bergen, die historische Fehlinterpretation zu korrigieren und ihn so bestatten zu lassen, wie es eines legitimen Königs würdig ist. Der Weg dahin war steinig.

Philippa (Sally Hawkins) ist Mutter zweier Söhne, die sie einvernehmlich und gemeinsam mit ihrem geschiedenen Mann John (Steve Coogan) großzieht. Sie arbeitet anfänglich in einer Agentur, wird aber häufiger übergangen, obwohl sie zuverlässig und kompetent ist. Das kostet sie besonders viel Kraft, weil sie an einem chronischen Erschöpfungssyndrom leidet, das zu erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen führen kann. Nachdem sie wieder einmal geschasst worden ist, geht sie nicht mehr zur Arbeit, sondern widmet sich ihrer Recherche zu Richard III. Sie setzt sich mit entsprechenden Fachleuten in Verbindung und besucht einschlägige Treffen. Trotz der Anstrengung gibt ihr das Energie und sie forscht mit einer solchen Besessenheit weiter, dass ihr Ex-Gatte John sich zunächst Sorgen macht, denn der tote König spukt in Philippas Kopf herum und gewinnt ein Eigenleben. Im Film taucht er sogar in royaler Gestalt als Geist von Richard III. (Harry Lloyd) auf und spricht mit ihr. Er ist eine sehr amüsante und gelungene Visualisierung der kreisenden Gedanken der echten Philippa. Sally Hawkins gibt hier eine der besten Schauspieldarbietungen überhaupt, sie stellt die ständig erschöpfte und zugleich unermüdliche Langley auf eine kreatürliche Art dar, die unter die Haut geht.

Die Drehbuchautoren Jeff Pope und Steve Coogan haben sich ausführlich mit der realen Philippa ausgetauscht, um ihre Geschichte erzählen zu können. Steve Coogan übernahm im Film dann selbst die Rolle des Ex-Mannes, hat die komplexe Beziehung der beiden gut dargestellt und ein Paar geschildert, das trotz der Scheidung die Sorge um die beiden Söhne verantwortlich und in gegenseitiger Achtung übernimmt. Er unterstützt seine Frau, als sie mit Richard Buckley (Mark Addy), dem Leiter der archäologischen Abteilung der University of Leicester verhandelt und anderen Autoritäten, von denen sie nicht ernst genommen wird, weil sie eine Außenseiterin ist und weder in einer wissenschaftlichen, noch politischen Institution beheimatet ist. Das sind eben jene, die hinterher die ganzen Lorbeeren einheimsen und sie von der Pressekonferenz ausschließen, obwohl sie die Initiatorin war und einen großen Teil der Ausgrabungen durch Crowdfunding finanziert und geleitet hat. Einzig der Historiker Dr. John Ashdown-Hill (James Fleet) unterstützt sie, denn er konnte noch lebende Nachfahren der Familie Richards ausfindig machen, wodurch die DNA entschlüsselt werden konnte. Es fehlten anfangs nur noch die entsprechenden Gebeine zum Abgleich.

Langley handelte teilweise aus Intuition, denn sie hatte ein starkes körperliches Gefühl, als sie auf dem Parkplatz an der Stelle stand, unter der Richard III. dann tatsächlich gefunden wurde. Das ist in wissenschaftlichen Kreisen verpönt, obwohl es oft die Intuition ist, die Wissenschaftler auf den richtigen Weg führt. Langley fühlte sehr stark, wie viel Unrecht dem König über Jahrhunderte angetan wurde und konnte das nachfühlen, weil es ihr als Frau, die sich mit dem Establishment anlegte, auf ihre Art nicht viel anders erging.

Der Grund, warum sich die Mythen um Richard III. als Usurpator und Erzschurken hielten, lassen sich leicht erklären. Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben, und der Monarch war der letzte aus der Dynastie der Plantagenets, die von den Tudors auf dem Feld besiegt wurden. Um ihre Herrschaft zu stabilisieren, verteufelten sie ihren Vorgänger, und da Shakespeares Königin Elisabeth I. aus dem Hause Tudor stammte und die Theaterleute auf ihre Gunst angewiesen waren, wundert man sich vielleicht etwas weniger. Nun ist der Barde nicht umsonst unsterblich, denn das Stück Richard III. ist eine universelle Blaupause für die Machtergreifung von Schurken, Usurpatoren, Mördern und skrupellosen Politikern im Allgemeinen. Die Prinzipien des Aufstiegs des fiktiven (!) Königs kann man bei der Installation vieler totalitärer Systeme wiedererkennen.



Philippa Langley (Sally Hawkins) im Gespräch mit dem Geist von Richard III. (Harry Lloyd)
© X Verleih AG


Der Fund der Gebeine alleine reichte der entschlossenen Frau nicht aus, sie kämpfte weiterhin darum, dass das royale Wappen an seinem Grab angebracht wurde und die königliche Webseite den Eintrag über ihn von "Usurpator" auf "rechtmäßiger König" änderte. Der Film will ganz bewusst die Verdienste von Langley hervorheben, wodurch es auch für sie zu einer Wiedergutmachung kommt. Der Drehbuchautor Jeff Pope über Philippa Langley:


„Ihre Geschichte sollte uns eine Lehre sein, stets einen offenen Geist zu bewahren. Nicht alles, was wir sehen oder was uns gesagt wird, ist unbedingt die Wahrheit. In der Schule wird uns allen beigebracht, dass Richard III. ein böser König war, auch Shakespeares Stück hat ihn als Bösewicht in die Geschichte eingeschrieben. Dieser Film wird das alles wieder in Frage stellen!“

Helga Fitzner - 3. Oktober 2023
ID 14418
https://www.x-verleih.de/filme/the-lost-king/


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