Der Fluch
der Liebe
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Bewertung:
Undine (Paula Beer) und ihr Freund Johannes (Jacob Matschenz) sitzen in einem Berliner Café, und Johannes will die Trennung: „Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten“, sagt Undine ernst, und Johannes nickt, als sei das selbstverständlich. Sie gibt ihm noch Bedenkzeit und kehrt in die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zurück, in der sie als Museumsführerin arbeitet. Johannes verschwindet, und Undine sucht ihn verzweifelt, weil sie ihn nicht töten möchte. Da stößt sie im Café mit Christoph (Franz Rogowski) zusammen, und die beiden geraten in den Schwall eines umstürzenden Aquariums. Zwischen den beiden beginnt eine Amour fou, die Undine ihre Mission in Sachen Johannes vorübergehend vergessen lässt. Erst nach und nach kann man sich zusammenreimen, dass es sich bei Undine um ein mythisches Wesen handelt, eine Wassernixe, die durch die Liebe zu einem Menschen selber Mensch geworden war, aber durch den Liebesverrat von Johannes gezwungen ist, diesen zu töten. Johannes steht unter dem Pantoffel einer anderen Frau, zu der er gerade gezogen ist. Undine will die tödliche Vorbestimmung brechen und sich davon befreien, denn sie ist glücklich; Christoph ist Industrietaucher, und auch sein Element ist das Wasser, sodass die beiden gut zusammenpassen, aber dann kommt es anders...
Christian Petzold (Phoenix, 2014) hat die mythologische Geschichte entkernt und ohne Verfremdungen verfilmt. In den wunderbaren Unterwasserszenen kommt er mit wenigen Spezialeffekten aus, Rogowski und Beer steigen selbst ins kühle Nass und bewältigen die Unterwasserszenen einfach grandios. Die Geschichte von Undine ist oft und in vielen Varianten verfilmt worden, wobei Disneys Arielle die Meerjungfrau zu den bekanntesten gehören dürfte. Petzold schrieb das Drehbuch selbst und wählte Paula Beer und Franz Rogowski für die Hauptrollen, mit denen er schon in Transit (2018) zusammenarbeitete und die beide ein ungemein subtiles und intensives Spiel abliefern. Der Mythos erscheint real, und der Fluch wirkt wie ein Schicksal, dem man nicht entrinnen kann, obwohl Undine lieber ihr Leben mit Christoph genießen würde. Schon in seinen vorangegangen Filmen prägten politische und gesellschaftliche Umstände die Lebensentscheidungen der Menschen, und hier ist es ein Mythos, der Undine die Entscheidungsfreiheit nimmt. Einen gewissen Grad an Selbstbestimmung erkämpft sie sich im Laufe der Geschichte, was aber ein viel zu großes Opfer erfordert.
Petzold lässt Undine als Museumsführerin zweimal sehr ausführlich über Berlin erzählen, das anhand von Modellen illustriert wird. Berlin ist aus einem ehemaligen Sumpfgebiet entstanden, das trockengelegt wurde, und Petzold ist der Ansicht, dass es durch die künstliche Erschaffung keine eigenen Mythen habe, nur die von Kaufleuten importierten. Auch meint er, dass Berlin durch die baulichen Maßnahmen seine eigene Geschichte ausradiere, was für ihn Vergangenheitszerstörung bedeute. Was an mythischen Elementen noch übrig bleibe, sind lediglich Restbestände. Doch er schafft es, in Undine das Märchenhafte ins Bild zu setzen, ausgerechnet beim Industrietauchen, wenn Christoph Turbinen in einem Stausee überprüft und repariert. Dort schwimmt ein legendärer Riesen-Wels auf ihn zu, den es offensichtlich doch gibt. Das Ende ist tieftraurig und Happy End zugleich und bringt ein Stück Magie zurück. In der Unterwasserwelt sind noch wundersame Dinge vorhanden, wenngleich auch verborgen.
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Paula Beer bekam auf der letzten BERLINALE den Silbernen Bären als beste Schauspielerin, doch Franz Rogowski steht ihr in Sachen Schauspielkunst in nichts nach. Bei beiden stimmt die Chemie, und beide können mit zurückgenommener Spielweise Höchstleistungen erbringen. Deswegen macht es Spaß, ihnen zuzuschauen, auch wenn der Film nicht alles erklärt und einiges rätselhaft bleibt. Petzold hat damit wohl eine Trilogie begonnen, die sich mit der deutschen Romantik auseinandersetzt und mit Elementargeistern beschäftigt. Nach dem Element Wasser sollen noch Luft- und Erdgeister folgen. Mit Undine ist ihm ein guter Anfang gelungen, der dem Zuschauer zunächst ein wenig Geduld abverlangt, der durch das großartige Ende aber belohnt wird.
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Christoph (Franz Rogowski) hat eine starke Affinität zum Wasser | © Piffl Medien
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Helga Fitzner - 2. Juli 2020 ID 12333
Weitere Infos siehe auch: http://www.undine.piffl-medien.de/
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